Karl Mahrer am Freitag vor seiner Kür zum Chef der ÖVP Wien. Überschattet war der Parteitag vom Bekanntwerden von Ermittlungen gegen ihn in der Causa Wienwert.

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Der Freitag hätte für Karl Mahrer eigentlich ein Tag reiner Freude werden sollen. Am Abend fand die Kür des früheren Nationalratsabgeordneten zum Chef der ÖVP Wien statt, am Parteitag sollte quasi die Krönung seiner politischen Karriere stattfinden. Doch just an diesem Tag wurde zunächst via Krone bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen ihn ermittelt.

Die Angelegenheit, in der nun auch Mahrer als Verdächtiger geführt wird, beschäftigt die Justiz schon seit Jahren. Es geht um die Causa Wienwert, also um mutmaßliche Malversationen rund um den 2018 pleite gegangenen Immobilienentwickler. Gläubiger haben damals fast achtzig Millionen Euro an Forderungen angemeldet. In ihren besseren Zeiten hat Wienwert viel Geld für Berater ausgegeben, so auch für ein Unternehmen namens Charisma GmbH. Die bekam ab 1. Juli 2017 monatlich 10.000 Euro netto, den Vertrag hatte der Aufsichtsrat der Wienwert einen Monat zuvor genehmigt. In Summe geht es um 84.000 Euro brutto.

Alleingesellschafterin der PR-Firma: Mahrers Ehefrau. Sie sollte für Wienwert lobbyieren, etwa Kontakt zum damaligen ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel herstellen. Das hat der Gutachter in der Causa, Matthias Kopetzky, eruiert. Er schreibt unter Bezug auf E-Mails allerdings auch, dass "Treffen und ein reger Austausch via E-Mail vorrangig" zwischen dem damaligen Wienwert-Chef und Karl Mahrer stattgefunden hätten – und nicht mit dessen Frau.

Post-Its und Flipcharts

Der Gutachter hinterfragt die Arbeit der Beraterin: Sie habe "weder Zeitaufzeichnungen, noch Kalendereinträge, noch Gesprächsprotokolle oder sonstige Notizen zwecks Dokumentationen ihrer Tätigkeit" vorlegen können. Hauptsächlich habe sie laut ihrer Aussage vor den Ermittlern "mit Post-its und Flipcharts gearbeitet"; ihre Arbeitsunterlagen habe sie bei einem Umzug entsorgt. Dass es auch anders ging, zeigen laut Gutachten, das dem STANDARD vorliegt, Zahlungen an eine andere Beratungsgesellschaft. Diese sei ein "innerbetriebliches Musterbeispiel" dafür, was von einem strategischen Berater und Lobbyisten "an inhaltlicher Arbeit erwartet" werden dürfe.

Kurzum: Aufgrund dieses Gutachtens und andere vorläufiger Ermittlungsergebnisse besteht laut WKStA der Verdacht, dass das Geld an Charisma "ohne konkrete Gegenleistung" geflossen sei. Karl Mahrer wird deshalb vorgeworfen, gemeinsam mit seiner Frau, gegen die schon länger ermittelt wird, den Wienwert-Vorstand zur Untreue angestiftet zu haben. Auch die Charisma selbst wird als Beschuldigte geführt. Die Betroffenen weisen die Vorwürfe zurück, für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Konsultationen mit Karl Mahrer

Mahrer will den Sachverhalt bei seiner Beschuldigteneinvernahme im Juni "aufklären", sagt sein Sprecher dem STANDARD. Er habe just zu der Zeit, als er zum designierten ÖVP Wien-Chef wurde, von den Ermittlungen erfahren. Was daran liegen könnte, dass Mahrer als Abgeordneter Immunität hatte und die WKStA ein Auslieferungsbegehren abgefertigt hatte. Nach dem Rücktritt des damaligen ÖVP-Wien-Chefs Gernot Blümel am 2. Dezember 2021 verließ Mahrer den Nationalrat und wurde in Wien nicht-amtsführender Stadtrat. Immun ist er seither nicht mehr.

Folgt man dem Gutachten, gab es zwischen Karl Mahrer und Wienwert mehrere Berührungspunkte: So sei eine Partnerschaft zwischen dem Unternehmen und dem "Kuratorium sicheres Österreich" und der Polizei-Offiziersgesellschaft "vor allem den intensiven Konsultationen" mit Mahrer, damals Landespolizeivizepräsident, geschuldet gewesen . Der Werbewert dieser Partnerschaft ist dem Gutachter "nicht erkennbar" – abgesehen vom Networking mit der Polizei Wien, dessen "Sinn aus Compliance-Gründen von beiden Seiten mit Erklärungsbedarf behaftet ist".

"Politische Landschaftspflege"

Mahrer sei auch als Vermittler im Zusammenhang mit der "Initiative Sicheres Wohnen der Stadt Wien" aufgetreten und er habe Kontakt zu einem gut vernetzten Wiener Unternehmer hergestellt. Dem schrieb ein Wienwert-Manager, er könne das Honorar mit "Karl" um die Hälfte verringern – obwohl ja dessen Frau Auftragnehmerin war. Der Gesamteindruck, den der Gutachter gewonnen hat: Da habe sich jemand in die politischen Zirkel der Stadt Wien eingekauft, was die Betroffenen seit jeher bestreiten.

Stichwort politische Zirkel: Auch gegen den Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) wird rund um einen Grundstücksdeal ermittelt, ebenso gegen Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus. Wienwert hatte ja auch an den FPÖ-nahen Verein "Wirtschaft für Österreich" gespendet. Das hatte einst die Ermittlungen der WKStA zum Ibiza-Video ausgelöst. Selbst als dem Wiener Immobilienentwickler schon das Geld auszugehen begann und Lieferanten nur "vereinzelt bedient wurden": Die Lobbyisten wurden laut Gutachter noch bezahlt. Zitat aus dessen Expertise: Die "politische Landschaftspflege" sei für die Wienwert wohl "von besonderer Bedeutung" gewesen. (Renate Graber, Fabian Schmid, 20.5.2022)