Mitglieder der "Operation Dudula" bei einem Marsch durch Durban.

Foto: AFP/RAJESH JANTILAL

300 Rand, knapp 19 Euro, hätten sie verlangt, erzählt Make Nomsa. Dafür hätten sie ihren Mann womöglich in Ruhe gelassen. Doch Nomsa hatte nur 50 Rand: Die steckten sie ein – und nahmen ihren 43-jährigen Gatten trotzdem mit. Wie die Simbabwerin später erfuhr, schlugen sie Elvis Nyathi nur wenige Meter von ihrer Hütte entfernt zu Boden, warfen mit Benzin gefüllte Autoreifen auf ihn und zündeten sie an. Übrig blieb nur ein mit dem Drahtgeflecht der Reifen verklumpter Knochenhaufen.

Ein Mob junger Männer war in der Nacht auf den 7. April durch den Johannesburger Slum Diepsloot gezogen und hatte von dessen Bewohnern Ausweise verlangt. Wer über ein südafrikanisches Dokument verfügte, wurde in Ruhe gelassen. Wer keines präsentieren konnte und sich auch seiner Sprache wegen als Ausländer verriet, wurde beschimpft, bedroht, verprügelt oder wie im Fall Elvis Nyathis auf bestialische Weise ermordet.

"Südafrika den Südafrikanern"

Die Mitglieder des Mobs gaben sich als Anhänger der "Operation Dudula" aus, die derzeit in ganz Südafrika Angst und Schrecken verbreitet. Die Bürgerwehr will das das Kap der Guten Hoffnung von Ausländern "befreien". Ihr Motto: "Put South Africa first" oder "Nigeria den Nigerianern, Simbabwe den Simbabwern und Südafrika den Südafrikanern".

Seit Anfang dieses Jahres ziehen sie immer wieder in Protestmärschen durch Großstädte wie Johannesburg, Durban oder Kapstadt und bezichtigen Ausländer des Drogenhandels, der Zwangsprostitution und vieler anderer Verbrechen. Fremde sind für sie sowohl für die schwindelerregende Arbeitslosenquote von fast 40 Prozent verantwortlich als auch für die Tatsache, dass Südafrika mit weit über 100 gemeldeten Vergewaltigungen am Tag als Welthauptstadt der Gewalt gegen Frauen gilt.

In den Schulen wimmle es von ausländischen Lehrern, während 30.000 einheimische Pädagogen ohne Arbeit seien, sagt Dudula-Gründer Nhlanhla Mohlauli. Und in Krankenhäusern werde man von Pflegerinnen und Pflegern behandelt, die keine einzige der zehn einheimischen Landessprachen sprächen. Solche Vorwürfe sind aus anderen Staaten bekannt. Dass sie sich in den seltensten Fällen belegen lassen, ist ihnen außerdem gemein.

Angeblich auch Waffen im Spiel

Mohlauli, der sich "Lux" nennen lässt, ist 35 Jahre jung, tritt meist in militärischer Uniform mit gepanzerter Schutzweste auf und kommandiert nach eigenen Angaben mehrere hundert Kämpfer. Auch Waffen seien vorhanden, versichert Lux. Über Whatsapp erhalten sie Hinweise aus der Bevölkerung, wo sich "illegale Fremdlinge" aufhalten. Dann ziehen sie los, um sich die "Parasiten" vorzuknöpfen.

Da die Polizei, wie jeder Südafrikaner bestätigen kann, nutzlos ist, müsse seine Bürgerwehr für Ordnung sorgen, sagt Lux: "Die Mehrheit der Probleme, mit denen wir Südafrikaner konfrontiert sind, haben Ausländer über uns gebracht." Corona, Rezession, Inflation, Klimaerhitzung und Wohnungsnot.

Xenophobie ist am Kap der Guten Hoffnung nicht neu. Bei den ersten derartigen Ausschreitungen vor 14 Jahren wurden 62 Nichtsüdafrikaner umgebracht, hunderte Geschäfte gingen in Flammen auf. 2015, 2016 und 2019 folgten weitere blutige Exzesse: Stück für Stück ruinierten sie den Ruf des Landes im Rest des Kontinents. Dort erinnert man an den Befreiungskampf, in dem sich die Südafrikaner der Unterstützung anderer afrikanischer Staaten sicher sein konnten. Nun aber schlage den Mitafrikanern statt Dankbarkeit blanker Hass entgegen.

Lob vom ANC

Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) tut sich schwer, dieser populistischen Welle entgegenzutreten. In dessen Reihen sind viele selbst überzeugt, dass die vier Millionen registrierten Immigranten und die unbekannte Zahl der Illegalen für die zahllosen Fehlentwicklungen am Kap verantwortlich seien – wie Innenminister Amos Motsoaledi, die Veteranenvereinigung der Befreiungskämpfer oder ANC-Sprecher Pula Mabe. Letzterer bezeichnete Mohlaulis "Operation Dudula" jüngst als "progressive und konstruktive Bürgervereinigung". Auf der gemeinsamen Suche nach einem Sündenbock kommt der Regierungspartei jeder gelegen. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 21.5.2022)