Julia Mayer ist dem Frauenlauf sehr verbunden. 2019 öffnete er ihr die Tür zur Profikarriere, 2021 lief sie einen Rekord.

Foto: Asics Frauenlauf / Dominik Kiss

Wir schreiben das Jahr 2022. Und da soll ein Lauf notwendig sein, an dem nur Frauen teilnehmen dürfen? Ein Frauenlauf? "Natürlich ist er notwendig", sagt Julia Mayer. "Die Möglichkeit, unter sich bleiben zu können, gibt vielen Mädchen und Frauen erst den Mut und das Selbstvertrauen, den ersten Schritt zu tun. Mit etwas zu beginnen, das für sie nicht selbstverständlich ist. Viele denken sich: Ich bin vielleicht nicht die Fitteste, aber ich lauf da jetzt mit – und kein Mann wird mich deshalb blöd anschauen. Auch in Fitnesscentern gibt es Bereiche, wo nur Frauen trainieren dürfen. Und das ist gut so."

Julia Mayer ist garantiert eine der Fitteren und gewiss die schnellste Österreicherin über fünf und zehn Kilometer. Das sind genau jene Distanzen, die am Sonntag der 34. "Asics Österreichische Frauenlauf" im Wiener Prater ausrollt. Doch auch die 29-jährige Niederösterreicherin, die in Wien lebt, ist eine läuferische Spätstarterin, sie hat lange und gut Fußball gespielt, erst seit fünf Jahren schnürt sie regelmäßig die Laufschuhe. "Da geht etwas", hat sie flott festgestellt und sich das Ziel gesetzt, den Sport professionell zu betreiben.

2020 konnte sie den Plan verwirklichen, nun ist sie als Leistungssportlerin beim Bundesheer angestellt und abgesichert. 16 Staatsmeistertitel hat sie gewonnen, zudem ist sie Rekordhalterin im Straßenlauf über fünf Kilometer (15:45,2 Minuten), zehn Kilometer (32:52) sowie im Halbmarathon (1:11:13). Die Fünf-Kilometer-Bestmarke hat sie beim Frauenlauf 2021 erzielt, der wegen der Pandemie in den Oktober verschoben worden war.

STANDARD: Ist Ihre persönliche Beziehung zum Frauenlauf eine spezielle?

Mayer: Auf jeden Fall, und nicht nur wegen des Rekords. Ich hab dem Frauenlauf sehr viel zu verdanken. 2019, in meinem zweiten vollen Laufjahr, war ich die schnellste Österreicherin. Das war mein Durchbruch, im Ziel hab ich geheult vor Freude. Danach bin ich zum Bundesheer und ins Asics-Team gekommen, die Organisatoren des Frauenlaufs haben mir die Rutsche gelegt. Seither hab ich im Kopf, dass ich zu Olympischen Spielen will.

STANDARD: Bei Olympischen Spielen – die nächsten finden 2024 in Paris statt – gibt es auf der Straße aber nur den Marathon.

Mayer: Genau das ist mein Ziel. Mit meiner Halbmarathon-Bestzeit sollte auch im Marathon einiges möglich sein. Im Herbst lauf ich in Berlin meinen ersten Marathon. Eine Zeit unter 2:30 Stunden trau ich mir schon zu. Mein Trainer sagt, ein Blinder sieht, dass ich eine prädestinierte Marathonläuferin bin. Bis jetzt hab ich mich eher gesträubt, aber mittlerweile glaub ich auch schon fest daran.

Julia Mayers Trainer ist der Physiotherapeut Vincent Vermeulen, der einst Hermann Maier nach dessen Unfall wieder auf Vordermann gebracht hat. Sie bringt eine ähnlich große Leidenschaft für das mit, was sie tut. Sie läuft und läuft und läuft, langweilig wird ihr nie. Täglich zwei Einheiten, kein Ruhetag. In "normalen Wochen" kommt Mayer auf 22 Laufstunden, in schwachen Woche auf 15. Wobei eine der beiden Einheiten am Tag oft eine lockere ist, und die Lockerheit definiert sich nicht über die Kilometerzeit, sondern über den Puls, der dann bei 110 Schlägen pro Minute liegt. Das kann einen Kilometerschnitt von fünf oder auch einen von sieben Minuten ergeben, das ist Mayer völlig egal, weil es darum geht, dass sich ihr Körper quasi laufend erholt, also um die Regeneration.

Die körperlichen Voraussetzungen passen sowieso. Bei einer Größe von 1,59 Metern bringt Mayer derzeit 49 Kilogramm auf die Waage. Im Herbst, am Ende der Freiluftsaison, werden es zwei, drei Kilo weniger sein, im Winter steht dafür ein Fünfer vorn, knapp, aber doch. Ihr Körperfettanteil liegt bei acht Prozent. "Ich bin eher der muskulöse Typ", sagt Mayer, "obwohl ich selten in die Kraftkammer geh. Aber auch ich muss in Sachen Gewicht aufpassen." Vor zwei Jahren hat sie einmal kurz nicht aufgepasst, eine Folge davon war, dass ihre Regel ausblieb.

STANDARD: Je leichter, umso schneller, so lautet ein Credo vieler Coaches im Langstreckenlauf. Wie schmal ist der Grat, auf dem Sie sich bewegen?

Mayer: Mein Trainer hat ein anderes Credo. Für ihn und für mich ist meine Gesundheit das Wichtigste. 2019 war ich an der Grenze zur Magersucht. Du isst wenig, zu wenig, doch dann siehst du, dein Gewicht geht runter, und plötzlich kippst du komplett rein. Das kann kritisch werden. Aber mir passiert das kein zweites Mal. Als damals meine Regel ausgeblieben ist, hat Vincent gemeint, ich soll nicht nur ans Laufen, sondern auch einmal an später denken. Das hat mich wachgerüttelt. Aber ich will schon auch sagen, es ist eigentlich ein Klassiker, dass dieses Gewichtsthema ein reines Frauenthema ist.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Mayer: Es gibt ja nicht nur dünne Läuferinnen, es gibt auch sehr viele sehr dünne Läufer. Aber da sagt niemand etwas, da hört man überhaupt keine Kritik. Es werden wegen Äußerlichkeiten immer nur die Frauen kritisiert.

Am liebsten läuft Mayer im Wiener Prater, der vor ihrer Haustür liegt, und in Weidling bei Klosterneuburg. Lieber als auf Asphalt läuft sie auf Waldwegen, das unterscheidet sie von vielen Laufkolleginnen und Laufkollegen. "Es ist besser für die Sehnen und Gelenke", ist sie überzeugt. "Und man läuft bewusster, man muss schauen, wo man hinsteigt." Seit zwei Jahren ist sie zehn Minuten täglich sogar in Barfußsocken unterwegs, auch das im Wald. Sie ist stets dabei, ihren Laufstil zu verbessern, weniger und weniger "über die Ferse" zu laufen. Ziel ist der federnde Schritt, den man etwa bei kenianischen Läuferinnen und Läufern oft sieht. "Da geht beim Aufkommen des Fußes die ganze Energie gleich wieder voll nach vorn." In einem Halbmarathon kann Mayer diesen Schritt bereits bis Kilometer 14 oder 15 halten, dann fällt sie in alte Muster zurück. Ziel ist es, die Grenze immer weiter nach hinten zu verschieben. Das geht nur durch Training, Training, Training. "Es klingt komisch", sagt Mayer, "aber ich muss sozusagen das Laufen üben."

Die Sportbegeisterung hat Julia von ihrem Vater und ihrem Großvater, der mit seinen 80 Jahren jeden Tag eine ausgedehnte Laufrunde dreht. Seit einiger Zeit trabt auch Julias Mutter immer wieder los. Mit viel Gelassenheit und weniger Ehrgeiz. Mama Mayer läuft manchmal dreimal sechs Minuten, manchmal auch etwas kürzer. "Es ist das Coolste", sagt Julia Mayer, "wenn mich die Mama anruft und sich einfach nur freut, weil es ihr Spaß gemacht hat und weil es ihr besser gegangen ist als beim letzten Mal."

Denn diese Freude kommt dem Motto des Frauenlaufs, der so notwendig ist, schon sehr nahe: Jede ist eine Gewinnerin! (Fritz Neumann, 21.5.2022)

WISSEN

34. Asics-Frauenlauf auf einen Blick

LOCATION Das Veranstaltungsgelände, von dem aus am Sonntag der Startbereich zu erreichen ist, liegt zwischen Happel-Stadion und Hauptallee. Zieleinlauf ist auf der Meiereistraße neben dem Happel-Stadion.

BEWERBE Der 5-km-Klassiker wird um 9 Uhr gestartet, das "doppelte Vergnügen" 10 km um 10.15 Uhr. Start zum 5-km-Nordic-Walking ist um 10.50 Uhr.

ZAHLEN Die jüngste Teilnehmerin ist JG 2017, die älteste JG 1934. 18.000 Frauen gehen an den Start. Ein Rekordfeld gab es 2017 mit 35.000 Läuferinnen.