Joe Biden (Mitte) begrüßte Sauli Niiniströ und Magdalena Andersson im Weißen Haus.

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Die Militärkapelle hatte schon ihre Plätze an der Seite des Rose Gardens eingenommen, als Jake Sullivan, der Sicherheitsberater des Weißen Hauses, kurz vor Beginn der Zeremonie zu einem Laptop am Regiepult eilte und ein paar Sätze hineintippte. Beobachter spekulierten über letzte Änderungen an der Präsidentenrede, möglicherweise zum Nato-Erweiterungsstreit mit der Türkei. Tatsächlich bekräftigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zur gleichen Zeit seine Ablehnung der Aufnahme von Schweden und Finnland. Als Joe Biden wenig später ans Rednerpult trat, erwähnte er die Türkei mit keinem Wort.

Es war eine betont freundliche und optimistische Veranstaltung, zu der Biden unmittelbar vor seinem 15-stündigen Flug nach Seoul, dem ersten Ziel einer wichtigen Asien-Reise, eingeladen hatte. Der Präsident stand lächelnd zwischen dem finnischen Präsidenten Sauli Niiniströ und der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, während am Himmel angesichts der Weltlage irgendwie unwirklich die Sonne strahlte. "Heute ist ein folgenschwerer Tag. Es ist ein sehr, sehr guter Tag", sagte er: "Finnland und Schweden machen die Nato stärker."

Warmer Empfang

Die Botschaft des demonstrativ herzlichen Auftritts vor dutzenden Kameras war klar: Die beiden skandinavischen Länder sind als gefestigte Demokratien mit starken Armeen und "einem ausgeprägten moralischen Empfinden für das, was richtig ist" hochwillkommen im westlichen Verteidigungsbündnis.

Die Aufnahme solle so schnell wie möglich erfolgen, versprach Biden. Ganz ähnlich äußerten sich später Nancy Pelosi und Chuck Schumer, die demokratischen Anführer im Kongress, sowie – in der polarisierten politischen Stimmung der USA durchaus bemerkenswert – auch Mitch McConnell, der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, bei denen Niiniströ und Andersson ebenfalls vorstellig wurden.

Drei Adressaten

Im Grunde hatte der US-Präsident bei seiner Rede im Rose Garden drei Adressaten. Zum einen – offensichtlich – den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Im Angesicht der Aggression ist die Nato stärker und geschlossener geworden", sagte er. Er betonte, der geplante Beitritt der beiden bislang neutralen Länder stelle "für keine Nation eine Bedrohung dar", warnte jedoch zugleich vor möglichen russischen Übergriffen in der Übergangsphase bis zur vollen Nato-Erweiterung: "Es wird nichts übersehen werden."

Der zweite Adressat war – unausgesprochen – der türkische Präsident Erdoğan, der sich der Aufnahme der beiden Länder widersetzt, weil sie angeblich die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien unterstützen. Der gemeinsame Auftritt Bidens mit Niiniströ und Andersson ließ keine Zweifel an den Wünschen Washingtons zu. Der finnische Präsident versicherte in seiner Ansprache, sein Land verurteile Terrorismus in jeder Form und sei offen für Gespräche über alle Sorgen der Türkei.

Erdoğans Absichten

Freilich glauben viele Beobachter in den USA, dass Erdoğan sein Veto für einen Kuhhandel auf einem ganz anderen Feld nutzen will: So will die Regierung in Ankara amerikanische F-16 Kampfjets kaufen. Der Deal wurde aber von Washington gestoppt, nachdem Erdoğan ein russisches Luftabwehrsystem gekauft hatte. Ohne direkten Bezug zu dieser Thematik hatte Sicherheitsberater Sullivan erklärt, seine Regierung sei "sehr zuversichtlich", zu einer Lösung zu kommen. Gegen das Waffengeschäft dürfte es aber Widerstände im Kongress geben.

Schließlich richteten sich Bidens Worte an das heimische Publikum. In den vergangenen Jahren seien die Bedeutung und die Notwendigkeit der Nato in Zweifel gezogen worden, sagte er in Anspielung auf seinen Vorgänger Donald Trump: "Heute ist das keine Frage mehr." Biden präsentierte sich als Anführer des Westens, der die Gemeinschaft wieder zusammengeführt hat.

Nordische "Pufferzone"

Das kontrastiert tatsächlich stark mit Äußerungen aus dem Trump-Lager. Dessen Sohn Donald Jr. warnte, der Wegfall einer "Pufferzone" zu Russland sei gefährlich. Auch der rechte Senator Josh Hawley ging auf Distanz zu der Nato-Erweiterung. Und Ex-Botschafter Richard Grenell behauptete: "Biden und die Demokraten (...) wollen, dass die amerikanischen Steuerzahler für die Verteidigung von noch mehr Ländern bezahlen." Noch sind solche Stimmen bei den Republikanern aber in der Minderheit: Die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Senat für den Beitritt scheint gesichert. (Karl Doemens aus Washington, 21.5.2022)