Menschen in Paderborn fegen Trümmer von der Straße.

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Ein beschädigtes Auto steht in den Trümmern eines abgedeckten Hauses.

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Über Lippstadt zog ein Tornado eine Schneise der Verwüstung.

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Lippstadt/Paderborn – Gewitter, Starkregen und Orkanböen haben in Teilen Deutschlands am Freitag schwere Schäden verursacht. Betroffen war vor allem das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen. Allein in Paderborn wurden laut Polizei 43 Menschen verletzt, 13 von ihnen schwer. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) bestätigte der Deutschen Presse-Agentur drei Tornados, sie traten in Paderborn, Lippstadt und in Lütmarsen, einem Ortsteil der Stadt Höxter, auf.

Es stünden umfangreiche Aufräumarbeiten an, sagte der Polizeisprecher in Paderborn. Er berichtete von losen Dachziegeln, umgestürzten Baugerüsten und Ästen, die in Fenster gekracht seien. In Paderborn war die Rede von Millionenschäden, etwa in einem Gewerbegebiet. Unter den 13 Schwerverletzten ist auch eine Frau, die lebensgefährliche Verletzungen erlitten habe. Sie werde in einem Bielefelder Krankenhaus behandelt und sei noch in der Nacht operiert worden.

"Schneise der Verwüstung"

In Nordrhein-Westfalen sorgten Starkregen und Orkanböen auch in Lippstadt für Chaos. "Im Zuge eines Gewitters hat eine Windhose am Freitagnachmittag eine Schneise der Verwüstung von West nach Ost mitten durch Paderborn in Richtung der östlichen Stadtteile gezogen", teilte die Polizei am frühen Abend mit.

Die Behörden in Paderborn haben nach dem Durchzug eines Tornados die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung gelobt. Doch es gab auch Kritik an Bürgerinnen und Bürgern. "Die Bereitschaft der Menschen zu helfen war immens", berichtete der Leitende Polizeidirektor von Paderborn, Ulrich Ettler, bei einer Pressekonferenz. "Es gab leider auch einige Bürger, die so dreist waren, Absperrbänder zu missachten und die Arbeit der Rettungskräfte zu behindern."

Schwere Schäden in Lippstadt

Auch im etwa 35 Kilometer entfernten Lippstadt meldete die Feuerwehr einen Tornado, der schwere Schäden angerichtet habe. Es habe zerstörte Dächer und umgestürzte Bäume im gesamten Stadtgebiet gegeben, sagte ein Feuerwehrsprecher. Fensterscheiben platzten und Autos wurden durch herabfallende Äste zerstört.

Teils seien die Bäume schon am Stamm umgeknickt, berichtete die Gemeinde Altenbeken bei Paderborn – wie von der Hand eines Riesen getroffen. Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums sagte, neben Paderborn und Lippstadt seien keine weiteren Orte bekannt, die es ähnlich getroffen habe.

Aufräumarbeiten in Lippstadt.
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Wegen Ästen und Bäumen auf den Gleisen musste die Bahnstrecke zwischen Paderborn und Altenbeken gesperrt werden. Betroffen seien der Regional- und Fernverkehr, Züge würden umgeleitet, sagte ein Bahnsprecher. Auf der Strecke Köln – Wuppertal – Dortmund/Hamm wurden die ICE- und IC-Züge zwischen Köln und Dortmund über Düsseldorf umgeleitet. Auf der Fernverkehrsstrecke zwischen Köln/Düsseldorf und Berlin fuhren aufgrund eines Notarzteinsatzes keine ICE zwischen Bielefeld und Hannover. Ob der Einsatz mit dem Unwetter zusammenhängt, wurde zunächst nicht bekannt.

In Rheinland-Pfalz und dem Saarland blieben trotz massiver Gewitter größere Schäden bis zum Abend aus. Polizei und Rettungskräfte meldeten vereinzelt umgestürzte Bäume, Hagelschäden an Autos sowie die Überflutung von Kellern. Meldungen über Verletzte gab es aber zunächst nicht.

Veranstaltungen abgesagt

Im Mittelfranken in Bayern wurden 14 Menschen beim Einsturz einer Holzhütte verletzt, darunter mehrere Kinder. Das Unglück ereignete sich in Spalt (Landkreis Roth) nahe dem Großen Brombachsee. Einer Polizeisprecherin zufolge hatten mehrere Urlauber in der rund 85 Quadratmeter großen Hütte Schutz gesucht, die dann zur Seite gekippt und in sich zusammengefallen sei. Insgesamt löste das Unwetter in Mittelfranken knapp 400 Feuerwehreinsätze aus – vor allem wegen vollgelaufener Keller, entwurzelter Bäume und beschädigter Hausdächer. Zwischen Neuhaus und Hersbruck wurde die Bahnstrecke wegen Bäumen auf den Gleise gesperrt.

In Rheinland-Pfalz und dem Saarland blieben größere Schäden trotz massiver Gewitter aus. Polizei und Rettungskräfte meldeten vereinzelt umgestürzte Bäume, Hagelschäden an Autos sowie die Überflutung von Kellern. Ein 38-jähriger Mann starb in Rheinland-Pfalz, als er beim Betreten eines unter Wasser stehenden Kellers einen Stromschlag erlitt, dadurch zu Fall kam und vermutlich mit dem Kopf aufschlug, wie die Polizei mitteilte. Im Landkreis Bernkastel-Wittlich wurden bei einem Autounfall auf regennasser Landstraße fünf Menschen verletzt, darunter ein dreijähriges Kind.

Eine Anwohnerin schaut aus einem der zerbrochenen Fenster ihrer Wohnung.
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In Thüringen kam am späten Freitagabend ein Autofahrer bei Dittersdorf im Saale-Orla-Kreis mit seinem Fahrzeug von der Straße ab und krachte gegen eine Betonwand, wie die Polizei mitteilte. Er und drei Mitfahrer wurden leicht verletzt. Auch andernorts in Thüringen mussten die Einsatzkräfte ausrücken – hauptsächlich wegen entwurzelter Bäume, die Straßen blockierten.

In Sachsen musste wegen eines Gewitters über Leipzig die Band Rammstein ihr Konzert am Freitagabend für eine halbe Stunde unterbrechen. 45 Minuten nach Beginn der Show wurden die Menschen in der Red-Bull-Arena aufgefordert, den Innenraum des Stadions zu verlassen und Schutz zu suchen. Nach 15 Minuten wurden die Fans dann zurück in den Innenraum gelassen.

Am Samstag sollte das Gewittertief nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ostwärts über Mecklenburg-Vorpommern abziehen. Davor kann es zu Sturmböen kommen. Im Süden sei noch vereinzelt mit Gewittern zu rechnen. Die Menschen im Nordosten können sich auf einen Wechsel aus Sonne und Wolken einstellen und auch im Südwesten soll es sonnig, jedoch nicht mehr so warm wie bisher werden.

Sturm und Hagel verursachten erhebliche Schäden in Tschechien

Wie der Wetterdienst CHMU mitteilte, erreichte der Wind in der Nacht auf Samstag Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 130 km/h. Heftige Stürme und regional auch Hagel haben in Tschechien erhebliche Schäden und Verkehrsbehinderungen verursacht. Die Feuerwehren des Landes meldeten über 1.000 Einsätze. Umgestürzte Bäume beschädigten Autos und blockierten Straßen- und Eisenbahnverbindungen. Die Aufräumarbeiten dürften den ganzen Samstag dauern, erklärte ein Feuerwehrsprecher.

Im Prager Stadtteil Troja beschädigte der Sturm ein für Flüchtlinge aus der Ukraine errichtetes Zeltlager. Ein Teil der dort Untergebrachten musste mit Autobussen in Sicherheit gebracht werden. Verletzte wurden aber zunächst aus Tschechien nicht gemeldet.

Temperaturrekorde in Spanien

Spanien und Frankreich wurden indes im Mai von einer verfrühten Hitzewelle erfasst. Am Freitagnachmittag zeigte das Thermometer in der Stadt Andújar in Andalusien 41 Grad an. Die ebenfalls im Süden liegenden Großstädte Sevilla und Córdoba meldeten 39 Grad. Das waren Rekordtemperaturen für einen so frühen Zeitpunkt im Jahr. Im Inneren der Ferieninsel Mallorca wurden 35 Grad erreicht.

Auch nach Sonnenuntergang gibt es kaum Abkühlung. Denn in weiten Teilen Süd- und Zentralspaniens fallen die Temperaturen derzeit auch nachts nicht unter 20 Grad, am heißesten waren die Nächte in Jaén mit 26 Grad Tiefsttemperatur. Die heißen Luftmassen sollten am Samstag weiter Richtung Norden ziehen. Dann kommt auch die Millionenmetropole Madrid bei bis zu 36 Grad richtig ins Schwitzen.

"Der Sommer frisst den Frühling", titelte die Zeitung "El País" angesichts von Jahr zu Jahr früher einsetzender Hitzewellen. Die einzige plausible Erklärung für dieses Phänomen sei der Klimawandel, zitierte die Zeitung den Sprecher des spanischen meteorologischen Instituts Aemet, Rubén del Campo. Erst kommende Woche können die Menschen im Süden mit etwas Linderung rechnen. Dann sollen die Höchsttemperaturen "nur noch" um die 30 Grad betragen.

Historische Hitzewelle in Frankreich

In Frankreich lässt eine Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 35 Grad Temperaturrekorde purzeln. So war es im Süden in Montélimar mit 32,9 Grad am Dienstag so heiß wie zuletzt an einem Maitag 1945, teilte der französische Wetterdienst mit. Auf der Insel Île de Bréhat, an der Nordküste der Bretagne, wurde mit 27,8 Grad gar ein Rekord für einen Maitag von 1922 gebrochen.

In Lyon war es fünf Tage in Folge wärmer als 30 Grad, zuletzt war dies im Mai 1945 der Fall. Es zeichne sich bereits ab, dass der Mai den bisher heißesten Mai im Jahr 2011 übertreffen werde, erklärte der Wetterdienst. Auf einen ungewöhnlich heißen Sommer deuteten die Temperaturen aber keineswegs hin.

In 16 Departements sind Landwirte und Privathaushalte bereits zum sparsamen Umgang mit Wasser aufgerufen, teilte das Umweltministerium mit. In 22 Departements bestehe ein erhöhtes Dürrerisiko. (APA, red, 20.5.2022)