Geht es nach den Plänen der EU, sollen auch geschützte Chats künftig durchleuchtet werden können.

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Die Kritik an den EU-Plänen, private Chats in Messengerdiensten wie Whatsapp, Telegram und Signal zu überwachen, reißt nicht ab. Politischer Gegenwind formiert sich nun auch immer stärker in Deutschland, wo sich zuletzt vor allem die FDP gegen die Pläne gestellt hat. Nachdem vor wenigen Tagen bereits Digitalminister Volker Wissing (FDP) unmissverständlich mitgeteilt hatte, dass "allgemeine Chatkontrollen nicht hinnehmbar" seien und es einen "geschützten Raum privater Kommunikation" brauche, legte nun auch Justizminister Marco Buschmann nach.

"Politisch wie rechtlich schwierig"

In einem Interview mit dem Spiegel äußerte sich der FDP-Politiker "sehr skeptisch, was diesen neuen Entwurf angeht – sowohl rechtlich, aber gerade auch politisch." Als Begründung gab er an, dass private Kommunikation nach dem Brief- und Fernmeldegeheimnis besonders geschützt sei. Bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen habe der Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit daher stets die Verhältnismäßigkeit angemahnt.

"Generelle flächendeckende Überwachungsmaßnahmen privater Korrespondenz" lehne sein Haus ab, teilte Buschmann mit und verwies dabei explizit auf den digitalen Raum. "Digitale Bürgerrechte sind keine Bürgerrechte zweiter Klasse", wird er im Spiegel zitiert. Wie negativ gerade die Regierungspartei FDP den Entwurf sieht, lässt sich auch daraus ableiten, dass die Partei wiederholt den ursprünglich von Kritikerinnen geprägten informellen Begriff "Chatkontrolle" verwenden.

EU-Kommissarin verteidigt Entwurf

Während der Entwurf, mit der die Verbreitung von Kinderpornografie eingedämmt werden soll, von diversen politischen Parteien, aber auch Datenschützer und Kinderrechtsorganisationen kritisiert wurde, verteidigte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager im STANDARD-Interview den Vorstoß. Es gehe nicht darum, die Privatsphäre der Menschen zu zerstören, sondern verstärkt gegen Kindesmissbrauch vorzugehen, hofft Vestager darauf, dass der Entwurf möglichst breite Unterstützung finde.

In ihren Ausführungen gestand die Kommissarin aber das Dilemma zu, einerseits die Privatsphäre als "hohes Gut" zu schützen und gleichzeitig gegen die rasante Verbreitung von Kinderpornografie im Netz vorzugehen. "Verschlüsselte Kommunikation müssen wir auch in Zukunft ermöglichen. Das beinhaltet schwierige rechtliche und technische Fragen", fasste Vestager die aktuelle Diskussion zusammen.

Auch viel Kritik in Österreich

Ob die EU nach den jüngsten Aussagen von FDP-Politikern und Teilen der SPD noch auf Deutschland bei der Absegnung des Entwurfs zählen kann, scheint ungewiss. Aus FDP-Kreisen hieß es zuletzt gar, man halte "die Chatkontrolle auch nicht mit dem Koalitionsvertrag vereinbar. " Auch in Österreich stehen die politischen Spitzen mit Ausnahme der ÖVP dem Entwurf überwiegend ablehnend gegenüber. Lediglich Lukas Mandl, ÖVP-Sprecher für Justiz und Sicherheit im Europaparlament signalisierte Zustimmung, warnte aber ebenfalls vor einer "Orwell'schen Welt." (step, 22.05.2022)