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Van der Bellen gab der Bevölkerung am Sonntag seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit bekannt.

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Das lange Warten hatte am Sonntag ein Ende. Jetzt beginnt der Wahlkampf. Alexander Van der Bellen will sich der Wiederwahl als Bundespräsident stellen, wie er am Sonntag auf allen verfügbaren Kanälen kundtat. Passiert nichts vollkommen Unerwartetes, wird er diese Wahl auch gewinnen. Höchstwahrscheinlich weit deutlicher als die erste.

Gute Umfragewerte

Die Umfragen für Van der Bellen sind sehr gut, und als Amtsinhaber hat er auch einen klaren Startvorteil. Zudem haben SPÖ, ÖVP und Grüne längst verkündet, dass sie keinen eigenen Kandidaten aufstellen werden. Offen bleibt, warum Van der Bellen so lange mit der Verkündigung gewartet hat. So manche Stimmen waren schon genervt bis ungeduldig. Hatte er angesichts seines langen ersten Weges in die Hofburg, Stichwort Anfechtungen, Stichwort schlechter Kleber, keine Lust mehr auf einen nicht enden wollenden Wahlkampf?

Oder wollte sein Team angesichts des Erwartbaren doch mit ein bisschen Aufregung und Spannung in seine Wiederwahlkampagne starten? Das ominöse Video, das mit dem Clash-Song "Should I Stay or Should I Go" von Tiktok ausgehend durch die virtuelle Welt geisterte, spricht für Zweiteres. Und immerhin ist der Sonntag auch ein Jahrestag für Van der Bellen: Genau vor sechs Jahren gewann er die Stichwahl gegen den blauen Kandidaten Norbert Hofer.

Hält man sich die bekannt entschleunigte – respektlose Zungen meinen gar: langatmige – Art des Bundespräsidenten vor Augen, mit der er spricht, passten die letzten Monate, in denen alle gebannt auf ein Zeichen aus der Hofburg warteten, da ganz gut dazu. Seit er das erste Mal gefragt wurde, ob er für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stehe, sind gefühlt Jahrhunderte vergangen.

Ruhig durch unruhige Zeiten

Jetzt hat er sich entschieden. Und eigentlich muss man das dem ehemaligen Grünen-Chef, egal welcher Couleur man anhängen mag, hoch anrechnen. Denn der Mann mit der bedächtigen Art hat sich wirklich gleich mehrmals als absolut krisenfestes Staatsoberhaupt profiliert. Man kann sagen, im Vergleich zu Van der Bellen durften seine Amtsvorgänger eine ruhige Kugel schieben. Eine Pandemie, wie sie seit gut hundert Jahren ihresgleichen sucht, war nicht genug. Van der Bellen steuerte das Land nach Ibiza auch durch eine der größten politischen Krisen der Zweiten Republik.

Mit unerschütterlichem Optimismus meinte er: "So sind wir nicht", und vollzog bis dato sage und schreibe 156 Angelobungen. Das dürfte ihm auch Vertrauen bei Menschen gebracht haben, die ihn 2016 nicht gewählt hatten. Außer bei der Stammwählerschaft der FPÖ, die selbst noch einen Kandidaten oder eine Kandidatin aufstellen will, dürften ihm die Stimmen aus den Pools der anderen Parteien zu einem hohen Anteil sicher sein. Angesichts seiner Bilanz spielt sein Alter eigentlich keine Rolle. Heute nennt man so jemanden nicht alt, sondern Best Ager.

Neutralitätsdebatte

Entspannend wird aber auch seine – sehr wahrscheinliche – zweite Amtsperiode nicht werden. Nicht nur, weil es in der regierenden Koalition immer wieder zu ernsthaften Spannungen kommen kann. Mit den Debatten über die Abschaffung der Neutralität und einen Nato-Beitritt Österreichs geht es ums Eingemachte, um die DNA dieser Republik. Während eine große Mehrheit der Bevölkerung nicht an der Neutralität rühren will, wird das Thema durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht verschwinden. Auch da wird wieder ein unaufgeregter Bundespräsident gefragt sein (22.5. 2022, Colette M. Schmidt)