Kurator Günther Holler-Schuster traf eine originelle Auswahl aus der Sammlung Liaunig und erweiterte sie um wichtige Leihgaben. 140 Positionen sind zu bestaunen.

Foto: Museum Liaunig

Man kann sich verstecken im Raum, man kann darin spielen. Dann kommen die Blicke in die Weite, das nächste Dorf, irgendwann die Ferne, die Verirrungen, die mögliche Weltreise, das Universum. Lost in Space heißt die heurige Hauptausstellung im Südkärntner Museum Liaunig, die manchmal im warnenden Sinn eines Irrwegs, oft menschlich sehr berührend und dann auch wieder ziemlich humorvoll die Auseinandersetzung der Kunst mit dem Räumlichen in den vergangenen 70 Jahren vor Augen führt. Wie im Vorjahr hat der Grazer Foto-, Film- und Videokünstler Günther Holler-Schuster eine originelle Auswahl aus der Sammlung Liaunig getroffen und um einige wenige, inhaltlich aber wichtige Leihgaben ergänzt.

Es beginnt witzig. Die zwei kolossalen Urtiere von Hans Schabus, eines noch stehend, das andere liegend mit verlorenen Stoßzähnen wie in einer Steinzeithöhle, heißen, in Bezug auf die Gegenwart recht hinterfragend, Klub Europa (2010).

Statt in einen Stier hat sich Zeus anscheinend in einen Dinosaurier verwandelt. Das steht so sicher nicht in der Bibliothek der transformierten Information, denn dort ist alles totalitär vereinheitlicht, aber es ist immer noch ein realer Bibliotheksraum.

Der Krieg ist nahe

Genauso real wie der Container (1995) von Manfred Erjautz, jede Aussicht bunt und grell mit einer Werbefläche verstellend, so etwas wie eine kleine, enge wirtschaftliche Reizüberflutungskabine. Das ist unsere Zeit. Martin Schnurs Monitor wurde es schon 1993 zu viel, und er ist verschmort.

Ausstellungsansicht.
Foto: Museum Liaunig

Dann gibt es aber auch unheimlich schöne Sachen. Erwin Wurm zelebriert 1986 einen Aschekübel wie ein altgriechisches Weihegefäß. Erwin Reiter baut 1981 ein archaisches Gefährt. Johannes Zechner vermutet in flaschenförmigen Keramikgefäßen geheimnisvolle Retorten. Aus lauter Rundspiegeln wie in die Luft geblasenen Kringeln besteht das Modell eines Raucherpavillons von Eva Schlegel (2018). Michael Kienzer verwandelt Aluminiumrohre scheibchenweise in Trauben (2013). Und da sind auch die verführerischen Flächen von Dorothee Golz wie PX 3205 (2012), mit Wölbungen wie Wellen, die eine Bettdecke wirft. Grafisch kommen die Architekten vor, die eigentlichen Spezialisten der Raumkunst: Günther Domenig meditiert über das Kristalline, Raimund Abraham über extrem schmale und dabei extrem hohe Baugebilde, Hans Hollein über eine statische Unwahrscheinlichkeit.

Sexuelle Wunderkammer

Reimo Wukounig, dieser biografisch konditionierte Spezialist für das Abgründige, erinnert (das ist eine Leihgabe) wichtigerweise daran, dass der Raum einen Boden hat und dass dieser Boden geglänzt werden muss, mit einem Blocker, mit Bohneröl, von Frauen, von Kindern. An die Wand gehängt, wirken die Bodenbürsten wie Gekreuzigte, am Boden liegend wie Leichen in einem Massengrab. Der Krieg ist nahe. Lebbeus Woods nennt 1994 ein zerbombtes Hochhaus Sarajevo Model. Ebenso nahe ist die Klimakatastrophe. Josef Pillhofer verkrümmt und verbiegt 1996 eine Metallplatte derart, dass wirklich der Eindruck von einem Orkan in Manhattan entsteht.

Der südlichste Teil der Schau wird mit einer beißend ironischen sexuellen Wunderkammer Cornelius Koligs eröffnet. Am Balkon findet sich der vielleicht berührendste Moment der Schau: ein eher noch konventioneller Bronze-Akt, Die Rückblickende (1945), von Heinz Leinfellner, der sich sehr verwundert darüber zeigt, was hinterher noch kommen sollte. (Michael Cerha, 23.5.2022)