Wien – Gunar Nakladal bricht eine grüne Banane in zwei Teile, beobachtet wohlwollend, wie sie Fäden zieht, und schnuppert daran. "Riecht nach Gurke. Genau so soll es sein." Nakladal ist Reifemeister des Obst- und Gemüsekonzerns Frutura. Sein Job ist es, aus grünen Bananen gelbe werden zu lassen und ihre ungenießbare Stärke in schmackhaften Zucker zu verwandeln. Zwei bis drei Jahre dauere es, um dieses Handwerk zu beherrschen, erzählt der Berliner. "20 Prozent davon sind Wissenschaft, 80 Prozent Erfahrung."

14 Kilo Bananen verzehrt ein Österreicher durchschnittlich im Jahr. Keine andere Frucht ist stärker industrialisiert und standardisiert.
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30.000 Kartons mit jeweils 18 Kilo Bananen reifen wöchentlich unter seiner Kontrolle in Hartl bei Kaindorf heran. Geerntet wurden sie grün in Ecuador, Costa Rica, Kolumbien oder Peru. Erntehelfer schneiden dort in sieben Stunden je 200 Büschel. Ihr Lohn abseits des fairen Handels ist niedrig, die Arbeit schwer, die Belastung mit Pestiziden hoch.

Dunkle Seiten des Booms

Die Geschichte des Handels mit Bananen in Südamerika ist blutig. Sie ging mit Massakern einher, mit Staatsstreichen und Raubbau an der Natur. Zugleich wurde die Frucht zu einem der wichtigsten Devisenbringer vieler Länder und zum Milliardengeschäft.

Ihr einziger echter Feind ist ein hartnäckiger Pilz, der die Pflanzen austrocknen und absterben lässt. Ganze Sorten hat er schon vernichtet und hält Industrie wie Wissenschaft in Atem. Soll sich die Banane für ihre Rettung der Gentechnik verschreiben? Die Branche ist in dieser Frage seit Jahren tief gespalten.

Für ihren Weg nach Europa brauchen Bananen per Schiff 18 bis 25 Tage. Von den Häfen Antwerpens, Rotterdams oder Hamburgs werden sie in weiteren ein bis zwei Tagen in die Steiermark zu Frutura transportiert. Der Obsthändler betreibt für die Lebensmittelkette Spar eine von knapp einem Dutzend Reifereien in Österreich. Derer einige Hundert verteilen sich über ganz Europa.

Gelber Körper, dunkle Spitzen

Nakladal öffnet eine containergroße Zelle, in denen die Bananen mit Ethylen begast werden. Es ist ein naturidentes Gas, das auch Obst ausströmt und für gleichmäßige Reifung sorgen soll. Ventilatoren surren. Airbags drängen kühle Luft in die aufgeschlitzten Kartons. Eine knappe Woche ruhen die Exoten hier und dürfen sich auf nicht mehr als 40 Grad erhitzen. Dann sind sie für den Verkauf bereit. Ziel des Handels ist es, sie ohne Makel innerhalb von 24 Stunden an die Kunden zu bringen.

Fleckenloser gelber Körper, grüne Spitze – so sehen diese sie am liebsten. Als Schönheitsfehler gilt Latex aus der Krone, der die Schalen verklebt. Chemie verhindert dies; bei Bio sind die dafür nötigen Präparate verboten.

Cashcow des Handels

Bananen sind das meistverzehrte Obst der Welt. Die Österreich essen davon mehr als fast alle anderen Europäer. Knapp 14 Kilo wiegt ihr Konsum pro Kopf und Jahr – und nimmt weiter stetig zu. Wobei Wert auf Nachhaltigkeit gelegt wird: Jede dritte bis vierte Banane hierzulande ist Fairtrade-zertifiziert und bio.

Was macht Bananen zur Cashcow des Handels? Warum ist weitgereistes Obst günstiger als steirische Äpfel? Und wie stark schlägt der Krieg in der Ukraine auf den Markt durch?

Kaum eine Frucht wird industrieller produziert als Bananen. Vom Anbau in riesigen Monokulturen über den Transport in hunderten Schiffscontainern bis hin zur Vermarktung in Handelskonzernen, die für sie Mindestgrößen und Mindestdurchmesser definieren: Jeder Prozess, den sie durchlaufen, ist hochautomatisiert und Standardisiert.

Keine Kostenwahrheit

Bananen werden ganzjährig angebaut – in Ländern, in denen die Lohnkosten nur einen Bruchteil der europäischen ausmachen. Unreif geerntet, lassen sie sich problemlos durch die halbe Welt karren. Zugute kam ihnen, dass der Transport im Dienste des freien Welthandels bis vor der Krise günstiger war als Lagerhaltung. Kostenwahrheit spielte es anderswo.

Vor allem aber dienen Bananen, bekömmlich für Babys wie für ältere Semester, Händlern als Lockartikel und Schmieröl für den Umsatz. Auf Marge wird verzichtet; diese holt sich die Branche auf Basis ihrer Mischkalkulationen über andere Lebensmittel, die ein finanzstärkeres Publikum ansprechen, zurück.

Mehr als tausend verschiedene Sorten an Bananen werden weltweit gezählt. Durchgesetzt hat sich in Europa und in den USA mit Cavendish eine einzige. Jeder Versuch, andere zu etablieren, scheiterte letztlich am Preis.

Auch Äpfel aus Österreich halten mit der überaus effizienten Sorte nicht mit. Der steirische Obstanbau ist in Relation klein strukturiert. Biodiversität gewinnt an Gewicht. Lager werden vermehrt über alternative Energien betrieben, was Investitionen erfordert.

Polen sitzt auf Bergen an Äpfeln

Pandemie und Ukraine-Krieg hinterlassen auch im Bananenbusiness ihre Spuren. Kosten für Transport und Verpackung haben sich bis zu verdoppelt. Für Konsumenten hat dies das Gros der Früchte dennoch nur unwesentlich verteuert. Das Kilo ist in der Regel um weniger als zwei Euro zu haben. Die gleiche Menge an Äpfeln ist um gut einen Euro teurer.

International purzeln die Preise für einzelne Apfelsorten allerdings in den Keller. Polen, Europas größter Apfelproduzent, sitzt auf riesigen Bergen an Obst, da ihm Exporte nach Russland aufgrund der Sanktionen verwehrt sind. Österreichs Apfelbauern exportieren die Hälfte ihrer Ernte. Länder, die sie bisher versorgten, decken sich heuer aber lieber mit der weitaus günstigeren Ware aus Polen ein. (Verena Kainrath, 23.5.2022)