Ein Mann säubert den goldenen Bullen vor der Börse in São Paulo. Zuvor hatten Aktivisten das Wort "hungrig" auf das Symboltier für steigende Aktienkurse geschrieben.

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Es gibt Grund zum Feiern, wenn sich die Superreichen der Welt in dieser Woche in Davos anlässlich des Weltwirtschaftsforums treffen, mutmaßt die Entwicklungsorganisation Oxfam. Schließlich waren die vergangenen zwei Jahre der Corona-Pandemie für die Wohlhabendsten sehr ertragreich. Dermaßen gewinnbringend, dass das Vermögen der Milliardäre so stark gewachsen ist wie zuvor in 23 Jahren, geht aus einer Oxfam-Studie hervor. Und sie werden ständig mehr: Seit 2020 ist die Anzahl von Personen mit einem Vermögen von zumindest einer Milliarde Dollar um 573 auf 2.668 angewachsen. Zusammen verfügen sie über insgesamt 12,7 Billionen Dollar.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere beleuchtet eine Umfrage des Instituts Ipsos: Dieser zufolge drehen zwei von drei Menschen in Großbritannien die Heizung ab, um Kosten einzusparen. Mehr als ein Viertel der Befragten gab sogar an, wegen ihres knappen Budgets Mahlzeiten auszulassen. Hintergrund ist die rasante Teuerung auf der Insel. Die Verbraucherpreise sind mit neun Prozent im April so stark gestiegen wie seit 1982 nicht mehr und verstärken die soziale Not unter ärmeren Briten.

Heizung abdrehen

"Es ist nicht hinnehmbar, dass Konzerne und die dahinter stehenden Milliardärinnen und Milliardäre Rekordgewinne einfahren, während Millionen Menschen Mahlzeiten ausfallen lassen müssen, die Heizung abdrehen, mit ihren Rechnungen im Rückstand sind und sich fragen, was sie als Nächstes tun können, um zu überleben", sagt Manuel Schmitt, Oxfam-Experte für soziale Ungleichheit.

Auch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn abgesehen von den Reichen war die Pandemie für die meisten Personen eine Phase der Verarmung. Oxfam zufolge musste die Mehrzahl der Menschen Einkommensverluste hinnehmen, unter den ärmsten 40 Prozent betrugen diese im Jahr 2021 im Mittel fast sieben Prozent. Die Folge: Derzeit sind weltweit 263 Millionen Menschen bedroht, in extreme Armut abzurutschen – also von höchstens 1,90 Dollar pro Tag leben zu müssen.

Steigende Lebenskosten

Was angesichts der stark steigenden Kosten für Lebensmittel und Energie, wo das höchste Preisniveau seit Jahrzehnten vorliegt, immer schwieriger wird. Übrigens: Bei 62 der während der Pandemie neu hinzugekommen Milliardäre stammt deren Vermögen aus der Nahrungsmittelindustrie. Die weltweiten Lebensmittelpreise sind Oxfam zufolge 2021 um mehr als 33 Prozent gestiegen, heuer wird ein Anstieg um weitere 23 Prozent erwartet.

Beide Entwicklungen haben auch mit der Geldpolitik der Notenbanken zur Abfederung der Corona-Krise zu tun. Deren Billionen an Dollar waren Oxfam zufolge zwar notwendig, um einen wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern. Dies habe aber auch die Vermögenspreise nach oben getrieben und – gewissermaßen als Nebenwirkung – damit auch die weltweite Zahl an Milliardären. Besonders stark begünstigt waren die Bereiche Energie, Nahrung, Gesundheit und Technologie.

Inflation bremsen

Gleichzeitig hat die Geldflut der Notenbanken auch das Aufkeimen einer hohen Inflation begünstigt. Weltweit straffen die meisten Währungshüter daher bereits mit ersten Zinserhöhungen die geldpolitischen Zügel oder werden dies wie die Europäische Zentralbank demnächst tun, um die Teuerung zu bremsen. Dies wird wohl auch den Vermögenszuwachs der Reichen dämpfen – für die Armen entsteht jedoch kein direkter Nutzen.

Zur Bekämpfung der weltweiten Ungleichheit, die auch zwischen den Staaten zugenommen hat, fordert Oxfam zum Auftakt des Weltwirtschaftsforums in Davos eine stärkere Besteuerung von Konzernen und sehr hohen Vermögen. "Regierungen müssen dringend gegensteuern und Konzerne und Superreiche in die gesellschaftliche Pflicht nehmen, um die fatalen Auswirkungen der sich gegenseitig verstärkenden Krisen abzufedern", sagt Oxfam-Experte Schmitt. Ziel sei ein gerechtes und am Gemeinwohl orientiertes Wirtschaftssystem. (Alexander Hahn, 24.5.2022)