Neben Arbeitszeiten auf dem Feld sind die Betreuungszeiten für Kinder ukrainischer Erntehelferinnen zu planen.

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Bernhard Mayr wartet derzeit auf seine Gurkerlflieger. Zum Einsatz kommen die Traktoren mit nach rechts und links ausgebreiteten Flügeln, auf denen Erntehelfer liegen und das Gemüse per Hand einsammeln, erst Mitte Juni.

Dann nämlich beginnt das große Pflücken auf den Äckern in Ansfelden in Oberösterreich. Ein Viertel der insgesamt 125 Erntehelfer sind trotzdem schon jetzt da: zehn aus Polen, 35 aus der Ukraine plus neun Kinder. Erst gestern Nacht seien zwölf Frauen angekommen, sagt Mayr.

Die Reise ist beschwerlich geworden, Verbindungen reißen ab, der Treibstoff ist knapp. Wer sich jetzt nicht auf den Weg macht, schafft es vielleicht nicht mehr rechtzeitig.

Laut Landwirtschaftsministerium pflügen und stechen bereits 3000 ukrainische Arbeitskräfte auf Österreichs Äckern. Das entspreche, genau wie die Verteilung – 60 Prozent Männer, 40 Prozent Frauen – der Zahl der vergangenen Jahre.

Heuer sind jedoch auch Kinder da. Rund 100 Kinder sind laut Mayr in Oberösterreich bei Landwirten untergebracht. Um Platzmangel vorzubeugen, hat er bereits im Februar zwei weitere Häuser angemietet.

Zu wenig Platz

Um rasch zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, wurde in Oberösterreich unlängst das Aufstellen von Containern auf der grünen Wiese vonseiten einiger landwirtschaftlicher Vertretungen gefordert. Darunter auch vom Verband der Obst- und Gemüseproduzenten Oberösterreich.

Laut Geschäftsführer Stefan Hamedinger "wird es eng auf den Höfen". Landwirte, die ihre Quartiere bei Kriegsausbruch zur Verfügung gestellt haben, stünden nun vor einer Gewissensfrage, da sie die Quartiere für Frauen brauchen, die täglich ernten.

Die oberösterreichische Landesregierung habe den Vorschlag trotzdem abgelehnt und beschlossen, dass lediglich Hilfsorganisationen, wie etwa das Rote Kreuz oder die Caritas, Container aufstellen dürfe.

Auch in Tirol wurde das Aufstellen von Containern vor rund vier Wochen diskutiert, erzählt Romed Giner, Sprecher der Tiroler Gemüsebauern und Landwirt in der Gemeinde Thaur. Es hätte nach einem kurzen Engpass an Wohnraum ausgesehen und daher entstand die Idee, Container vom Verteidigungsministerium auszuleihen.

Das sei schlussendlich aber nicht nötig gewesen, weil das Land Tirol rasch Wohnraum bereitgestellt habe und außerdem auch Frauen mit Kindern zurück in die Ukraine gereist seien. Container seien in Tirol also überhaupt keine nötig – und "das ist auch richtig so", sagt Giner.

Kinderbetreuung

Trotzdem sei die Situation angespannt. Giner gehen derzeit rund zwölf von insgesamt 30 Erntehelfern ab. Spitzenerntezeit für Salat, Karotten, Zwiebel, Zucchini, Kürbisgewächse, Sellerie und Lauch ist auch in Thaur in den Monaten Juli und August.

Die bei ihm angestellten Ukrainerinnen haben eine Blaue Karte, daher sei Teilzeitbeschäftigung möglich. Den Dienstplan passt Giner den Kinderbetreuungszeiten an. Während der Sommerferien sei Ferienfreizeit organisiert, wie auch für die anderen Kinder im Ort.

In Oberösterreich führen Arbeitgeberverband, Landarbeiterkammer und Gebietskrankenkassen aktuell Gespräche, um Erntehelferinnen aus Drittstaaten, die keine Blaue Karte haben, wie manche Helferinnen aus der Ukraine, in Teilzeit beschäftigen zu dürfen.

Erntehelfer aus Drittstaaten müssen prinzipiell Vollzeit angestellt werden – "und das ist auch richtig so", sagt Arbeitgebervertreter Mayr. Eine Ausnahmeregelung soll – sofern man sich überhaupt einigen könne – lediglich für Mütter und auch nur einen beschränkten Zeitraum gelten.

Kriegsbelastung

Ab Mitte Juni pflücken im Familienbetrieb Mayr täglich 125 Erntehelfer von Mitte Juni bis maximal Mitte September Gurken – rund 100 stammen aus der Ukraine. Der Tagesablauf ist eingespielt und erprobt. Doch heuer ist alles anders.

Viele der Frauen arbeiten zum ersten Mal auf den Äckern, während ihre Kinder Deutschförderklassen besuchen. Bisher haben deren Ehemänner in den Sommermonaten auf den Gurkerlfliegern gearbeitet, nun kämpfen sie im Krieg.

Mayr kennt seine Mitarbeiter gut. Viele arbeiten seit über zehn Jahren im Betrieb. Die gesamte Situation sei natürlich auch eine finanzielle Belastung, aber jetzt sei nicht die Zeit, jeden Euro umzudrehen. Mayr: "Früher war meine größte Angst, dass den Menschen bei Arbeitsunfällen etwas zustößt, heute habe ich Angst, dass wir die Leute im Krieg verlieren." (Julia Beirer, 24.5.2022)