Natürlich ist Burger der Inbegriff von Junkfood: Industriell gequältes Rind, grob faschiert und heiß gegrillt, wird mit gelbem Schmelzstoff verklebt und samt schamlos applizierter Würzpampe aus Süß, Salzig und Sauer auf globales Einheitslecker gebracht. Der kleinste kulinarische Nenner der Menschheit ist eine Ansammlung von Ressourcenkillern der billigstmöglichen Art und auch sonst kaum erbaulich.

Und dennoch: Es hat etwas primordial Befriedigendes, so ein weiches warmes Laberl in den Händen zu halten, aus dem Bratensaft und fette Sauce triefen – und das einem ganz allein gehört. Freudianer kommen einem jetzt mit der Mutterbrust. Soll sein. Eine ideale Projektionsfläche ist der Burger allemal.

Die Farbe Lila steht in der Taborstraße ab jetzt für Smashed Burger und anderes arges Fingerfood.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wiedererfindung Smashed Burger

So scheint es seit ein paar Jahren ganz viele Leute von überallher zu interessieren, wie so eine global strahlende Ikone des Junk sich in die Sphären brauchbaren Essens schießen lässt. Die Pandemie hat als Brandbeschleuniger gewirkt, plötzlich machten sich Hyperstars von René Redzepi bis Alain Ducasse ans Burgerverbrennen – manche mit richtig qualitätvollen Zutaten, andere mit armseligen Versuchen (Wagyu, Gänseleber, Blattgold ...), auch hier mit der Bling-Bling-Pose abzurahmen.

Mitunter kamen aber ganz erstaunlich köstliche Sandwiches dabei heraus. Den Smashed Burger etwa musste man nur wiederfinden. Den dünn auf eine Grillplatte gequetschten Burger gab es in den 1950ern in etlichen US-Diners. Der Gastronom und New York Times-Kolumnist Kenji López-Alt hat ihn vor ein paar Jahren auf Youtube publikumswirksam gebraten – wer das sieht, will so einen auch haben, ganz gleich, ob man Burger sonst nicht als essbar wahrnimmt.

Die Buben von XO Grill in der Kettenbrückengasse haben da offenbar gut hingesehen und verstehen sich seither darauf, den Hype auch in Wien anzufachen. Seit vergangener Woche weiß man, dass auch Elior Molcho, jüngster Spross der Familie mit der imposanten Gastromaschine, gut aufgepasst hat. Sein Kvetch in der Taborstraße ist ein richtig fröhlicher Smashed-Burger-Joint geworden, mit Lila an den Wänden und Sonnengelb auf den Tischen. Dazu gibt’s gute Musik, ausnehmend fröhliche Menschen im Service sowie Burger und Snacks, auf die das Publikum schon vorab via Instagram angespitzt wurde.

Beim Burger aus Biorind sollte man aber auf der Double-Version bestehen – das Bun, ein stabiles, goldig glasiertes Brioche, darf sich ansonsten zu aufdringlich in den Vordergrund spielen. Frische Zwiebeln bieten den grandiosen Röstaromen perfekt Paroli. Wer nicht am nächsten Tag noch daran erinnert werden möchte, sollte das aber dazusagen.

Meat und ohne

Geschmack und Konsistenz verblüffen beim perfekt gebauten Burger
Foto: Gerhard Wasserbauer

Beyond-Meat-Burger aus Erbsenprotein-Isolat, von bösen Zungen als subversives Marketingtool der Fleischindustrie verunglimpft, wird ebenso verbraten. Geschmack und Konsistenz verblüffen durch hohe Fleischanmutung, der Burger ist mit hausgemachten Pickles, Tomate, Zwiebel und Haussauce auch perfekt gebaut – an Methylcellulose, Trockenhefe, Maltodextrin und anderen Zutaten im Patty darf man sich halt nicht stoßen.

Der Mushroom-Burger mit Austernseitlingen, die von den Pilzbrüdern im selben Bezirk gezogen werden, ist dagegen wirklich nachhaltig. Die Pilze geraten ähnlich knusprig wie der herausgebackene "Blooming Fenchel" mit Fenchelsalz und Kapern-Oliven-Mayo – eine Entdeckung, ganz wunderbarer Snack. Die hausgemachten Pommes scheinen wie mit dem Lineal geschnitten, extrem knusprig, sehr gut. Hinterher gibt’s Softeis mit Tahina, Karamellsauce und Keksbröseln, gerät leider genau so süß, wie es klingt. Viel besser: das Geld in noch ein Glas Naturwein oder einen Cocktail zu investieren. Ohne die geht cooler Burger nämlich auch hier nicht. (Severin Corti, RONDO, 27.5.2022)