Hans Moser spielt einen Oberkellner. Er steht hinter der Theke eines Wiener Kaffeehauses und ärgert sich über das neue Gerät vor ihm. "Ich halt das nicht aus", jammert er, "der Dampf macht mich wahnsinnig! Da hätt ich ja gleich Lokomotivführer werden können! Wo bleibt die Ruhe, wo bleibt die Stille von einem Kaffeehaus, mit die Wassergläser, die Zeitungen, die angenehmen Gäste?"

Paul Hörbiger, auch er ein Oberkellner, sieht die Sache mit dem Gerät ganz anders, ihm ist es in seinem Café viel zu ruhig: "Wo bleibt hier das Tempo, die blitzende Espressomaschine, das sympathische Geräusch von dem Dampf – zschschsch!"

Neumodisches für Wien

Der Film Ober, zahlen!, der 1957 in die Kinos kam, war auf das Duo zugeschnitten, eine Klamotte mit dünner Handlung, befand die Kritik. Immerhin aber lag ihm ein damals hochaktueller Konflikt zugrunde: traditionelle Kaffeehäuser gegen neumodische Espressi. Die einen begannen im Nachkriegs-Wien gerade erst sich zu erholen. Die anderen waren ein Import aus Italien, sie standen für Tempo, für mediterranes Flair in der dunkelgrauen Stadt und nicht zuletzt für eine neue Art von Kaffee.

Augenfällige Symbole dieser Konkurrenz und buchstäbliche Motoren der Entwicklung waren, was die Oberkellner so irritiert beziehungsweise fasziniert hatte: die Espressomaschinen, chromglänzende Ikonen des Made in Italy, Design-Statements zwischen Jukebox und Kühlergrill eines US-Straßenkreuzers. "La bella macchina", preist der Architekt und Kaffeehausexperte Gregor Eichinger denn auch den Auftritt der Maschinen, "Eleganz in der Performance!"

Eine Gaggia classica, auch zu sehen in einer Ausstellung am Wiener Judenplatz.
Museo Le Macchine di Caffè Collezione Cagliari Modena

La grande bellezza

Ihr Stammbaum ist lang und dennoch schnell erzählt. Vom späten 19. Jahrhundert an waren es vor allem italienische Ingenieure und Bastler, die sich an der Entwicklung vom Häferlkaffee zum caffè espresso beteiligten, und bis heute tragen Firmen ihre Namen: Luigi Bezzera, Desiderio Pavoni, Pier Teresio Arduino, Giuseppe Cimbali, Francesco Illy, Antonio Cremonese, Alfonso Bialetti, Giovanni Achille Gaggia.

Die erste Maschine in Wien wurde 1948 in der Konditorei Aïda an der Wollzeile installiert, eine Faema. Drei Jahre später eröffnete das Espresso Arabia am Kohlmarkt mit gleich zwei Modellen der Serie Gaggia classica. Alfred Weiss, einer der Geschäftsführer und Chef der Kaffeeimportfirma Arabia (die arisiert und ihm nach dem Krieg restituiert worden war), beauftragte den Architekten Oswald Haerdtl damit, das Lokal als eine Art Gesamtkunstwerk all’italiana zu gestalten. Das Resultat wurde Vorbild für die vielen Espressi, die trotz der Proteste alteingesessener Kaffeesieder bald zum Wiener Stadtbild zählten.

Das schien zunächst wie ein Triumph des Tempos. Aber es wäre nicht Wien, wenn die Fronten nicht aufgeweicht und verwischt worden wären. Denn einerseits beugten sich die Espressi dem Drang der Stadtbewohner, es sich gemütlich zu machen, zu plaudern, zu lesen, und ähnelten mit der Zeit immer mehr den traditionellen Cafés. Deren Gäste wiederum wollten nun auch einen zumindest annähernd italienischen Kaffee, und die Maschinen, ob klassische Hebelgeräte (auf die manche Baristi schwören) oder computerkontrollierte Vollautomaten, gehören längst zum Inventar. Der Film hatte ja auch ein Happy End. (Michael Freund, Rondo, 29.5.2022)