US-Präsident Joe Biden und Japans Premierminister Fumio Kishida bewältigen den roten Teppich in Tokio.

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Als Joe Biden am Montag in Tokio die Skizze eines Handelsabkommens vorstellte, hatte er es mit dem sprichwörtlichen Elefanten im Raum zu tun. Mit jenem unsichtbaren, gleichwohl omnipräsenten Elefanten, der bei den asiatischen Partnern der USA eine gehörige Portion Skepsis begründet. Das "Wirtschaftliche Rahmenwerk für den Indopazifik" kann als abgespeckte Version eines deutlich ambitionierteren Vertragswerks gelten, das 2016 den amerikanischen Wahlkampf nicht überstand.

Die protektionistische Grundstimmung, die das Land damals prägte, ließ nicht nur Donald Trump gegen TPP wettern, die Transpazifische Partnerschaft, die als wirtschaftliches Gegengewicht im Ringen mit China gedacht war. Auch Hillary Clinton bekam kalte Füße, weil sich die Abwehrhaltung gegenüber schrankenlosem Handel keineswegs auf die Trumpisten und deren Anhänger beschränkte.

Trump begrub ersten Pakt

Es war dann Trump, der ihn auch formell begrub, den unterschriftsreifen Pakt mit elf Pazifikanrainern, darunter Japan, Malaysia, Vietnam und Australien, Kanada, Mexiko und Chile. IPEF nun, der "Indo-Pacific Economic Framework", ist eine Art TPP light, mit ähnlichem Teilnehmerkreis, erweitert um Indien – und einer womöglich entscheidenden Schwachstelle. Anders als beim ersten Anlauf sagen die USA diesmal nicht zu, Zollschranken weitgehend abzubauen. Was am Ende vereinbart werden soll, klingt noch reichlich unbestimmt. Von vier IPEF-Säulen ist die Rede: erstens Handel, zweitens Lieferketten, drittens saubere Energie und Infrastruktur, viertens Steuern und Kampf gegen Korruption. So weit, so vage. Ob aus dem Plan, das Paket binnen zwölf, spätestens 18 Monaten zu schnüren, Realität wird, wird sich zeigen. Die eigenen Märkte zu öffnen, das will Biden jedenfalls nicht versprechen.

Zu tief sitzt die Angst, von Wählern, die mit asiatischen Importen zu Recht oder nicht den Niedergang der Industrie des Mittleren Westens verbinden, für ein klares Bekenntnis zu barrierefreiem Handel mit Asien bestraft zu werden. Hinzu kommt die nicht unbegründete Aussicht, dass im Jänner 2025 erneut ein Kandidat der nationalistischen Denkschule im Weißen Haus einzieht, sei es Trump selbst, sei es ein Nachahmer. Was immer Biden in Aussicht stellt, müssen potenzielle Partner befürchten, könnte bald wieder durch ein rigoroses "America first" ersetzt werden.

Dennoch: Auslandsreisen eines US-Präsidenten haben immer auch Symbolcharakter, was für diese wohl in besonderem Maße gilt. Fünf Tage ist der 79-Jährige in Asien unterwegs, womit er wieder einmal unterstreicht, wo man in Washington – trotz des Krieges in der Ukraine – die strategischen Prioritäten sieht. Das Verhältnis zu China zu gestalten sei "der wichtigste geopolitische Test des 21. Jahrhunderts", hatte Außenminister Antony Blinken erklärt, als Biden noch keine 100 Tage im Amt war. Blinken sprach vom Neuknüpfen alter Bande zu Verbündeten, die Trump brüskiert habe, er sprach von roten Linien, die es im Umgang mit Peking zu ziehen gelte, von einer Mischung aus Kooperation und Konfrontation.

Schuss vor den Bug

An der Einschätzung hat sich nichts geändert, nun folgt die dazugehörige Symbolik – verbunden mit Sätzen, die man wohl nur als Schuss vor den Bug Xi Jinpings interpretieren kann. Als eine kaum verklausulierte Warnung an den chinesischen Partei- und Staatschef, nicht den Fehler eines Wladimir Putin zu begehen. Indem Biden vor der Presse in Tokio ein klares, angesichts der delikaten Vorgeschichte amerikanisch-chinesischer Beziehungen überraschend klares Bekenntnis zur Verteidigung Taiwans abgab, sorgte er prompt für Furore.

China flirte mit der Gefahr, sagte er in Bezug auf Militärmanöver und Aufklärungsflüge in der Nähe der Insel. Er gehe jedoch nicht davon aus, dass es tatsächlich versuchen werde, Taiwan zu attackieren. Dann der Versuch, Stoppschilder aufzustellen. Die Frage, ob die USA Taiwan im Angriffsfall mit Waffen verteidigen würden, beantwortete Biden mit einem schlichten Ja. Um auf Nachfrage hinzuzufügen: "Das ist eine Verpflichtung, die wir eingegangen sind." Sollte sich China Taiwan mit Gewalt einverleiben, würde es die gesamte Region aus den Angeln heben. Deshalb versuchte ein Mitarbeiter Bidens nachher einzudämmen, die Äußerungen des Präsidenten stellten keine Änderung der US-Politik dar.

Seit der von Richard Nixon eingeleiteten Normalisierung des Verhältnisses zu Peking haben es die USA vermieden, Taiwan eindeutige Sicherheitsgarantien zu geben. Üblich war, die Frage nach Beistand oder nicht mit den einstudierten Formeln der "strategischen Mehrdeutigkeit" offenzulassen. Der Balanceakt sollte einerseits Taiwan davon abhalten, formell die Unabhängigkeit zu erklären. Andererseits diente er Abschreckungszwecken: China sollte stets damit rechnen müssen, dass die (informelle) Schutzmacht Truppen entsendet. (Frank Herrmann, 23.5.2022)