Die 100 Prozent, die Karl Nehammer in der Wahl zum Bundesparteiobmann erhielt, gaben einigen Stoff für die Gerüchteküche ab.

Foto: Plankenauer

Es war nicht nur ein offiziell "außerordentlicher", sondern auch recht außergewöhnlicher Parteitag der ÖVP kürzlich in der Grazer Helmut-List-Halle, bei dem Karl Nehammer zum neuen Parteiobmann gewählt wurde.

Die Parteitagsregie hatte eine zünftige Bierzeltstimmung orchestriert, ein Einpeitscher heizte die Stimmung im Saal an, die Führungsetage der ÖVP schwor die Delegierten lauthals auf die Wahl Nehammers ein. Es war nur vom "Koarl" die Rede, der gefälligst gewählt werden müsse. "Karl Nehammer ist ein Hammer", trötete der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter. Und dieser "Koarl" Nehammer ließ sich von der launigen Stimmung mit- und zum Sager hinreißen: "So viele in einem so kleinen Raum heißt auch: so viele Viren – aber jetzt kümmert es uns nicht mehr." Es kam aus ihm herausgeflutscht, wofür er sich später auch entschuldigte.

Das dicke Ende

Jedenfalls, dann kam das dicke Ende: Nehammer wurde von allen Delegierten – von 100 Prozent – zum neuen ÖVP-Obmann gewählt. Was im Nachspann jetzt einiges Geraune auslöst, auch unter den Parteitagsgästen. Der "Trend" hatte ÖVP-Funktionäre zitiert, die von Seltsamkeiten rund um den Wahlgang berichteten, von vorgedruckten Stimmzetteln mit "Karl Nehammer" ohne Option für "Ja" oder "Nein" war die Rede, von einer fragwürdigen Wahlgangsregie und Wahlzellen, die unbenutzt geblieben seien.

Es habe kaum jemand gewagt, in die Wahlkabine zu gehen, um nicht dem Verdacht ausgesetzt zu sein, Nehammer drinnen womöglich zu streichen, ärgerte sich ein Delegierter laut "Trend" sinngemäß.

"Ich kann versichern, so war es nicht", sagt der steirische ÖVP-Landesgeschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg, dessen Landespartei nur einige "Hilfsdienste" organisiert hatte. Die Regie habe die Bundespartei übernommen.

Er sei selbst in der Wahlkommission gesessen und habe "mit eigenen Augen Delegierte gesehen, die sehr wohl in die Wahlkabine gegangen sind", schwört Eisel-Eiselsberg. Es habe durchaus die Möglichkeit gegeben, Nehammer auch zu streichen oder einen anderen Kandidaten oder Kandidatin hinzuschreiben. "Der Wahlzettel war derselbe wie auch in St. Pölten, als Sebastian Kurz gewählt wurde." Die Kurz-Wahl sei ein Beleg, dass durchaus gestrichen werden könne. Kurz hatte damals, im Herbst 2021, 99, 4 Prozent der Stimmen bekommen.

Streichungen in der SPÖ

An den Stimmzetteln mit nur einem Namen kann es offensichtlich nicht liegen, denn auch in der SPÖ steht nur ein Name – wenn keine Gegenkandidatur vorliegt – auf dem Zettel. Zuletzt eben Rendi-Wagner, die 2021 nur 75 Prozent der Stimmen erreicht hatte. SPÖ-Pressechef Stefan Wenzel-Hirsch sagt, in der SPÖ sei die Benutzung der Wahlkabine aber Usus. Die Wahlzettel sähen zwar auch keine "Ja"- oder "Nein"-Möglichkeit vor, der Name könne aber gestrichen werden. "Drum heißt es ja auch Streichungen", sagt Wenzel-Hirsch.

Auch wenn Eisel-Eiselsberg darauf hinweist, gesehen zu haben, wie Delegierte in die Wahlkabine gegangen seien, scheint es bei dem ÖVP-Parteitag nicht obligatorisch gewesen zu sein.

Die allgemeine Stimmung hatte natürlich einen gewissen Druck erzeugt, rundum standen Funktionäre, die den Wahlvorgang beobachteten und signalisierten: "Wozu brauchst du denn die Kabine? Weißt eh, wen du wählst." Ein Eindruck, der jetzt im Nachhinein da und dort in VP-Kreisen kolportiert wird.

Grüne, FPÖ, Neos wählen anders

Während ÖVP und SPÖ nur den Namen ihrer zu wählenden Obleute auf dem Stimmzettel haben, läuft es bei der FPÖ und auch den Neos anders. Hier stehen unter den Namen zwei Kreise mit "Ja" und "Nein". Die Grünen haben in der Regel einen leeren Zettel vor sich und können den Namen oder schlicht "Ja" zum Vorschlag draufschreiben.

Bleibt die in Politikkreisen mit etwas Augenzwinkern diskutierte Frage des Wahlgeheimnisses in der ÖVP: Wenn 100 Prozent Nehammer gewählt haben, weiß man natürlich genau, wer ihn gewählt hat. (Walter Müller, 24.5.2022)