Frankreichs Solidaritätsminister Damien Abad steht im Verdacht, zwei Frauen vergewaltigt zu haben. In einem Fall ist noch unklar, ob die Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnen wird.

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Paris – Noch vor ihrer ersten Kabinettssitzung bringen bisher ungeklärte Vergewaltigungsvorwürfe die französische Regierung unter Druck. Zwei Frauen beschuldigen Solidaritätsminister Damien Abad, sie vergewaltigt zu haben – was er zurückweist. Eine der Frauen hatte Abad angezeigt, die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt. Die andere Frau hatte sich laut einem Bericht des Onlinemediums "Mediapart" vor gut einer Woche an eine Hilfsorganisation gewandt, als Abad als Minister ins Gespräch kam. Die Organisation informierte die Staatsanwaltschaft, die ihrerseits erklärte, dass sie den Fall derzeit prüfe.

Der 42-jährige Abad war zuvor Fraktionschef der Republikaner – was in Frankreich zu Spekulationen führt, ob Präsident Macron das Risiko des Skandals in Kauf genommen hat, um einen prominenten Überläufer für seine Regierung zu gewinnen. Zudem ist Abad körperlich beeinträchtigt und erklärte, dass er gar nicht in der Lage sei, die ihm zur Last gelegten Gewalttaten zu verüben. Eine der Frauen sagte ihrerseits, dass sie gerade wegen seiner Behinderung gezögert habe, ihn anzuzeigen. Abad hat wegen einer seltenen angeborenen Krankheit versteifte Gelenke.

Entscheidung der Justiz abwarten

Macron hat sich seit langem den Schutz von Opfern sexueller Gewalt auf die Fahnen geschrieben. Er war erst wenige Monate im Amt, als die #MeToo-Bewegung international an Fahrt aufnahm. Er berief 2019 eine Konferenz zum Thema häusliche Gewalt ein und setzte sich dafür ein, Polizisten besser im Umgang mit mutmaßlichen Opfern sexueller Gewalt zu schulen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Ernennung eines Ministers Proteste von Frauenrechtlerinnen auslöst. Als Gérald Darmanin 2020 Innenminister wurde, ermittelte die Justiz gegen ihn wegen Vergewaltigung. Der damalige Premierminister Jean Castex verwies auf die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen die Einstellung des Verfahrens beantragt, eine Entscheidung steht noch aus.

Auch im Fall von Abad will die Regierung die Entscheidung der Justiz abwarten. "Es muss die Wahrheit herausgefunden werden, und das kann nur die Justiz", sagte Regierungssprecherin Olivia Grégoire am Montag. Sie erklärte auch, dass kein anderes Regierungsmitglied von den Vorwürfen gegen Abad gewusst habe.

Vermeintliche Vergewaltigungen 2010/11

Das Onlinemagazin "Mediapart" hatte den Fall nach ausführlichen Recherchen ins Rollen gebracht. Demnach werfen zwei Frauen dem Minister vor, sie 2010/11 vergewaltigt zu haben. Sie berichten, dass Abad sie zuvor verbal bedrängt habe. Laut "Mediapart" war es unter Politikern und Journalisten weithin bekannt gewesen, dass Abad einen problematischen Umgang mit Frauen habe.

Eine der beiden Frauen hatte sich erst vor kurzem an eine Organisation gewandt, die dann die Parteichefs und die Staatsanwaltschaft informiert hat. Sie vermutet, dass Abad ihr ein Mittel gegeben habe, um sie bewusstlos zu machen. "Ich habe es lange nicht wahrhaben wollen", sagt sie im Interview mit "Mediapart" auf die Frage, warum sie so lange gewartet habe, um darüber zu sprechen.

Die #MeToo-Bewegung habe ihr Mut gemacht, und sein bevorstehender Karrieresprung habe den Ausschlag gegeben, über ihre Erfahrung zu sprechen. "Darüber zu sprechen ist weder mutig noch heldenhaft, sondern eine Verantwortung", sagt sie. Sie wolle verhindern, dass es anderen ähnlich ergehen könne. (APA, 23.5.2022)