Der türkische Präsident: Tayyip Erdoğan.

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Ankara plant eine neuerliche Militäroperationen entlang der Südgrenze der Türkei. Das verkündete der türkische Präsident Tayyip Erdoğan am Montagabend. Dabei soll eine 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone in jenen Teilen Nordsyriens geschaffen werden, die die Türkei noch nicht kontrolliere, und damit "terroristische Bedrohungen" bekämpft werden, lauten die erklärten Ziele Erdoğans.

"Das Hauptziel dieser Operationen werden Gebiete sein, die Angriffszentren auf unser Land sind", sagte Erdoğan, ohne Näheres zu verkünden. Die Operation würde gestartet, sobald Militär, Geheimdienste und Sicherheitskräfte ihre Vorbereitungen abgeschlossen hätten.

Nicht die erste Operation der Türkei in Nordsyrien

In den vergangenen Jahren hat Erdoğan mehrere dieser Militäroperationen in Nordsyrien ausgeführt und die Einflussgebiete der Türkei in dem Bürgerkriegsland erweitert. Zuletzt kämpfte Ankara 2020 aufseiten seiner Verbündeten in der syrischen Rebellenhochburg Idlib. Bei den meisten der vorangehenden Operationen der Türkei im Nachbarland stand jedoch die Bekämpfung der Kurdenmiliz YPG im Fokus, die zwischenzeitlich weite Teile Nordsyriens kontrollierte und ideologisch der verbotenen Kurdenpartei PKK nahesteht.

Ankara betrachtet beide als terroristische Gruppierungen. Die YPG gelten aber als US-Verbündete im Kampf gegen die extremistische Terror-Miliz IS. Infolge der türkischen Militäroffensive im Jahr 2019 hatten unter anderem Schweden, Finnland und Deutschland Waffenexporte an die Türkei beschränkt. Nun dürfte die YPG erneut im Fokus türkischer Pläne für eine Militäroffensive stehen. Die nordsyrische Kurdenmiliz kontrolliert weiterhin einige Gebiete – etwa im Nordosten Syriens.

Türkisches Nato-Veto

Erdoğans Ankündigung erfolgt vor dem Hintergrund eines Streits mit dem Westen über eine Nato-Norderweiterung und westlichen Beziehungen zur YPG. Der türkische Staatschef möchte einer Nato-Mitgliedschaft der Anwärterstaaten Schweden und Finnland erst zustimmen, wenn der Westen seine Beziehungen und Waffenlieferungen an die YPG unterbricht. Andernfalls droht das Nato-Land Türkei, sein Veto aufrecht zu erhalten. Zudem sollen Schweden und Finnland, die Erdoğan als "Terrorbrutstätten" bezeichnete, auch von der Türkei gesuchte Kurdenaktivisten ausliefern.

Erdoğan behauptet außerdem, dass Schweden Anhänger des islamischen Geistlichen Fethullah Gülen unterstütze. Die türkische Führung macht die Gülen-Bewegung für den Putschversuch von 2016 gegen den Präsidenten verantwortlich. Des weiteren fordert Erdoğan die Aufhebung des Rüstungsembargo westlicher Länder, das nach dem Einfall der Türkei in Syrien 2019 von einigen Nato- und EU-Ländern verhängt wurde.

Erdoğan: Mitsotakis existiert für mich nicht mehr

Die Türkei drängt außerdem seit längerem auf den Kauf von US-Kampfflugzeugen, was die Regierung in Washington aber bislang verweigerte. Westliche Diplomaten vermuten, dass die Türkei ihre Zustimmung zum Beitritt von Schweden und Finnland zum Militärbündnis insbesondere von der Lieferung der Flugzeuge abhängig macht.

Die USA hatten 2019 die geplante Lieferung von F-35 Jets an die Türkei gestoppt, nachdem das türkische Militär das russische Raketenabwehrsystem S-400 beschafft hatte. Später hatte die Türkei ihren Kaufwunsch auf die F-16 umgeändert. In diesem Streit hat sich Erdoğan nun auch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis überworfen: "Wir hatten mit ihm vereinbart, keine dritte Partei in unseren Streit hineinzuziehen", sagte Erdoğan erzürnt bei einer Pressekonferenz am Montag. "Trotzdem hat er vergangene Woche die USA besucht und im Kongress gesprochen und davor gewarnt, uns F-16 (Kampfjets) zu liefern."

Finnland und Schweden weiter zuversichtlich

Die schwedische Regierungschefin Magdalena Andersson und auch der finnische Außenminister Pekka Haavisto hatten sich zuletzt zuversichtlich gezeigt, dass bald eine Lösung mit der Türkei gefunden werde. "Es ist gut, dass wir diesen Dialog fortsetzen können, aber es wird sicher etwas Zeit brauchen", sagte Andersson am Montag. Zuvor hatte Haavisto gesagt: "Ich bin optimistisch, dass wir eine Lösung für das Problem finden, aber es kann dauern." Als mögliche Frist nannte Haavisto den Nato-Gipfel in Madrid Ende Juni. (fmo, 23.5.2022)