Verteidigungsministerin Klaudia Tanner beim Abschreiten der Garde des Bundesheeres.

Foto: Markus Sulzbacher

Im Juli des vergangenen Jahres bestritt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) im Interview mit der deutschen Zeitung "Die Welt", dass sich im österreichischen Bundesheer rechtsextremes Gedankengut verbreiten könnte. Sie räumte jedoch "Einzelfälle" ein. Seitdem das Interview mit der Ministerin erschienen ist, reißen diese "Einzelfälle" nicht ab. Es gab weiterhin rechte Entgleisungen, die für Schlagzeilen oder Aufsehen sorgten. So wurde bekannt, dass Grundwehrdiener im Umfeld der rechtsextremen "Identitären Bewegung" aktiv sind, hohe Offiziere einen antisemitischen Telegram-Kanal betreiben, Wehrmachtslieder gesunden werden oder Soldaten sich mit dem sogenannten Wolfsgruß haben filmen lassen.

Unterschiedliche Reaktionen

Das Bundesheer reagiert unterschiedlich auf derartige Vorfälle. Einerseits wird oftmals gemauert, wenn Journalistinnen und Journalisten nach Konsequenzen fragen. Da "Disziplinarverfahren der Verschwiegenheit unterliegen", wie ein Sprecher des Bundesheeres erklärt. Andererseits mussten einige Soldaten das Heer verlassen, nachdem sie den Bogen überspannt hatten.

Im April 2019 meldete sich der Oberbefehlshaber des Bundesheers zum Thema Rechtsextremismus zu Wort. Seither werden immer wieder "Einzelfälle" bekannt.

Bisher war die FPÖ für ihre "Einzelfälle" bekannt. "Das ist doch nur ein Einzelfall", hieß es über viele Jahre seitens der freiheitlichen Parteispitze, wenn man sie mit Vorfällen innerhalb der Partei konfrontiert, die auf das rechtsextreme Eck hinweisen. Über die Jahre wandelte sich das Wort "Einzelfall" zum ironischen Begriff der Kritikerinnen und Kritiker, die solche Fälle zählen, für die FPÖ.

Die Liste der bekannt gewordenen "Einzelfälle" beim Bundesheer seit Juli 2021:

Da es sich um das Bundesheer handelt, sind hohe Ansprüche zu stellen – auch weil Soldaten auch für den Schutz jüdischer Einrichtungen in Wien zuständig sind. Es ist die Aufgabe kritischer Medien, Behörden und politisch Verantwortlicher, die in solche Vorfälle verwickelt sind, besonders scharf zu beobachten – auch dann, wenn sie keinen Straftatbestand erfüllen. Die Liste wird laufend aktualisiert, Auftritte von karenzierten Angehörigen des Bundesheeres bei extrem rechten Medien wurden nicht berücksichtigt.

7. Juli 2021: Im Zuge eines Prozesses in Graz wird bekannt, dass in den Reihen der rechtsextremen "Identitären" ein Soldat zu finden war. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000129593781/beamte-des-verteidigungsministeriums-trat-vor-neonazis-und-impfgegnern-auf

17. Juli 2021: In Graz stand ein Soldat vor Gericht. Er hatte in der Kaserne mehrmals den Hitlergruß gezeigt und trat als Hitler-Imitator auf, selbst seinen Bart trug er wie Hitler. Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/chronik/6009186/Prozess-in-Graz_Soldat-irritierte-seine-Kameraden-mit-HitlerBart

8. September 2021: Das Bundesheer bestätigt, dass "in den vergangenen drei Jahren vier Soldaten wegen rechtsextremer oder rassistischer Äußerungen oder Handlungen disziplinär zur Verantwortung gezogen" wurden. Quelle: https://fragdenstaat.at/anfrage/anfrage-nach-dem-auskunftspflichtgesetz-zum-thema-rechts-und-linksextremismus-beim-bundesheer/

11. September 2021: Monika D., eine Mitarbeiterin des Verteidigungsministeriums trat als Rednerin bei einer Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstration auf. Im Publikum: Neonazis und Impfgegner. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000131153658/hochrangige-bundesheer-offiziere-machen-stimmung-gegen-impfungen

26. Oktober 2021: In dem Video des Bundesheeres ist ein Soldat mit einem der rechten Szene zugeordneten Abzeichen zu sehen. Der Mann trug auf seinem Helm ein "Rabenbanner", bekannt auch als "Odins Rabe". Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000130940534/rabenabzeichen-am-helm-bundesheer-leitete-disziplinarverfahren

2. November 2021: Ein offener Brief einer Gruppe von Bundesheer-Offizieren wird bekannt. Darin wettern sie gegen Impfungen und bezeichnen die rechtsextremen "Identitären" als "patriotische Jugendliche". Verfasst wurde das Schreiben von dem ehemaligen Kommandanten der 6. Jägerbrigade, Johann G., und einem Agenten des Heeresnachrichtenamts, Oberst Hermann H. M. Ihren Forderungen schlossen sich weitere Angehörige des Militärs an. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000131153658/hochrangige-bundesheer-offiziere-machen-stimmung-gegen-impfungen

10. November 2021: Ein Bundesheersoldat aus Kärnten musste sich vor dem Landesgericht Klagenfurt verantworten, nachdem am Tank seines Motorrads SS-Runen und am Gestell der SS-Totenkopf zu sehen war. Quelle: https://kaernten.orf.at/stories/3129301/

15. Dezember 2021: Das Bundesheer bestätigt, dass das Lied "Es steht ein kleines Edelweiß. Marsch der Gebirgsjäger" gesungen wird und sich in Liederbüchern mit Bundesheer-Logo findet. Das Lied stammt aus dem Jahr 1940 und wurde von der Wehrmacht gesungen. In der Stellungnahme gegenüber "Frag den Staat" heißt es seitens des Heeres, es sei "weder ein Bezug zur Wehrmacht oder zur NS-Zeit vorhanden, noch kann ein solcher hergestellt werden". Quelle: https://fragdenstaat.at/anfrage/lieder-mit-ns-vergangenheit-beim-osterreichischen-bundesheer/

30. Dezember 2021: Es wird bekannt, dass der Bundesheer-Oberst Hermann H. M. als Redner bei Corona-Demos auftrat. M. hat auch ein Buch mit dem Titel "Bevölkerungsaustausch in Europa" geschrieben und damit eine zentrale rechtsextreme Verschwörungserzählung befeuert, die auch von den rechtsextremen "Identitären" und den Attentätern von Christchurch und Buffalo verbreitet wurde. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000132124363/bundesheeroberst-trat-bei-corona-demonstration-als-redner-auf

13. Jänner 2022: Der damalige Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach von "terrorähnlichen Strukturen", nachdem es im Mai 2021 Hausdurchsuchungen bei Corona-Leugnern gab. Bei den Razzien wurden Waffen, Munition und paramilitärische Ausrüstung gefunden. Zu den Verdächtigen zählte auch ein ziviler Beamter des Bundesheeres, wie dem STANDARD bestätigt wurde. Dieser Mann ist allerdings nicht mehr im Heer auffindbar, wie der STANDARD berichtet. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000132506409/nach-razzia-bei-corona-leugnernverdaechtiger-beim-heer-nicht-mehr-auffindbar

Am 15. Jänner 2022 nehmen Angehörige der Bundesheergewerkschaft an einer Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstration in Wien teil. Bei dieser Demonstration waren auch "Identitäre" und Neonazis anwesend. Die "Bundesheergewerkschaft" ist keine Gewerkschaft, sondern der Name einer freiheitlichen Personalvertretung.
Foto: Markus Sulzbacher

21. Jänner 2022: Laut Pressemeldungen tauchte auf Tiktok ein Video auf, in dem uniformierte Soldaten den berüchtigten und verbotenen Wolfsgruß – ein Symbol türkischer Rechtsextremer – zeigen. Quelle: https://kurier.at/mehr-platz/faschistischer-wolfsgruss-in-oesterreichischer-bundesheer-uniform/401878979

28. März 2022: Es wird bekannt, dass ein Grundwehrdiener antisemitische Parolen in einer Onlinegruppe militanter Neonazis postete. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000134481819/bundesheer-rekrut-unterstuetzte-rechtsextremen-rapper

31. März 2022: Ende März musste auch ein Aktivist der "Identitären" das Bundesheer verlassen. Er war unter anderem mit dabei, als von der Gruppe Mitte März rassistische Flyer in der Wiener U6 aufgelegt wurden, wie die Gruppe "Österreich Rechtsaußen" auf Twitter öffentlich machte. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000135041311/bundesheeroffiziere-mit-antisemitischem-telegram-auftritt

31.März 2022: Das Arbeitsverhältnis von Monika D. im Verteidigungsministerium wurde beendet. Nachdem sie über Jahre obskure Verschwörungserzählungen verbreitete, bei Demonstrationen auftrat und mit Neonazis feierte. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000135041311/bundesheeroffiziere-mit-antisemitischem-telegram-auftritt

20. April 2022: Im Telegram-Kanal jener Offiziere, die im November 2021 in einem offenen Brief gegen die Impfung wetterten, finden sich antisemitische Beiträge. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000135041311/bundesheeroffiziere-mit-antisemitischem-telegram-auftritt

27. April 2022: In Wien standen sieben Antifaschistischen vor Gericht, die Rechtsextreme angegriffen haben sollen. Dabei kam auch ein Zeuge aus dem "Identitären"-Milieu zu Wort. Er sagte aus, dass er für das Bundesheer tätig sei. Quelle: https://twitter.com/msulzbacher/status/1519293151613272064?s=20&t=Mc7a81VU8yY_VWmNoTd_YQ

19. Mai 2022: In Eisenstadt stand ein Mann vor Gericht, auf dessen Handy 419 Fotos und 23 Videos mit NS-Inhalten zu finden waren und der einschlägige Inhalte via Facebook und Whatsapp verschickte. Der Mann besaß ein Sturmgewehr, dessen Nummer herausgeschliffen und das aus Bundesheer-Beständen abgezweigt worden war. Quelle: https://www.stopptdierechten.at/2022/05/23/wochenschau-kw-20-22-teil-1/#feldkirch (Markus Sulzbacher, 4.6.2022)