Bei der Raffinerei in Schwechat kommt zwar nur wenig russisches Öl an – aber das Öl aus Kasachstan, das nach Österreich geliefert wird, fließt über russisches Gebiet.

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Kasachstan, Libyen, Irak: Das sind die Staaten, aus denen zum Gutteil das Erdöl für Österreich kommt. Bei Öl ist die Abhängigkeit von Russland – ganz im Gegensatz zum Gas – nicht übermäßig groß. Das gilt für Österreich genauso wie für die meisten anderen Staaten der EU. Konkret stammen 25 Prozent der EU-Ölimporte aus Russland, wohingegen es beim Gas 40 Prozent sind.

Dementsprechend konzentrieren sich die politischen Bemühungen in der EU, Russland für seinen Überfall auf die Ukraine zu bestrafen, bisher hauptsächlich auf ein Ölembargo. Es scheint leichter verkraftbar als ein Gasboykott. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch bei einem etwaigen Ölembargo hohe Hindernisse zu überwinden gilt: Momentan beispielsweise torpediert Viktor Orbáns Ungarn die gemeinsamen europäischen Bemühungen eines Boykotts russischen Öls.

Die ohnehin hohe Inflation würde weiter ansteigen

Das Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) analysiert in einer aktuellen Studie, welche wirtschaftlichen Schäden ein Ölembargo für Österreich nach sich ziehen würde – aber auch die versteckten Gefahren einer solchen Maßnahme.

Demnach würde sie die – derzeit ohnehin sehr hohe – Inflationsrate in Österreich zusätzlich um einen halben bis dreiviertel Prozentpunkt in die Höhe treiben. Dazu würde das Wirtschaftswachstum getroffen; konkret wäre mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,3 Prozentpunkte zu rechnen. Zur Einordnung: Die EU-Kommission erwartet für Österreich für das heurige Jahr ein Wachstum von 3,9 Prozent. Würden davon 0,3 Prozent aufgrund des Embargos wegfallen, wäre der volkswirtschaftliche Schaden zwar "relativ überschaubar", folgern die Wifo-Ökonomen – aber auch nicht komplett vernachlässigbar.

Eine weithin übersehene Gefahr

Allerdings lauert eine Gefahr im Hintergrund. Es gibt nämlich versteckte Abhängigkeiten von Russland, die in den meisten Szenarien eines Ölembargos nicht bedacht und bisher weithin übersehen wurden: "Das größte Risiko stellen mögliche Gegensanktionen vonseiten Russlands dar", warnt das Wifo. "So könnte Druck auf andere GUS-Länder ausgeübt werden, um deren Öllieferungen in die EU einzuschränken."

Konkret: Kasachisches Öl für Österreich (es macht 40 Prozent der Importe aus, damit liegt Kasachstan auf dem ersten Platz der Importländer) fließt über russisches Territorium. Es wird aus Kasachstan zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk geleitet, um danach ins italienische Triest weiterverschifft zu werden (und letztlich per Pipeline in Schwechat anzukommen). "Besonders die Lieferungen von Kasachstan, die über russisches Staatsgebiet laufen, könnten von Russland (leicht) unterbunden werden", so das Wifo. Ernüchterndes Fazit: Wenn die Situation weiterhin eskaliert, hat Russlands Präsident Wladimir Putin also nicht nur bei Erdgas gewichtige Möglichkeiten zur Verfügung, den Druck auf Österreich und die EU zu erhöhen – sondern auch beim Erdöl. (Joseph Gepp, 24.5.2022)