Eine famose Schauspielerin wirbt für ein neues Beurteilungskonzept: Stefanie Reinsperger, einst Salzburger Buhlschaft und couragierte Frau.

Foto: Robert Newald

Soeben hat Schauspielerin Stefanie Reinsperger allen Body-negativen Schmährednern, die anderer Leute Körperfett beanstanden, den Fehdehandschuh hingeworfen. Ihr herzerfrischendes Credo: "Wir sollten damit anfangen, auch dicke Körper als schön zu bezeichnen."

Reinspergers Forderung verdient die Unterstützung jedes rechtschaffenen Menschen. Für mich als molligen Babyboomer kommt sie leider um sage und schreibe 50 Jahre zu spät. Was hätte ich damals, das Pausenbrot in der Linken, den Schokokeks in der Rechten, in der Wohlfühlzone meiner Volksschulklasse für die Durchsetzung einer solchen Regelung gegeben. Vielleicht hätte ich – gesetzt den Fall, wir hätten dieselbe Klasse besucht und wären gleich alt gewesen – sogar mein Pausenbrot mit Klein-Steffie geteilt!

Der Genosse Trend

So wurden mir, in durchaus gehässigem Ton, von den lieben Mitschülern allerlei "Wahrheiten" mitgeteilt, unter denen die, dass ich dick sei, gewiss diejenige war, die sich am leichtesten verschmerzen ließ.

Damals, in der Kreisky-Ära, beförderte der Genosse Trend die Korpulenten geradewegs ins Off. Noch kurze Zeit vorher genoss der Schwimmreifen breite Akzeptanz. Familien vertilgten am sonntäglichen Wirtshaustisch Schlachtplatten, jede einzelne so groß wie die Yacht eines Oligarchen. Männer im Feinripp reckten wohlig ihre Wänste in die Sonne – und besaßen dennoch (oder gerade deswegen?) erotischen Anwert.

Die wahren Tragödien vollzogen sich insgeheim. Meine – durchaus dicke – Mutter tat die eigene Körperfülle vor anderen mit einer Fülle spaßiger Bemerkungen ab. Abends war sie ernst und übermüdet. Heimlich verzehrte sie Unmengen an Brot, an Mehlspeisen. Während langer Nächte schneiderte sie Kleidungsstücke, die zu ihrer Konfektionsgröße passten. Als "schön" hat sie außer mir niemand bezeichnet. Das Kompliment aus dem Mund ihres Sohnes nahm sie hingegen als lässliche Lüge hin: freundlich und ein kleines bisschen gerührt. (Ronald Pohl, 25.5.2022)