Die einen erfreuen sich an der neuen Option für urbane Elektromobilität, die anderen ärgern sich über achtlos geparkte Leih-E-Scooter. Wie sicher sie als Verkehrsmittel sind, ist umstritten. Daten, soweit verfügbar, legen nahe, dass in den letzten Jahren immer mehr Scooter-Fahrer in Verkehrsunfälle involviert waren und sich dabei Verletzungen zuzogen. Das könnte aber freilich auch nur daran liegen, dass immer mehr auf solchen Rollern unterwegs sind.

Seitdem sich die Anbieter von Leihscootern in Europa ausgebreitet haben, haben viele Länder in ihrer Gesetzgebung nachgerüstet. In Österreich etwa wurden die Fahrgeräte mit Fahrrädern und E-Bikes gleichgestellt. Nicht nur, was nutzbare Straßenabschnitte betrifft, sondern auch in technischer Hinsicht. Sie müssen über adäquate Beleuchtung und Reflektoren verfügen, dürfen einen Motor mit einer Leistung von maximal 600 Watt besitzen und von diesem nicht über 25 km/h hinaus beschleunigt werden.

Alles, was mehr Leistung besitzt oder schneller fahren kann, ist nur für den Gebrauch auf Privatgrund zugelassen. In diesen Bereich fallen auch die sogenannten Hyperscooter. Das sind kein genau definierter Begriff, lässt sich aber grob so beschreiben: leistungsstark, schnell – und nicht ganz billig.

Kann mit vielen Autos konkurrieren, was die Geschwindigkeit betrifft: der Rion RE90.
Foto: Youtube/Alien Rides

Der Scooter mit 160 Sachen

Wer sich bei chinesischen Importhändlern umsieht, findet schnell E-Scooter, die äußerlich nicht von gängigen Modellen zu unterscheiden sind, aber laut Beschreibung 30, 35 oder auch schon einmal 40 km/h Spitzengeschwindigkeit schaffen sollen. Wenngleich auch diese nicht mehr legal im Straßenverkehr verwendet werden können, sind es nicht sie, die mit Hyperscootern gemeint sind.

Gemeint sind hingegen jene E-Roller, die ästhetisch wie ein in eine neue Form gepresstes und seines Sitzes beraubtes Motorrad wirken. Und die auch schon einmal auf der Landstraße an Autos vorbeiziehen, zumindest wenn man in Ländern mit laxeren Verkehrsvorschriften unterwegs ist. Die Spitzengeschwindigkeiten wirken bereits auf dem Papier halsbrecherisch und erreichen dreistellige km/h-Werte.

Der aktuelle Rekordhalter ist der RE90 des US-Herstellers Rion Motors, dessen Scooter unter Idealbedingungen 160 km/h erreichen können soll. Die höchste tatsächlich erreichte Geschwindigkeit ist mit 121 km/h vom Youtuber Alien Rides dokumentiert worden. Der 2020 vorgestellte Roller wird zwar offenbar nicht mehr hergestellt, doch auch sein inoffizieller, bald erscheinender Nachfolger, Rion Thrust, soll knapp 130 km/h schaffen. Diese Idealbedingungen sind zwar selten anzutreffen, doch selbst eine Fahrt mit "nur" 100 km/h dürfte für die meisten Menschen ein Erlebnis der etwas anderen Art sein.

Alien Rides

Um bei dieser Geschwindigkeit dennoch ein relatives Maß an Sicherheit und Komfort zu ermöglichen, werden Lenkstange und Trittbrett hier mit Kohlefaser verstärkt. Dazu kommt eine recht üppige hydraulische Dämpfung und eine rigide Lenkung, die einem allzu leichten "Verreißen" des Lenkers vorbeugen soll. Das macht solche Scooter auch zu einem gewissen Grad offroadtauglich. Zur Geschwindigkeitsregelung setzt man nicht auf einen Regler, der per Daumendruck bedient wird, sondern eine Art "Mausrad", das bessere Kontrolle bieten soll.

Kostet so viel wie ein Kleinwagen

Um einen erwachsenen Menschen zuverlässig auf diese Geschwindigkeit zu beschleunigen, reicht natürlich ein 600-Watt-Motor nicht aus. Genaue Leistungsangaben fehlen, aber ein Blick auf andere Hyperscooter dieser Kategorie lässt vermuten, dass hier zwei Motoren mit einer Basisleistung von jeweils deutlich über 2.000 Watt verbaut werden. Bis zu 80 Kilometer weit soll er mit einer Akku-Vollaufladung kommen. Mit 31 Kilogramm wiegt er mehr als doppelt so viel wie der typische Stadtverkehrroller.

Wer sich dieses Formel-1-Auto unter den E-Scootern anschaffen will, muss tiefer in die Tasche greifen und geduldig sein. 8.500 Dollar (circa 7.900 Euro) kostet der Rion Thrust exklusive Steuern und Porto, womit er auf dem preislichen Niveau eines Kleinwagens liegt. Zudem dauert die Herstellung bis zu 150 Tage.

Electric Scooter Guide

Der schnellste bereits verfügbare Hyperscooter ist, soweit sich der Markt überblicken lässt, der Wolf King GT von Kaabo aus China. Seine Spitzengeschwindigkeit wird mit 100 km/h angegeben. Er fährt auf Elf-Zoll-Vollgummireifen mit zwei 2.000-Watt-Motoren, die gemeinsam eine Spitzenleistung von 8.500 Watt erzielen können. Für den Lenker gibt es doppelte Hydraulik, und auch für das Hinterrad gibt es Dämpfung. Ein großes gummiertes Trittbrett soll sicheren Halt bieten.

Mit 57 Kilogramm ist er in puncto Gewicht ein ziemliches Ungetüm. Dafür trägt er aber auch bis zu 150 Kilogramm und soll im "Eco"-Betriebsmodus, in dem nur ein Motor läuft, gar 110 Kilometer Reichweite besitzen. Trotz seiner beeindruckenden Spezifikationen ist er im Vergleich zum Rion Thrust mit einem Preis von 4.000 Euro beinahe ein Schnäppchen.

Nische für Enthusiasten mit riskantem Hobby

Zwar gibt es keine öffentlichen Informationen zu den Verkaufszahlen der hochgezüchteten Roller, doch sie scheinen sich erfolgreich eine Nische für Enthusiasten erarbeitet zu haben. Denn neben Kaabu und Rion gibt es auch ein paar andere Hersteller, die sich seit ein paar Jahren im Geschäft halten. Das wären etwa Evolv, Dualtron, Inmotion, Emove, Turbowheel und Nanrobot.

Das Hobby Hyperscooter, so man es überhaupt auf öffentlichen Straßen ausleben kann, birgt erhebliche Gefahren. Auf einem Trittbrett zu stehen, erschwert es im Vergleich zu etwa einem Motorradsitz, Position und Gleichgewicht zu halten. Gleichzeitig erhöht der viel kleinere Reifendurchmesser die Sturzgefahr bei Schlaglöchern oder auf der Fahrbahn liegenden Objekten. Ein größeres Risiko ist auch bei plötzlichen Bremsmanövern und abrupten Richtungswechseln auszumachen.

Schon alleine deswegen wird aufseiten mancher Hersteller das Tragen einer Motorradmontur mit entsprechendem Helm und robuster gepolsterter Kleidung empfohlen. Im Vergleich zum Turboscooter selbst hält sich der Kostenfaktor für die Schutzausrüstung ohnehin in Grenzen. (gpi, 29.5.2022)