Der erste Bezirk soll durch die Maßnahme beruhigt werden.

Foto: imago /Viennareport/Leopold Nekula

Weniger Verkehr in der Wiener Innenstadt – das ist eines der Ziele, die sich die rot-pinke Koalition auf die Fahne geschrieben hat. Ermöglicht werden soll diese Verkehrsreduktion im ersten Bezirk durch Kameras, die die Nummernschilder einfahrender Fahrzeuge erfassen und mit einer Datenbank abgleichen.

So soll künftig sichergestellt werden, dass nur Bezirksbewohner, Nutzerinnen öffentlicher Garagen, Lieferanten, Einsatzfahrzeuge und öffentliche Dienste wie die Müllabfuhr in die inne Stadt zufahren. Dies soll der Stadt Wien zufolge ein "wichtiger Hebel für smartes Verkehrsmanagement und damit für den Klimaschutz" sein, allgemein gilt der erste Bezirk als gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen.

Gewessler ist am Zug

Um dieses Vorhaben des "kameraunterstützten Zonenzufahrtsmanagements" auf rechtlich solide Beine zu stellen, hat der Gemeinderat am Dienstag in einem Resolutionsantrag Umwelt- und Mobilitätsministerin Leonore Gewessler zur Schaffung der notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Zuge der sich zurzeit in Begutachtung befindenden StVO-Novelle aufgefordert.

Die Stadt Wien hat diese Forderung bereits mehrfach an die zuständige Bundesministerin übermittelt, allerdings ohne Erfolg, wie es in einem Dokument heißt, das dem STANDARD vorliegt. Hintergrund ist, dass es in der aktuellen Novelle keine Bestimmung gibt, die zukünftig den Einsatz eines kameraunterstützen Zonenzufahrtsmanagements ermöglichen würde, was wiederum die Voraussetzung für das Vorhaben wäre.

Seitens des Ministeriums wird auf Anfrage des STANDARD bestätigt, dass man zu diesem Thema bereits seit längerem mit dem österreichischen Städtebund im Austausch sei und dass es aktuell noch keine Rechtsgrundlage für den Einsatz von solchen automatisierten Videosystemen für Zufahrtskontrollen gibt. "Im Zusammenhang mit einer etwaigen Umsetzung müssen dabei unterschiedliche Aspekte sehr genau abgewogen werden", heißt es weiter aus dem Ministerium: Unter anderem wurde ein Rechtsgutachten gemeinsam mit dem Städtebund beauftragt, um die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären und eine Basis für eine mögliche Gesetzesnovelle zu legen.

Knackpunkt Datenschutz

Denn besonders datenschutzrechtliche Problemstellungen sind ernst zu nehmen, wie es aus dem Ministerium heißt. Bereits Anfang Mai hatten diverse Datenschutzaktivisten und Organisationen ihre Bedenken angemeldet. Das geplante Modell habe "fast so viele Löcher wie ein Schweizer Käse", hieß es in einem offenen Brief mehrerer NGOs.

Zwar sei nur geplant, die Kennzeichen ein- und ausfahrender Autos abzufilmen, in Wirklichkeit würden mit höchster Wahrscheinlichkeit aber auch "Bilder des Fahrzeugs oder der Lenker:innen erfasst werden", heißt es unter anderem von Amnesty International und Epicenter Works. Dasselbe gelte für Passanten und Radfahrerinnen, die die Straße überqueren.

Darüber hinaus, so die NGOs, "müsste ein solches System zentral vernetzt sein, da nichtberechtigte Autos, die den ersten Bezirk binnen 30 Minuten wieder verlassen oder in ein Parkhaus fahren, nicht gestraft werden sollen". Dadurch entstehe ein Datensatz, der den NGOs zufolge auch für andere als die genannten Zwecke verwendet werden kann. Rechtlich sei die Ausleitung von Kamerabildern in Echtzeit für Sicherheitsbehörden schon jetzt möglich, einen konkreten Verdacht oder eine richterliche Genehmigung brauche es dafür nicht.

Europäische Vorbilder

Seitens des Stadt Wien wird auf Anfrage des STANDARD entgegnet, dass nur eine kamerabasierte Überwachung die Zufahrten kontrollieren könne. "In vielen europäischen Städten wie in etwa in Bologna, Turin oder Dubrovnik sind derartige Systeme längst erfolgreich erprobt und entsprechen natürlich der EU-Datenschutzgrundverordnung", heißt es weiter. "Es geht um die reine Erfassung der Kennzeichen, um eine Zufahrt als erlaubt oder nicht erlaubt einzustufen." Außerdem, heißt es von der Stadt Wien, wurden ähnliche Systeme in Österreich bereits zum Beispiel mit Section Control und Maut erprobt.

Fotos würden nur angefertigt, wenn Kraftfahrzeuge ein- beziehungsweise ausfahren, heißt es weiter, bei legaler Einfahrt sollen die Aufnahme nach dem unmittelbaren Abgleich sofort gelöscht werden. Außerdem wird betont, dass nur Fotos von Fahrzeugen erstellt werden, Fußgängerinnen und Demonstranten sollen nicht erfasst werden – auch hier gibt es seitens der Datenschützer Bedenken, zumal der erste Bezirk der Hotspot schlechthin für Demonstrationen ist. (Stefan Mey, 24.5.2022)