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Viele Jugendliche machen in ihren Beziehungen enttäuschende und teilweise traumatisierende Erfahrungen.
Foto: Getty Images/Mixmike

Ein schüchternes Lächeln, ein verhaltener Blick, vielleicht mal Händchenhalten und irgendwann die Frage: "Willst du mit mir gehen?" So romantisch und unschuldig das Bild verliebter Teenager ist, so stark weicht diese Vorstellung inzwischen doch von der Realität ab. Denn die ersten sexuellen und romantischen Annäherungen im Teenageralter sind oft keineswegs so harmlos.

Junge Menschen sind einem hohen Risiko ausgesetzt, in ihren ersten Beziehungen und Dates Formen von Aggression zu erleben. Studien zeigen eine Häufigkeit von 20 Prozent bei körperlicher und zehn Prozent bei sexueller Gewalt. Am häufigsten kommt es auf Dates aber mit 17 bis 88 Prozent zu psychischer Gewalt: Damit ist absichtliches verbales und nonverbales Verhalten, das emotionalen und mentalen Schaden verursacht, gemeint.

Stalking und Cybermobbing

"Wir haben es oft mit Stalking zu tun, etwa mit Cybermobbing. Es passiert viel im Onlinekontext, zum Beispiel Erpressung mit Nacktfotos, krankhafte Eifersucht und Kontrolle der Partner. Anschreien ist auch schon eine Form der Gewalt", sagt die Sozialpädagogin Christine Piriwe, Beraterin beim Kinder- und Jugendnotruf Rat auf Draht.

Auch am Institut für Psychologie an der Universität Klagenfurt setzt man sich mit dem Thema Gewalt beim Dating von Jugendlichen und der Prävention dieser auseinander: "Es gibt hier ein riesiges Problem, dem absolut nicht die Aufmerksamkeit gegeben wird, die angebracht wäre", sagt Heather Foran, die dort Professorin ist. Folglich wird auch wenig dazu geforscht.

Was Foran und ihr Team aber durch Meta-Analysen von weltweit gesammelten Daten von Jugendlichen zum Thema feststellen konnten, ist die hohe Effektivität von Präventionsprogrammen. Psychische und emotionale Gewalt ist häufig die Vorstufe für physische Grenzüberschreitungen.

Vor allem, wenn hier schon eingegriffen wird, hat das häufig auch einen vorbeugenden Effekt auf andere Formen des verletzenden Verhaltens bei Dates, etwa sexuelle Übergriffe. Generell ist durch die Forschung eindeutig feststellbar, dass präventive Maßnahmen greifen und Vorfälle deutlich reduzieren können.

Langzeitfolgen verhindern

"Diese Vorfälle können verhindert werden. Wir wollten mit unserer Forschung verstehen, was genau getan werden kann, um Gewalt unter jungen Menschen entgegenzuwirken", erklärt Foran. Denn sie zieht jede Menge negative Konsequenzen nach sich. Gewalterfahrungen können, insbesondere für Personen, deren Leben größtenteils noch vor ihnen liegt, weitreichende Folgen haben.

"Es spielt dabei nicht nur die unmittelbare Gefahr eine Rolle, es steigt auch das Risiko für langfristige Probleme der mentalen Gesundheit wie Depressionen oder für Suchtmittelkonsum. Viele Betroffene werden später als Erwachsene selbst gewaltbereit in ihren Beziehungen. Es kann auch zu ökonomischen Konsequenzen kommen, etwa wenn die Leistung in der Schule abfällt", sagt die Psychologin.

Die Schule ist auch ein zentraler Ort für Präventionsmaßnahmen. Die Daten wurden hier größtenteils durch anonyme Umfragen unter Schülerinnen und Schülern erhoben. Denn über Gewalterfahrungen zu sprechen ist oft eine große Hürde für die betroffenen Jugendlichen. Foran zufolge ist das mitunter ein Grund dafür, warum die Jugendgewalt im Datingkontext so wenig Beachtung erfährt. Die meisten Präventionsprogramme sind auf spezielle Risikofaktoren, zum Beispiel Alkohol, ausgerichtet.

Toxische Rollenbilder

Andere vermitteln Werkzeuge zur richtigen Kommunikation in Beziehungen oder helfen jenen, die schon betroffen sind, Warnsignale zu erkennen und sich Hilfe zu suchen. Foran und ihr Team stellten auch fest: Werden Eltern in die Interventionen eingebunden, sind diese deutlich effektiver. Piriwe erklärt, warum es überhaupt so eine hohe Rate an Vorfällen unter Jugendlichen gibt: "In jungen Jahren wissen viele noch nicht, was Beziehung bedeutet. Viele denken: Wir sind zusammen, wir gehören einander, und ich habe Rechte, die ich einfordern darf."

Dazu kommen toxische Rollenbilder, die etwa in manchen Musikvideos vermittelt werden. Auch Foran bestätigt, dass Teenager noch wenig Erfahrungen und somit auch wenig Wissen über zwischenmenschliche Beziehungen haben. Was Mitschülerinnen und Mitschüler, Freundinnen und Freunde betrifft, ist es nicht immer von Vorteil, diese in Programme miteinzubeziehen.

Bei gewaltsamem Verhalten gibt es oft einen bestärkenden Effekt der Gleichaltrigen, und die Gruppe kann Individuen negativ beeinflussen. Forschungsergebnisse zeigen, dass Freunde und Freundinnen Druck ausüben können, sich auf eine bestimmte Art – etwa aggressionsbereit – zu verhalten.

Foran betont aber: "Unterstützt die Gruppe Normen gegen gewaltsames Verhalten, kann sich das durchaus positiv auswirken." Beide Geschlechter können übrigens Gewalt und Missbrauch in Beziehungen oder beim Dating erleben. Foran erklärt: "Mädchen können sehr wohl psychologisch und physisch gewaltsam handeln. Sexuelle Gewalt passiert meistens von Buben zu Mädchen, kann allerdings zwischen männlichen Jugendlichen ebenfalls ein Problem darstellen."

Gewalt altersgerecht vorbeugen

Wann der richtige Zeitpunkt ist, um einzugreifen und vorbeugende Maßnahmen zu treffen, ist ein schmaler Grat: Christine Piriwe von Rat auf Draht hält es dabei für besonders wichtig, altersgerecht zu informieren. "In der Prävention gibt es häufig das Problem, dass sie zu früh kommt oder zu oft. Erwachsene wollen handeln, aber machen es, wenn die Kinder noch nicht so weit sind und sich eine Beziehung noch nicht vorstellen können", sagt Piriwe.

Auch die Forschungen an der Universität Klagenfurt zeigen, dass Programme, die eher auf ältere Jugendliche abzielen, die akut gefährdet sind, einen stärkeren Effekt haben. Die Sozialpädagogin empfiehlt folglich, das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen zu stärken, Grenzen mit ihnen zu diskutieren und Informationen offen zugänglich zu machen. Eltern wiederum rät sie, keine Verbote auszusprechen, nicht strafend zu sein und immer wieder zu sagen: "Komm zu mir, wenn etwas ist." (Pia Gärtner, 29.5.2022)