Ein balzender Großtrappenhahn mit aufgeplustertem Hals und gewendeten Flügeln versucht, eine Henne zu beeindrucken, was in diesem Fall nicht wirklich zu gelingen scheint. Bei der Balz inspiziert die Henne auch die Kloake des Hahns.

Foto: Franz Josef Kovacs

Sonnenaufgang im östlichsten Winkel Österreichs. Auf dem geräumigen Hochstand nahe der Brücke von Andau, über die 1956 zehntausende Ungarn in den Westen flüchteten, ist um sechs Uhr früh bereits einiges los. Ferngläser und Spektive sind auf die Brachwiese vor der Aussichtswarte gerichtet, um die wohl spektakulärsten Balztänze der heimischen Vogelwelt zu beobachten.

Das ganze Frühjahr bis Anfang Juni buhlen hier über einen Meter hohe Großtrappenhähne um die Gunst der Weibchen. Und sie tun dies auf eine Weise, die nicht nur die Artgenossinnen beeindruckt, sondern auch die vogelinteressierten Beobachter in einiger Ferne: Die bis zu 16 Kilogramm schweren Männchen – die Weibchen wiegen nur knapp die Hälfte – wenden ihre Flügel, zeigen ihr weißes Untergefieder, blähen den Kehlsack auf und verwandeln sich von einem daherstolzierenden Vogel in einen voluminösen weißen Federball, dessen Teile sich rhythmisch bewegen.

The Great Bustard (Otis tarda) & other birds

"Popcorns in der Landschaft" sagt Elisabeth Kopp prosaisch zu dem, was in einigen Hundert Meter Entfernung zu sehen ist. Die Biologin erzählt den Vogelinteressierten auf dem Hochstand mehr darüber, was sich bei der Balz im Detail abspielt. So inspizieren die Weibchen dabei die Genitalien, genauer: die Kloake der Männchen. Sind diese "untenrum" sauber und nicht von Parasiten befallen, gibt es Pluspunkte bei der sexuellen Selektion.

Ein Trupp Großtrappenhähne, aus denen sich die Hennen Partner aussuchen. Großtrappen sind die einzige polygame Trappenart.
Foto: Franz Josef Kovacs

Starkes Gift für die Liebe

Großtrappenhähne in Spanien verschaffen sich für die kritische Beäugung einen Wettbewerbsvorteil, indem sie Ölkäfer fressen, die zu den giftigsten Insekten Europas zählen, wie Forschende 2014 herausfanden. Die Käfer produzieren das Toxin Cantharidin, das die Großtrappen in kleineren Dosen recht gut vertragen. Ihre Parasiten hingegen nicht. Womöglich hat die Ölkäferdiät aber nicht nur reinigende Folgen: Cantharidin ist auch ein Hauptbestandteil der Spanischen Fliege, eines Potenzmittels, das aus zerriebenen Exemplaren einer Ölkäferunterart hergestellt wird.

"Dass auch die österreichischen Großtrappen Ölkäfer fressen, ist eher unwahrscheinlich", sagt Rainer Raab, der hierzulande führende Experte für diese Vogelart. "An den heimischen Standorten der Vögel sind keine Ölkäfervorkommen bekannt." Bei den österreichischen Großtrappen könnten aber die ebenfalls giftigen Kartoffelkäfer einen ähnlichen Zweck erfüllen, vermutet der Biologe.

Millionenschwere Projekte

Raab hat seit 2005 und mithilfe von mittlerweile drei Life-Projekten der EU in insgesamt niedriger zweistelliger Millionenhöhe viel dazu beigetragen, dass sich der Bestand der Vögel in Ostösterreich im Dreiländereck mit der Slowakei und Ungarn wieder erholte. Lebten Mitte der 1990er-Jahre in der Region nur mehr rund 60 Exemplare auf österreichischem Staatsgebiet, waren es bei der letzten Zählung im Februar 2022, deren Ergebnisse diese Woche veröffentlicht wurden, auf der Parndorfer Platte 557 und im Gebiet Waasen/Hanság bei Andau immerhin 34.

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"Hätte es diese Projekte nicht gegeben, dann gäbe es in diesen beiden Gebieten heute keine Großtrappen mehr", ist Raab überzeugt. Die Rettung brachten Maßnahmen im Rahmen der Life-Projekte, mit denen die EU Umweltschutzagenden fördert: Rund 150 Kilometer Stromleitungen wurden unterirdisch verlegt, weil die Vögel damit regelmäßig kollidierten. Mit den örtlichen Landwirten wurden zum Schutz der Großtrappen zudem Brachflächen geschaffen, die nicht bewirtschaftet werden.

Tausend Insekten pro Tag

Dadurch gibt es unter anderem mehr Insekten, auf die Großtrappen angewiesen sind: "Schon eine Woche nach dem Schlüpfen benötigt eine Großtrappe pro Tag 1.000 Heuschrecken oder andere Großinsekten", sagt Raab.

Die Jungvögel der Großtrappen haben einen nicht leicht zu stillenden Nahrungsbedarf.
Foto: Franz Josef Kovacs

Die Nichtbewirtschaftung der Brachflächen, die den Landwirten über das Agrarumweltprogramm Öpul abgegolten wird, führte dazu, dass sich in den Großtrappengebieten auch andere selten gewordene Tierarten wie Zauneidechsen oder Rebhühner wieder vermehren.

Zu den Hauptfeinden der Großtrappen im Nordburgenland zählen mittlerweile die Seeadler, die rund 20 Jahre nach Wiederansiedlung in der Region ebenfalls wieder heimisch wurden. Dass vor allem junge Großtrappen immer wieder Adlern zum Opfer fallen, sieht Raab nicht allzu tragisch: "Diese Bejagung gibt es seit Millionen von Jahren, und die Großtrappen konnten sich darauf einstellen – anders als auf die Stromleitungen."

Der Krieg als indirekte Gefahr

Für die nächsten Jahre sieht Raab vielmehr eine andere Gefahr, die ziemlich aktuell droht: Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine droht Getreideknappheit, die zu einem Anstieg der Preise führt. Das macht es für Bäuerinnen und Bauern auch hierzulande attraktiver, mehr Getreide anzubauen, statt sich die Brachflächen abgelten zu lassen, sagt Raab: "Die ersten Bauern, die in den letzten zehn bis 15 Jahren Brachflächen für die Großtrappen zur Verfügung stellten, planen bereits wieder um." (Klaus Taschwer, 28.5.2022)