Die Protestaktion begann am Mittwoch gegen sieben Uhr.

Foto: APA/CHRISTOPHER GLANZL
Foto: APA / Hans Punz

"Schau, Franz, deine Freind' sind wieder da", grinst eine Anrainerin. "Ich hab mit denen eh schon wieder einen Kelch angefangen", erwidert dieser. "Ich versteh es nicht, dass die schon wieder da sind", sagt ein Dritter. "Ich will nur zum Einkaufen durchfahren können, hoffentlich ist nichts abgesperrt."

Ganz und gar nicht begeistert reagierten die wenigen anwesenden Anrainer am Mittwochvormittag als Zaungäste auf die neuerliche Besetzung der Stadtstraßenbaustelle bei der U2-Station Hausfeldstraße. Hier befand sich einst über mehrere Monate das große Protestcamp gegen das Bauvorhaben samt der bekannten Holzpyramide. Anfang Februar wurde das Areal mit einem massiven Polizeiaufgebot geräumt, es gab damals 48 Festnahmen.

Mittwochfrüh kamen wieder Aktivistinnen und Aktivisten zur Baustelle, sie besetzten mehrere Baucontainer und Baufahrzeuge. Lucia Steinwender, Sprecherin der Bewegung "Lobau bleibt", ging von 150 bis 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Klimaschutzbewegung aus. Die Polizei sprach von etwa 100 Aktivisten.

Bereits um 9.40 Uhr begann die Polizei mit einer angerückten Hundertschaft an Beamten wieder mit der Räumung des Areals, auch die Wega war vor Ort. Es kam im Zuge dessen zu mehreren Festnahmen und Anzeigen. Am frühen Nachmittag gegen 14 Uhr war das Areal geräumt. Insgesamt 95 Personen wurden vorläufig festgenommen.

Vier Baucontainer besetzt

Wie der STANDARD vor Ort erfuhr, waren zuvor dutzende Aktivistinnen und Aktivisten in roten Staubanzügen auf vier Baucontainer sowie Baufahrzeuge geklettert. Sie rollten auch mehrere Banner aus. "Widerstand ist unräumbar", stand auf einem, "Bagger & Macker blockieren" sowie "Mobilität für alle statt Profit für Konzerne" auf zwei weiteren. Die Besetzer sangen zur Melodie von "We Will Rock You" unter anderem: "Die Stadtstraße macht keinen Sinn, wo ist unsere Zukunft hin?"

Die Aktivistinnen und Aktivisten kletterten auf insgesamt vier Baucontainer sowie auch Baufahrzeuge.
Foto: David Krutzler

Da ein "Aktionstag zivilen Ungehorsams" bereits Tage zuvor angekündigt war, sei dieser auch "in der Einsatzplanung berücksichtigt worden", sagte Polizeisprecher Markus Dittrich dem STANDARD. Das war auch der Grund für den schnellen Einsatz der Polizei, an dem mehr als 100 Beamtinnen und Beamte sowie dutzende Einsatzfahrzeuge beteiligt waren. Ein Lkw der Polizei samt Kran war ebenfalls im Einsatz, auch mit diesem wurden Besetzerinnen und Besetzer von der Polizei entfernt.

Foto: APA / Hans Punz

Einige Aktivistinnen und Aktivisten waren auch angekettet. Der Großteil von ihnen protestierte sitzend und stehend auf Containerdächern und Baufahrzeugen. Sie wurden laut Polizei "möglichst schonend" und einzeln durch jeweils mehrere Beamtinnen und Beamte von den Containern und Fahrzeugen abtransportiert.

Nacheinander wurden die Demonstranten abtransportiert.
Foto: David Krutzler

Die Polizei-Aktionen verliefen zum Großteil friktionsfrei – aber nicht alle. So gab es auch Tumulte. Den Angaben der Polizei zufolge hätten Aktivistinnen und Aktivisten versucht, den Zaun zu überklettern. "Hier gab es auch eine Festnahme", sagte Polizeisprecher Dittrich – wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Die Klimaschützer sahen die Situation anders und brachten Vorwürfe von Polizeigewalt bei der Fixierung der Betroffenen auf. "Es ist ziemlich auf sie eingeschlagen worden", sagte Steinwender.

Bei den Demonstrantinnen und Demonstranten wurden Identitätsfeststellungen durchgeführt. Falls diese laut Polizei keinen Ausweis dabei haben, Aussagen verweigern oder niemand die Identität der Person bezeugen könne, könne auch eine verwaltungsrechtliche Festnahme ausgesprochen werden. Am Nachmittag hieß es, dass 95 Personen vorläufig festgenommen wurden. Ansonsten werde bei den Baustellenbesetzerinnen und -besetzern eine Verwaltungsübertretung festgestellt, der eine Anzeige folge.

DER STANDARD

Aktivistin: SPÖ gießt Klimakrise in Beton

Die Demonstrierenden treten nicht nur gegen den Bau der Stadtstraße in der Donaustadt auf. Sie befürchten auch die Realisierung der S1-Nordostumfahrung samt Lobautunnel, den die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler Ende des Vorjahres auf Eis gelegt hatte. Die Bundesländer Wien und Niederösterreich sowie die Wirtschaftskammer wollen den Bau aber weiterhin forcieren.

Das wiederum kritisiert Steinwender von "Lobau bleibt": "Wir stellen uns heute der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und der Betonpolitik der Wiener SPÖ in den Weg. Hier, auf den Baustellen der Stadtautobahn, gießt die SPÖ die Klimakrise in Beton. Dabei stellt sie erneut die Interessen von Baukonzernen und der Autolobby vor die Bedürfnisse der Menschen in der Donaustadt."

Die Räumung des Areals sollte laut Polizeiangaben bis zum frühen Nachmittag dauern.
Foto: David Krutzler

Demonstration vor Landesparteitag der Wiener SPÖ geplant

Dass die Baustelle just in dieser Woche erneut besetzt wurde, lag laut Steinwender auf der Hand: Am Samstag findet der Landesparteitag der Wiener SPÖ in der Messe statt – laut Steinwender galt es, ein Signal der Klimagerechtigkeitsbewegung zu setzen.

Für Samstag ist eine weitere große Aktion geplant: ein Demonstrationszug vom Schwedenplatz in Richtung Messe Wien. Steinwender kritisiert, dass "die ursprünglich angemeldete Route an der Messe vorbei am Montag von der Wiener Polizei nicht genehmigt und umgelegt" worden sei. Der Grund sei laut Steinwender, dass die SPÖ dort selbst eine Kundgebung angemeldet habe. "Die SPÖ Wien hat sich mit ihrer Scheinkundgebung selbst eine Bannmeile geschaffen." Steinwender rechnet "mit mehreren Tausend Teilnehmern", wie sie dem STANDARD sagte. (Elisa Tomaselli, David Krutzler, 25.5.2022)