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"Als Nation müssen wir uns fragen, wann in Gottes Namen wir der Waffenlobby die Stirn bieten werden", das "Gemetzel" dürfe nicht immerzu weitergehen: Auch US-Präsident Joe Biden hat geschockt auf das neueste Schulmassaker in den USA reagiert, diesmal an einer Grundschule in der texanischen Kleinstadt Uvalde. Mindestens 19 Kinder zwischen sieben und zehn Jahren und zwei Lehrkräfte kamen dabei ums Leben.

Mit trauriger Regelmäßigkeit passieren derartige Gräueltaten in den USA. Allein im vergangenen Jahr zählte die US-Bundespolizei FBI 61 Amokläufe, bei denen Schusswaffen benutzt werden. Insgesamt sterben laut der US-Gesundheitsbehörde in den USA durchschnittlich 100 Menschen pro Tag durch eine Schusswaffe. Nach jeder einzelnen der verstörenden Taten werden Rufe nach schärferer Waffengesetzgebung laut, geändert hat sich während der letzten Jahrzehnte jedoch kaum etwas. Im Gegenteil: Im diesmal betroffenen Bundesstaat Texas wurden die Waffengesetze erst kürzlich weiter liberalisiert.

Seit dem 1. September 2021 ist in Texas das offene Tragen von Handfeuerwaffen ab 21 Jahren auch ohne Genehmigung erlaubt. Davor mussten Waffenbesitzer und Waffenbesitzerinnen zumindest für Pistolen eine Genehmigung beantragen. Voraussetzung dafür war ein Training und eine Hintergrundprüfung. Pistolen darf man in Texas ab dem Alter von 21 Jahren besitzen, Gewehre ab 18 Jahren. Texas ist damit einer der Bundesstaaten mit den lockersten Waffengesetzen des Landes.

Verfassungsrechtlich abgesichert

Das Recht, eine Schusswaffe zu tragen, ist in der US-Verfassung im zweiten Verfassungszusatz aus dem Jahr 1791 verankert. Es stammt aus Zeiten, in denen die Bürger der USA noch gezwungen waren, sich selbst zu schützen. Die Gründerväter wollten damit auch sicherstellen, dass die US-Bürger jederzeit ihr Land verteidigen können.

2008 stärkte der Supreme Court diese Position und entschied, dass der Verfassungszusatz das individuelle Recht garantiere, eine Waffe zu tragen und zur Selbstverteidigung zu nutzen, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Miliz. Bis heute gilt dieses Recht vor allem Republikanern und Konservativen als unantastbares Grundrecht und Inbegriff der Freiheit. Die Waffenlobby in den USA ist enorm mächtig.

Diesen Freitag findet rund 450 Kilometer westlich von Uvalde, in Houston, die nächste Jahrestagung der Waffenlobby NRA (National Rifle Association) statt. Sprechen werden dabei Gouverneur Greg Abbott, Senator Ted Cruz und der frühere Präsident Donald Trump. Der republikanische Senator John Cornyn aus Texas dagegen hat nach dem Amoklauf seinen Auftritt in Houston abgesagt.

Die Lobbyorganisation stellt sich seit Jahrzehnten rigoros gegen jegliche Beschränkung des Verkaufs und privaten Besitzes von Waffen. Die Organisation wird überwiegend von republikanischen Politikern großzügig materiell unterstützt. Ihren Einfluss verdankt sie aber auch der Tatsache, dass sie selbst Politiker unterstützt. Im Wahlkampf 2016 kamen zum Beispiel Donald Trump rund 30 Millionen Dollar von der Lobby zugute. Außerdem ist die NRA sehr erfolgreich in der Wählermobilisierung. Es heißt, dass die NRA Präsidentschaftswahlen in den USA mitentscheiden kann.

Politische Debatten

Die NRA war ursprünglich unpolitisch und wurde 1871 mit dem Ziel gegründet, Menschen an der Waffe zu trainieren. Die Organisation politisierte und radikalisierte sich, als nach der Ermordung von Präsident John F. Kennedy 1968 der Gun Control Act in Kraft trat. Seither pocht die Organisation auf den zweiten Verfassungszusatz und wendet viel Energie und Geld für die politische Beeinflussung auf.

Seit 1934 wurden vorrangig unter Präsidenten der Demokratischen Partei Gesetze eingeführt, die eine gewisse Waffenkontrolle garantieren sollten. Republikanische Präsidenten stärkten hingegen vor allem die Rechte der Waffenbesitzer und -händler. (mhe, 25.5.2022)