Monsaraz ist auf einem hohen Hügel am Guadiana, dem Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien, gebaut. Der mittelalterliche Burgring umschließt eine Handvoll weißgekalkter Häuser mit roten Dächern und vier Kirchen. Im Westen erstrecken sich Ebenen mit Olivenhainen und Weizenfeldern, im Osten weitet sich die blau glitzernde Seelandschaft von Alqueva wie ein Ozean. Das Ufer ist länger als die Atlantikküste Portugals.

Das historische Dorf Monsaraz blieb vom Stausee von Alqueva verschont.
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Der vom Guadiana gespeiste Stausee wurde vor zwanzig Jahren angelegt. Ein 250 Quadratkilometer großes Becken entstand, der wohl größte künstliche See Europas. Strände wurden angelegt, Yachthäfen, Surf-Spots, Basen für Heißluftballons und zwei Sternenparks. In den vergangenen Jahren hat die Region gleich mehrere Auszeichnungen für sanften Tourismus bekommen. 2016 gewann Portugal sogar den europäischen Preis für nachhaltigen Tourismus. Konkret wurde damals das Schutzgebiet Dark Sky Alqueva im Alentejo von der Europäischen Kommission wegen der Inexistenz jeglicher Lichtverschmutzung und des Angebots zur Beobachtung des Nachthimmels ausgezeichnet. Doch die Existenz des Stausees ist zwiespältig zu sehen.

Kaum Luftverschmutzung

"Der See hat viel Gutes gebracht", sagt André Casinha vom Monsaraz-Tourismus. Im trockenen Alentejo habe er die Landwirtschaft angekurbelt und den Tourismus belebt. "Er hat die Menschen aber auch gespalten", sagt der 28-Jährige. Denn der Stausee greife ins ökologische Gleichgewicht ein. "Die gestiegene Feuchtigkeit hat neue Pflanzenkrankheiten gebracht", erklärt Casinha. Die riesige Wasserfläche sorge aber auch dafür, dass es kaum Luftverschmutzung gibt. Deshalb kann man die Sterne in der Nacht so gut beobachten.

Wer im Burgdorf wie António Malta eine Immobilie besitzt, baut sie zur Herberge oder zum Restaurant um. In der Rua de Santiago, ganz in der Nähe des Inquisitionsmuseums, erbte der 34-jährige Physiotherapeut drei nebeneinanderliegende Gebäude und wandelt sie in eine Pension um. "Der Alqueva hat uns Hoffnung gegeben", sagt er.

Ein Landhaus auf einer Insel im Stausee von Alqueva.
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Das Glück des einen ist der Schaden des anderen. In den Fluten verschwanden nicht nur Kulturdenkmäler, sondern auch das historische Dorf Aldeia da Luz. Nur wenige Hundert Meter vom versunkenen "Dorf des Lichts" entfernt, wurde das Ersatzdorf namens Luz aufgebaut. Die Kirche wurde versetzt, ebenso der Friedhof.

Identität verloren

"Der Stausee brachte Wasser, aber nicht die versprochenen Arbeitsplätze", sagt João Pedro in der Dorfkneipe Tas ca Bar. An der Wand hängt ein großes Poster vom ursprünglichen Dorf, das melancholisch stimmt. "Profitiert hat vor allem die Agrarindustrie", sagt der Lehrer aus Lissabon, dessen Frau in Aldeia da Luz geboren ist; sie besuchen Verwandte. Vierhundert Häuser seien damals gebaut worden. Nicht einmal die Hälfte ist noch bewohnt. Die Bewohner sind weggezogen. "Das Dorf hat seine Identität verloren", sagt er.

Auf der Fahrt zur alentejanischen Küste ist die Verwandlung der Landschaft nicht zu übersehen. Wo früher die weiten Ebenen mit alten Baumbeständen, Schafherden und schwarzen Schweinen waren, stehen jetzt junge, maschinentaugliche Pflanzungen aus Rebstöcken und Olivenbäumen in militärischer Ordnung. Der Stausee versorgt sie mit Wasser.

Schöne Landschaft, klarer Himmel: die Umgebung von Monsaraz.
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Im Westen schützt der 75.000 Hektar große Naturpark Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina die Natur. Ein Küstenstreifen aus schroffen Felsen, sandigen Buchten, Riffen, Lagunen, Dünen und einem empfindlichen Ökosystem. Südlich von Lissabon stürzt die Steilküste sechzig Meter in die Tiefe und verschwindet im Meer. Nur noch einen Schritt weiter, und der Wanderer, der im Naturpark unterwegs ist, kippt selbst über den Klippenrand. Normalerweise kommt er aber so nah an die Klippen gar nicht heran. Der markierte Weg liegt weiter abseits, nicht nur zum Schutz der Wanderer, sondern auch der Lackzistrosen, Wacholderbüsche und des wilden Thymians.

Einmalige Landschaft und Dorfleben

Wo einander Land und Meer so spektakulär begegnen, entstand vor zehn Jahren die Rota Vicentina, zwei parallele Weitwanderwege. Der "Fischerweg" führt im Naturpark von Porto Côvo an der Küste entlang nach Lagos, ein Trail von 226 Kilometern. "Historischer Weg" heißt die 263 Kilometer lange Route von Santiago do Cacém durch das Binnenland bis zum Leuchtturm vom Cabo de São Vicente.

"Wir haben die Rota Vicentina damals entwickelt, um den Naturtourismus zu fördern", erklärt Rudolfo Müller, Ende 50 und einer der Mitbegründer. Inzwischen wurden die Strecken erweitert, besser ausgeschildert und Quartiere angeschlossen. "Es kommen immer mehr Gäste, die sich für diese einmalige Landschaft und das Leben in den Dörfern interessieren", freut sich der gebürtige Schweizer.

Himbeeren im Paradies

Besonders der beliebte "Fischerweg" führt durch den Naturpark Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina, der 1995 gegründet wurde, um die fragile Steilküste, die seltene Flora und Fauna vor der Hotelbebauung zu schützen. Doch jetzt wird sie von industrieller Landwirtschaft bedrängt. Bei Zambujeira do Mar haben sich die Gewächshäuser für Himbeeren und Heidelbeeren bereits im Naturpark ausgebreitet und Strandbuchten wie die Praia da Amália und Carvalhal erreicht.

"Die Gewächshäuser vertreiben uns die Touristen", klagt Luisa Rebelo, die ein kleines Hotel bei Brejão nahe dem Strand besitzt. Seit Jahren beobachtet sie, wie sich die Plantagen unkontrolliert in den Naturpark hineinwuchern, sogar bis vor ihre Haustür. "Der Staat duldet das", sagt sie. Wenn Portugal wenigstens profitieren würde, so die engagierte Frau, die ebenfalls zu den Mitbegründern der Rota Vicentina gehört. "Doch es kommen multinationale Unternehmen, sie bezahlen nur ein Prozent Steuern, bringen in großer Zahl ausländische Erntearbeiter her, versprühen Pestizide und verlassen die Region, wenn die Böden ausgelaugt sind."

Die fragile Steilküste im Naturpark Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina.
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Auch Umweltschutzorganisationen wie Quercus oder Zero klagen über die Missachtung von Vorschriften und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. "Noch gilt der Küstenstreifen als überwiegend gut geschützt", sagt die Naturparkführerin Carla Cabrita, die seit zwölf Jahren Wanderungen anbietet. Es sei jedoch ein fundamentaler Missstand, dass es an einer Strategie für die ökonomische Nutzung fehle. Das Beerengeschäft bedrohe ein Paradies.

Wandert man auf der Rota Vicentina bei Azanhas do Mar weiter südwärts, versöhnen andere Bilder. Die Gischt spritzt an den dunklen Steinwänden hoch, die wie geschichteter Blätterteig aussehen – geformt vor hunderttausenden von Jahren. Aus dem Wasser ragen hohe Felsen, auf deren Spitzen im Frühjahr Weißstörche brüten. "Das gibt es nur hier", sagt Rudolfo Müller fasziniert, der seit mehr als vierzig Jahren im Alentejo lebt. Auch wenn sich die Landschaft stark verändert habe, reagiere er jedes Mal beruhigt, sobald er Störche an der Steilküste sehe. (Beate Schümann, 27.5.2022)