Dragan Čović, Vorsitzender der bosnischen HDZ.

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Der Finanzminister von Bosnien-Herzegowina, Vjekoslav Bevanda von der bosnisch-kroatischen Partei HDZ, blockiert die Finanzierung der Wahlen im Land, die am 2. Oktober stattfinden sollten. Der Grund dafür ist, dass die HDZ seit vielen Monaten – mithilfe einiger EU-Vertreter und der Schwesterpartei in Kroatien – versucht, ihre Vorstellungen von einer Änderung des Wahlgesetzes durchzusetzen. Allerdings gibt es dafür keine Mehrheit im Parlament. Deshalb setzt die HDZ nun offensichtlich auf eine Blockade, um doch noch das Wahlgesetz nach ihrer Art durchzupeitschen. Bevanda hat deshalb die Verabschiedung des Budgets für das Gesamtjahr verhindert.

Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Christian Schmidt, hat aufgrund dieser Umstände eine Entscheidung vorbereitet, die die Finanzierung der Wahlen am 2. Oktober sicherstellt. Dies gehört auch zu seinen Aufgaben, garantiert er doch die Umsetzung des Daytoner Friedensabkommens. Schmidt hat bereits in den vergangenen Wochen diesbezüglich wichtige Schritte gesetzt.

Frist bereits abgelaufen

Doch Diplomaten zufolge haben sich nun Vertreter der EU und Vertreter Deutschlands in den vergangenen Tagen dagegen ausgesprochen, dass Schmidt jetzt durchgreift. Lokalen Medien zufolge wollen die besagten EU- Vertreter und Vertreter Deutschlands noch abwarten und erreichen, dass Schmidt die Finanzierung erst Mitte Juni sicherstellt, obwohl die Frist bereits am 19. Mai abgelaufen ist. Bis zum 19. Mai hätte das Geld für die Wahlen bereitgestellt werden müssen. Die Wahlkommission hat bereits darauf hingewiesen, dass deshalb eine gute Vorbereitung der Wahlen gefährdet ist. Auch für die Stabilität des Landes wäre es gut, die technische Sicherheit zu haben, dass die Wahlen stattfinden können. Doch offensichtlich will die EU der HDZ entgegenkommen, obwohl die Nichteinhaltung der Frist seitens Bevandas eine Missachtung der Institutionen und Normen des bosnischen Staates darstellt.

Im Hintergrund geht es auch um einen Machtkampf zwischen EU-Vertretern und dem Amt des Hohen Repräsentanten (OHR). In der EU gibt es einige Kräfte, die den OHR schwächen wollen und nicht wollen, dass er überhaupt wichtige Entscheidungen trifft. Sie setzen noch immer auf das Konzept der "lokalen Verantwortung", obwohl dieses Konzept in den letzten zehn Jahren daran gescheitert ist, dass einige lokale politische Kräfte eben keine Verantwortung übernehmen wollen, sondern – so etwa der Kreml-Freund und Chef der bosnisch-serbischen SNSD, Milorad Dodik – sich seit vielen Jahren für die Zerstörung des Staates Bosnien-Herzegowina starkmachen. Die USA und Großbritannien haben deshalb Sanktionen erlassen – nicht so die EU, die auch von antiwestlichen illiberalen Kräften, etwa aus Ungarn, unterlaufen ist.

Weiter enormer Druck wegen Wahlgesetzes

Die HDZ will offenbar weiterhin die Wahlen verschieben und in der Zwischenzeit durch Druck von außen die anderen Parteien dazu zwingen, doch noch ihre Vorstellungen zu akzeptieren. So war kürzlich erst der Präsident des EU-Rats, Charles Michel, in Sarajevo zu Besuch und vertrat dabei ganz offensichtlich die Agenda der HDZ. Seit vielen Monaten gibt es in Sarajevo Kritik an EU-Vertretern, weil sie einseitig Positionen der vergleichsweise kleinen und extrem nationalistischen HDZ übernehmen. Die moderatere HDZ aus Kroatien hat es in den vergangenen Jahren zudem fertiggebracht, über Lobbyarbeit in einigen EU-Institutionen die Forderungen der Schwesterpartei in Bosnien-Herzegowina anderen Europäern "näherzubringen".

Das geht so weit, dass sogar deutsche Politiker wie der Leiter des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im EU-Parlament, David McAllister, der offensichtlich unter dem Einfluss der kroatischen EU-Abgeordneten Željana Zovko steht, die Anliegen der HDZ in Bosnien-Herzegowina vertritt. Kürzlich wurde ein Video publik, das McAllister zeigt, wie er in ganz offensichtlicher Unkenntnis des Staates und der Verfasstheit Bosnien-Herzegowinas davon spricht, dass man die Probleme dort in zehn bis 15 Minuten lösen könne, wenn die EU-Staats- und Regierungschefs diese Zeitspanne lang zuhören würden.

McAllister redet von Landkarten

McAllister sprach sogar davon, dass der kroatische Regierungschef Andrej Plenković eine Karte von Bosnien-Herzegowina gezeichnet habe, was viele Bosnier wiederum an jene Karte des ehemaligen kroatischen Präsidenten Franjo Tuđman erinnerte, die dieser auf eine Serviette kritzelte, um damit vorzuführen, wie Serbien und Kroatien im Krieg den Staat Bosnien-Herzegowina aufteilen, zerstören und vereinnahmen wollten. Es ist anzunehmen, dass Plenković die Aussagen von McAllister nicht gerade erfreut haben, weil er wohl nicht in Zusammenhang mit Landkarten von Bosnien-Herzegowina gebracht werden möchte.

Die permanente und aggressive Einmischung Kroatiens in die inneren Angelegenheiten von Bosnien-Herzegowina hat insgesamt in den vergangenen Monaten für viel Irritation im Land gesorgt. Die Einmischung geht so weit, dass der kroatische Präsident Zoran Milanović bei der Nato interveniert hat, damit das Wahlgesetz im Nachbarstaat verändert wird. Dabei sind gerade Milanović und die HDZ in Bosnien-Herzegowina für ihre Kreml-freundliche Haltung bekannt. Der Chef der bosnisch-herzegowinischen HDZ, Dragan Čović, stimmte etwa gegen Sanktionen gegen Russland wegen der Invasion in die Ukraine und lud 2020 sogar russische Soldaten nach Mostar ein.

Separatismus, Hass und Hetze

Čović war zudem im Krieg Direktor der Firma Soko. In einem Dokument aus dem Jahr 1993, das seine Unterschrift trägt, werden bosniakische Zwangsarbeiter für die Firma aus dem berüchtigten Lager Heliodrom beordert, einem Ort, wo Häftlinge regelmäßig misshandelt und gefoltert wurden. Čović selbst sagte dazu, im Krieg habe niemand für Geld gearbeitet. Er stritt jedoch nicht ab, dass für seine Firma Zwangsarbeiter ausgenutzt wurden.

Čović wird trotz dieser Vergangenheit von der EU unterstützt. Die drei Koalitionsparteien im Deutschen Bundestag haben jedoch nun eine Resolution geschrieben, die in Bälde eingebracht werden soll. Darin werden die aggressiv-nationalistischen Kräfte in Bosnien-Herzegowina klar benannt. In dem Text heißt es etwa: "Vermeintlich ethnische Differenzen werden von der nationalistischen politischen Elite des Landes in den serbischen, kroatischen und bosniakischen Parteien gezielt instrumentalisiert, verstärkt und zur Selbstbereicherung und Erhalt der eigenen Macht ausgenutzt." Einzelne politische Führer setzten immer stärker auf Separatismus, Hass und Hetze, heißt es weiter.

Gefahr für den Frieden

"Insbesondere das politische Agieren völkisch-nationalistischer Politiker wie Milorad Dodik, gegenwärtig Mitglied des Staatspräsidiums, und Dragan Čović, Vorsitzender der Partei HDZ BiH, ist darauf angelegt, Bosnien und Herzegowina als Staat und Heimat einer vielfältigen Bevölkerung zu zerstören. Diese Politik ist eine Gefahr für den Frieden in Südosteuropa; sie ist inakzeptabel und erfordert entschiedene, harte Gegenwehr der Europäischen Union, ihrer Mitgliedsstaaten sowie der internationalen Gemeinschaft", finden die Autoren im Deutschen Bundestag klare und kenntnisreiche Worte.

Auch zum Wahlrecht positionieren sich die Koalitionsparteien (SPD, Grüne und FDP). Die notwendige Änderung der Verfassung und des Wahlrechts Bosnien und Herzegowinas müsse darauf abzielen, die ethnische Spaltung des Landes zu überwinden. "Die einschlägigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vor allem in den Fällen Sejdić-Finci, Zornić, Pudarić, Šlaku und Pilav) müssen vollständig und in ihrer Substanz umgesetzt werden. Der Bundestag sieht mit großer Sorge, wie der negative Einfluss der Nachbarstaaten auf eine mögliche Wahlrechtsreform zunimmt", beziehen die Abgeordneten Stellung.

Lobbybegriff ablehnen

Genannt wird auch ausdrücklich der Lobbybegriff der HDZ für die Änderung des Wahlrechts. Dieses "Prinzip der legitimen Repräsentation" sei abzulehnen, so die Abgeordneten. "Es steht nach Auffassung des Bundestages unter anderem einer gleichberechtigten Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am politischen Prozess entgegen und ist nicht im Einklang mit den Werten und Standards der EU, würde die Spaltung Bosnien und Herzegowinas weiter vertiefen und die Umsetzung der einschlägigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erschweren." Wegen dieser klaren Worte ist es also kein Wunder, dass es derzeit heftigen Widerstand gegen die Resolution gibt.

Unterstützt wird von den Abgeordneten in der Resolution, die möglicherweise in der dritten Juni-Woche verabschiedet werden könnte, die Zivilgesellschaft in Bosnien-Herzegowina. "Ihre Warnungen vor Blauäugigkeit gegenüber den Absichten der nationalistischen Eliten und ihr Gefühl, zu wenig Gehör zu finden in den europäischen Verhandlungen mit den politisch Verantwortlichen Bosnien und Herzegowinas, sind ernst zu nehmen. Die Zivilgesellschaft in Bosnien und Herzegowina verdient mehr Unterstützung und muss in die Verhandlungen und Entscheidungsprozesse deutlich stärker als bislang eingebunden werden", heißt es da.

Distanzierung von völkischen Kräften

Zu den Forderungen des Bundestags an die Bundesregierung gehört in dem Text auch, dass "die politischen Führungen Serbiens, auch mit Blick auf das laufende EU-Beitrittsverfahren, und Kroatiens in aller Deutlichkeit zur Distanzierung von den völkisch-separatistischen Kräften in Bosnien und Herzegowina" aufgefordert werden sollten. Falls die Resolution im Bundestag angenommen wird, würde dies tatsächlich eine Zeitenwende in der Balkanpolitik bedeuten, die unter Angela Merkel von Appeasement unter Mitgliedern der Familie der Europäischen Volkspartei (EVP) und Geschäftsinteressen geleitet war.

Nun dürfte es in der neuen Koalition wieder mehr um Demokratisierung, Werte und Reformen gehen. Die deutsche Bundesregierung stoppte bereits Entwicklungsprojekte in der Höhe von 105 Millionen Euro im bosnischen Landesteil Republika Srpska, weil Dodik und seine SNSD konkrete Abspaltungsschritte unternommen haben. (Adelheid Wölfl, 25.5.2022)