Auf der grünen Wiese zwischen Gramatneusiedl und Ebergassing soll ein internationaler Bildungscampus entstehen. Details sind noch nicht bekannt, aber eine britische Investmentfirma spielt bei dem Projekt jedenfalls eine Rolle.

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Bei DER STANDARD VOR|ORT verlegen Redakteurinnen und Redakteure ihren Arbeitsplatz vorübergehend in spannende Regionen Österreichs. Sebastian Fellner berichtet aktuell aus Ebergassing in Niederösterreich.

Ebergassing/London – Zwischen Gramatneusiedl und Ebergassing ist nicht viel zu finden. Die beiden Gemeinden östlich von Wien sind durch eineinhalb Kilometer landwirtschaftliche Felder getrennt. Eine Hochspannungsleitung verläuft darüber, die Betreiber eines Erdbeerfelds bereiten sich auf die Ernte vor, ansonsten rauschen nur Autos und Lkws über die Bundesstraße. Genau hier soll es entstehen, das "ICO Institute Vienna". Ein internationales Zentrum, eine Privat-Uni inklusive Gästehotel zwischen zwei kleinen Gemeinden in Niederösterreich?

"Privat-Uni in Ebergassing geplant", schrieben die "Niederösterreichischen Nachrichten" im April. Aber nein, natürlich werde hier keine Privatuniversität gebaut – die Berichte seien Blödsinn, sagt Gerhard Hrebicek zum STANDARD. Er ist Geschäftsführer des österreichischen ICO-Sitzes und koordiniert das Projekt. Und sei froh, das gleich klarstellen zu können: Tatsächlich wolle die International Communities Organisation (ICO) mit Sitz in London in Ebergassing keine Uni errichten, die ja auch vom Bildungsministerium bewilligt werden müsste – sondern einen offenen Campus, der von Bildungseinrichtungen und Unternehmen genutzt werden kann, an dem sich Menschen aus aller Welt treffen, austauschen und im Bereich Nachhaltigkeit weiterbilden können.

Es gibt eine naheliegende Überlegung, wie die "Niederösterreichischen Nachrichten" darauf kommen konnten, dass die ICO in der Gegend eine Uni errichten wolle: Die Information steht auf der Website des Projekts. Das werde bald geändert, sagt Hrebicek. Aber das ist nur einer der verwirrenden Umstände des geplanten Campus in Ebergassing.

"Weltklasse-super" Idee

Gleich vorweg: Auch wenn die Website mit Plänen, Skizzen und Renderings den Eindruck erweckt, dass der Bau mit Hörsälen, Wohnheim, Gästehotel und Chalet schon fix sei, ist er das nicht. "Von einem definitiven, konkreten Projekt sind wir aus meiner Warte betrachtet noch weit weg", sagt Ebergassings Bürgermeister Roman Stachelberger (SPÖ). Ihm sei das Vorhaben beim Heurigen von einem Bekannten zugetragen worden, der wiederum die Verantwortlichen kenne. Danach gab es "gute Gespräche, wir haben uns die Idee angehört" und die sei "weltklasse-super".

Die Idee ist in den Worten des Projektverantwortlichen Hrebicek folgende: Ein internationales Zentrum, an dem Begegnung und Austausch stattfinden sollen – verschiedene Unis aus der ganzen Welt sollen dort Kurse veranstalten können. Auf der Projektwebsite sind dafür große Säle dargestellt, Wohnräume, ein Hotel und ein Chalet. Ausgemacht sei das aber alles nicht, sagt Hrebicek: "Es ist alles noch relativ früh, aber ich verstehe, dass hier großes Interesse besteht."

Überhaupt sei noch nicht ausgemacht, dass das Ganze in Ebergassing passieren wird: Es gebe auch noch andere mögliche Standorte in und rund um Wien. Die Nähe zum UN-Standort und dem Flughafen machen Ebergassing aus Sicht der potenziellen Betreiber zu einem attraktiven Standort. Dem Vernehmen nach soll auch ein Golfplatz in der Nähe für Ebergassing sprechen, weil der Sport in Großbritannien so beliebt ist.

"Musterbeispiel für Nachhaltigkeit"

Der Bau würde auf der wortwörtlich grünen Wiese stattfinden, aktuell ist die Fläche zwischen den Ortskernen von Gramatneusiedl und Ebergassing ein Feld. Umweltbedenken versucht Hrebicek auszuräumen: "Der Campus selbst muss auch ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit sein", die Gebäude müssten sich "in die Natur eingliedern, das geht mehr in Richtung Village-Charakter".

Genau daran zweifelt Sebastian Schirl-Winkelmaier von den Grünen Gramatneusiedl allerdings. Er befürchtet eine "massive Bodenversiegelung", größeres Verkehrsaufkommen und eine Beeinflussung des angrenzenden Naturschutzgebiets. Ebergassings Bürgermeister Stachelberger kann das nicht nachvollziehen: Bildung müsse ganz oben auf der Prioritätenliste stehen, findet er. "Wenn es um Bildung geht, ist das Thema Flächenverbrauch glaube ich der falsche Rahmen." Die Einwände von Schirl-Winkelmaier, im Brotberuf Lehrer, seien eine glatte "Themenverfehlung".

Verflechtungen mit Investmentfirma

Und wer ist diese International Communities Organisation? Die NGO hat ihren Sitz in London und ist laut eigenen Angaben in Europa, Asien und Afrika tätig. Laut Hrebicek geht es dabei um friedensschaffende Maßnahmen und Nachhaltigkeit, alles über Arbeit in den jeweiligen Gemeinschaften. Laut eigenen Angaben hat die Organisation 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Doch die Londoner NGO ist nicht der einzige Projektpartner. Mit an Bord ist laut STANDARD-Informationen auch eine britische Finanzierungsfirma namens Gloriette Investments Ltd. Hrebicek bestätigt, dass das Unternehmen als Finanzpartner beteiligt ist, möchte aber nichts weiteres dazu sagen: Neue Informationen gebe es dann im Herbst, dann könne er auch mehr über weitere Partner sagen.

Das gilt auch für die Frage, ob es Zufall ist, dass die ICO und die Gloriette Investments in London an der gleichen Adresse residieren – und ICO-Chef James Holmes gleichzeitig Direktor der Investmentfirma ist: Näheres gebe es im Herbst.

Unbegründete Sorge

Manche in der Region befürchten, dass das Bildungsprojekt nur vorgeschoben wird, um Flächenwidmungen und Baubewilligungen zu erreichen, danach aber ein kommerzielles Projekt umzusetzen. Das hält Hrebicek für unbegründet: Es gehe um Bildung, internationale Begegnung und Nachhaltigkeit. "Die Sorge, dass die Campus-Idee nach Baubeginn aufgegeben wird und stattdessen dann nur ein Wohnprojekt, Hotel oder Ähnliches gebaut wird, können wir ausräumen." (Sebastian Fellner, 26.5.2022)