Kein einzelner Hai ist schlauer als die Haie, die das Haifischbecken gebaut haben.

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Vorerst hatten sich die Bitcoin-Kursverluste noch ähnlich wie jene der Tech-Aktien verhalten – doch dann rissen Entwicklungen rund um die Stablecoin Terra USD und die damit verbundene Luna Coin den Kryptomarkt Mitte dieses Monats in die Tiefe, weshalb nun guten Gewissens von einem Crash gesprochen werden kann.

Allerdings hat der Markt schon so manche Höhen und Tiefen erlebt, und nicht selten folgte auf einen "Krypto-Winter" ein noch größerer Höhenflug. Insgesamt belegen Daten, dass Bitcoin bereits 449-mal für tot erklärt wurde, nur um danach wiederaufzuerstehen. Und auch dieser Crash wird nicht das endgültige Aus für Kryptowährungen bedeuten, wie der Bitcoin-kritische Autor David Gerard in einem Interview mit dem Tech-Medium "Wired" erläutert.

Die Gier ist ein Hund

Der Grund dafür ist laut Gerard ein ganz einfacher: Es wird immer gierige und leichtgläubige Menschen geben, die auf schnelles Geld aus sind – und so lange wird es auch immer nach einem Preissturz vorkommen, dass Investoren angelockt werden und durch Zukäufe den Preis wieder steigen lassen. Auch den Vergleich mit Tulpenzwiebeln scheut er dabei nicht.

Dabei gebe es immer wieder schwindlige Projekte, die mit vermeintlich unlauteren Methoden auf das Geld leichtgläubiger Mitläufer aus sind – und auch beim Projekt Terra sind nun Klagen eingegangen. "Ich sage nicht, dass man mit Krypto kein Vermögen machen kann", sagt Gerard: "Aber Sie wetten darauf, ein schlauerer Hai zu sein als die Haie, die das Haifischbecken gebaut haben."

Unregulierter Markt

Ein besonderer Faktor in diesem Umfeld ist die Tatsache, dass es sich bei Kryptowährungen um einen unregulierten Markt handelt, der aber von vielen Investoren fälschlicherweise wie ein regulierter Markt behandelt wird. Hier beginnen Gesetzgeber allmählich, gegenzusteuern. So äußerte sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde jüngst abwertend gegenüber dem Bitcoin und rührte zugleich die Werbetrommel für den digitalen Euro.

Ein ursprünglich für die EU anvisiertes gänzliches Bitcoin-Verbot wurde letztlich – zumindest vorläufig – abgewehrt. Angenommen wurde jedoch der restliche Gesetzesentwurf, der unter der Bezeichnung "Markets in Crypto Assets" (MICA) die Regulierung von Kryptowährungen in der EU vorsieht.

Laut Gerard ist die kommende Regulierung – auch in anderen Wirtschaftsregionen wie den USA – eine gute Sache. Denn so solle verhindert werden, dass Crashs im Kryptomarkt eine gesamte Volkswirtschaft in die Tiefe reißen. Auch sollten laut seiner Ansicht Finanzinstitute daran gehindert werden, Kryptowährungen in Pensionsvorsorgeprodukte zu integrieren.

Nutzen in der echten Welt?

Abgesehen vom spekulativen Aspekt stellt sich die Frage, ob Bitcoin auch im realen Leben einen Nutzen haben wird – etwa als Zahlungsmittel. Denn immerhin waren die Initiatoren des Projekts mit dem ehrgeizigen Vorhaben gestartet, ein dezentrales Geldsystem ohne Notenbanken zu schaffen. Hier ist Gerard skeptisch und betont, dass jegliche Zukunftspläne im Konjunktiv formuliert werden – und sich somit auch als Luftschlösser entpuppen könnten.

In diesem Kontext machte Ende 2021 auch ein Video die Runde, in welchem ein Krypto-User in El Salvador ein Bier kauft. Der Prozess läuft – gelinde gesagt – eher schleppend.

Eine gänzlich andere Frage ist, ob die hinter dem Bitcoin liegende Blockchain-Technologie im echten Leben angewandt werden kann. Diese kann etwa genutzt werden, um Verträge fälschungssicher abzuschließen und den Besitz an Kunstwerken und Immobilien zu dokumentieren. Auch in Österreich wird an zahlreichen Projekten gearbeitet, die viel Potenzial zeigen.

Hier merkt Gerard allerdings an, dass all diese Szenarien nicht zwingend auf die Blockchain angewiesen sind, sondern auch ohne diese funktionieren könnten. Oder, wie es ein Manager auf einer Konferenz in Wien vor ein paar Jahren formulierte: "Blockchain: Lösung sucht Problem." (Stefan Mey, 25.5.2022)