Beim Thema Staatsbürgerschaften werden sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP, links) und Präsident Alexander Van der Bellen (rechts) nicht einig.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Dass die Staatsbürgerschaft ein hohes Gut ist, darüber sind sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ÖVP-Vertreter einig. Keinen Konsens gibt es bei der Frage, ob das österreichische Staatsbürgerschaftsrechts einer Reform bedarf. Zum Auftakt seiner Hofburg-Kampagne hat sich Van der Bellen für ebendiese ausgesprochen. Zu hoch seien die Hürden, zu lange müssten Antragssteller auf die Einbürgerung warten. Einen Zeitrahmen von sechs Jahren bis zur Erlangung könnte sich der Präsident vorstellen.

Die türkis-grünen Regierung reagierte prompt mit einer Absage – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte dazu am Mittwoch, er sehe "keinen Änderungsbedarf". Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ergänzte, im Regierungsprogramm sei Derartiges nicht vorgesehen.

Karner: "Kein Änderungsbedarf"

Angestoßen wurde die Debatte am Mittwoch durch folgende Worte Van der Bellens in der "Kronen Zeitung": "Ich finde, die Staatsbürgerschaft ist ja etwas ungemein Wertvolles, aber wir sollten nicht so tun, als wäre das etwas, das man sich 20 Jahre lang verdienen muss", sagte der Bundespräident. Als Wartezeit nannte er die sechs Jahre, allerdings ohne sich festzulegen: "Das werfe ich jetzt nur so hin."

Im Pressefoyer darauf angesprochen, sah Karner "keinen Änderungsbedarf". Die Staatsbürgerschaft sei ein "hohes Rechtsgut", es bedürfe aus seiner Sicht "keiner Nachbesserung oder Änderung".

Reserviert äußerte sich auch Zadić: "Wir haben keine Punkte im Regierungsprogramm aufgenommen. Wir arbeiten Schritt für Schritt das Regierungsprogramm ab", sagte sie lediglich.

Schreckensgespenst Entwertung

Ablehnung zu Van der Bellens Vorschlag kam wenig überraschend auch von der FPÖ. Der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz meinte via Aussendung, mit dieser Haltung wolle Van der Bellen Punkte bei Wählern von SPÖ und Grünen sammeln. Andererseits wolle er mit einer Diskussion über Neutralität und EU-Armee Stimmen im Lager von ÖVP und Neos sammeln. Als Gegengewicht zur schwarz-grünen Bundesregierung bedürfe es dagegen eines Bundespräsidenten, der Rückgrat und Haltung zeige.

In die gleiche Kerbe schlug auch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner: Ein Staatsbürgerschaftsautomatismus würde Masseneinbürgerungen auslösen, behauptete Sachslehner. Wenn tatsächlich alle Menschen, die länger als sechs Jahre in Österreich leben, die Staatsbürgerschaft bekommen würden, ohne weitere Kriterien erfüllen zu müssen, gäbe es auf einen Schlag "hunderttausende neue Österreicherinnen und Österreicher". Wer die Staatsbürgerschaft erlangen wolle, müsse einen Beitrag für die Gesellschaft leisten und sich zuvor in Österreich integrieren.

Hohe Hürden

Dabei spart Sachslehner freilich aus, dass Betroffene zahlreiche andere Kriterien erfüllen müssen: Wer etwa einen schlecht bezahlten Job hat, kein B2-Niveau in Deutsch spricht oder in einem Zeitraum von zehn Jahren auch nur für einige Monate im Ausland lebte, verspielt ohnehin seine Chance auf Einbürgerung. Dazu kommen etwa in Wien Missstände bei der Einwanderungsbehörde MA 35, die dazu führten, dass sich Staatsbürgerschaftsanträge nach wie vor um Jahre verzögern.

Zustimmung zu Van der Bellens Vorstoß kam daher von SOS Mitmensch. Laut Studien gehe kein anderes Land in der EU restriktiver beim Zugang zur Staatsbürgerschaft vor, hieß es in einer Aussendung. (etom, APA, 25.5.2022)