Bundespräsident Alexander Van der Bellen setzt zu Beginn seiner Kampagne zwei Zeichen, mit denen er sich nicht nur Freunde macht.

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Der Wahlkampf – wenn diese Umschreibung für eine Bestätigung im Amt nun einmal angewendet wird – begann mit einem kleinen Scherz und zwei Vorleistungen auf den wiederholt vernommenen Wunsch, der Bundespräsident möge sich in seiner zweiten Periode etwas mehr trauen als in der ersten. Er werde keinerlei Ressourcen der Präsidentschaftskanzlei zu Wahlwerbezwecken nutzen, beteuerte Alexander Van der Bellen bei der Bekanntgabe seiner Wiederkandidatur. Wobei unter den Tisch fiel, dass die größte Ressource aus dieser Kanzlei naturgemäß er selber ist, und eine überzeugendere kann es nicht geben. Das ist der Bonus eines gesunden Durchhaltevermögens. Ob Hund Juli der Präsidentschaftskanzlei zuzurechnen ist, bleibt offen, ist aber als Ressource in der Werbung um ein haustierliebendes Publikum nicht zu unterschätzen.

Zeichen gesetzt

Was die Aufforderung zu mehr Courage betrifft, hat Van der Bellen gleich zu Beginn der Kampagne zwei Zeichen gesetzt, die derzeit nicht nach jedermanns Geschmack sein dürften. Der heimischen Nato-Lobby, die in Briefen und Artikeln um Meinungsführerschaft in Neutralitätsfragen ringt, hat er wohltuend die Forderung entgegengehalten, nicht so bellizistisch zu denken und das Heil nur im Beitritt zu einem Militärpakt zu sehen. In einem Militärpakt nebenbei, in dem womöglich demnächst ein Gesinnungsgenosse Donald Trumps oder dieser selbst den Ton angibt.

Damit hat sich Van der Bellen nicht nur Freunde gemacht, ebenso wenig wie mit seiner Forderung nach einer längst fälligen Herabsetzung der Hürden für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Landsleute, die ein derart hohes Gut am liebsten allein durch Vererbung von autochthonen Eltern bewahrt wissen wollen, werden eine Bedrohung des Homo Austriacus durch hier geborene Kinder von ausländischen Staatsbürgern kritisch sehen, Europäische Union hin oder her. Die ÖVP hat sich einer Wahlempfehlung für Van der Bellen bisher entschlagen, was ein Zeichen schnöden Undanks ist. Mit seiner Kandidatur für eine zweite Amtsperiode hat Van der Bellen ihr und der SPÖ eine Wiederholung des Traumas von 2016 erspart, als deren Kandidaten sang-, klang- und ruhmlos untergingen.

Respekt vor Leistung oder hörbares Aufatmen

Beide Parteien waren nicht imstande, in den Jahren seither Persönlichkeiten hervorzu- und auch ins Spiel zu bringen, deren Glaubwürdigkeit für das Amt des Staatsoberhaupts sich dem Wahlvolk aufgedrängt hätte. Und die, die es vielleicht gibt, haben kein Interesse gezeigt, gegen einen amtierenden Kandidaten anzutreten. Es macht aber einen Unterschied, ob Parteien aus Respekt vor dessen Leistung niemanden ins Rennen schicken oder ob sie hörbar aufatmen, weil gar nicht erst gefordert gewesen zu sein. Das ist ein demokratiepolitisches Versagen der Parteien, deren Aufgabe es ja gerade wäre, Kandidaten für öffentliche Ämter zu produzieren. Dieser Aufgabe nachzukommen werden sie bis zur nächsten Wahl eines Bundespräsidenten zwölf Jahre Zeit gehabt haben. Vielleicht klappt’s ja dann.

Umgekehrt bedeutet das aber nicht, Herbert Kickl tue der Republik mit der Aufstellung einer FPÖ-Kandidatin Gutes. Wer Van der Bellen einen "Staatsnotar des Totalitarismus" nennt, hat jeden Anspruch verwirkt, als Demokrat ernst genommen zu werden. (Günter Traxler, 26.5.2022)