Der Emissionshandel betrifft bis dato vor allem die Industrie. Die EU will ihn auf Gebäude und Verkehr ausweiten.

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Mitten in die Verhandlungen zum neuen Emissionshandel der EU platzte vergangene Woche ein umstrittener Vorschlag der Europäischen Kommission: Um den Ausstieg aus Gas, Öl und Kohle aus Russland zu finanzieren, sollen zusätzliche CO2-Zertifikate verkauft werden – eine Maßnahme, die aus Sicht von Kritikerinnen und Kritikern zu mehr statt weniger Emissionen führen würde und damit die ambitionierten Klimaziele der EU konterkariert.

Eigentlich hat das Emissionshandelssystem (ETS), das mittlerweile seit 2005 wirksam ist, das Ziel, den Ausstieg aus fossilen Energien voranzutreiben. Unternehmen, die Emissionen verursachen, müssen Zertifikate kaufen, die im Laufe der Zeit teurer werden. Das soll sie motivieren, früher auf klimafreundliche Technologien umzusteigen. Im Rahmen des Green Deals will die EU nun deutlich nachschärfen.

Frage: Wie funktioniert der Zertifikatehandel?

Antwort: Jedes Unternehmen, das Treibhausgase verursacht, muss sich sogenannte Verschmutzungsrechte kaufen und damit pro Tonne CO2 einen bestimmten Preis zahlen. Wenn Unternehmen die Emissionszertifikate nicht nutzen, weil sie klimafreundlich produzieren, können sie sie weiterverkaufen.

Frage: Welchen Vorteil hat dieses System?

Antwort: Der Preis für eine Tonne CO2 entsteht durch Angebot und Nachfrage am Markt. Die Zahl der Zertifikate ist allerdings begrenzt und wird laufend reduziert. Deshalb steigt der Preis pro Tonne kontinuierlich und mit ihm auch der finanzielle Anreiz, auf klimafreundlichere Technologien umzusteigen.

Frage: Warum war der Zertifikatehandel bisher wenig erfolgreich?

Antwort: Die Reduktionsziele des ETS waren bis dato wenig ambitioniert und nicht ausreichend, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Um EU-Unternehmen vor billigerer Konkurrenz zu schützen, wurden viele Zertifikate kostenlos vergeben. Das führte dazu, dass mehr Emissionsrechte am Markt waren, als die Industrie brauchte. Die Preise blieben daher niedrig und lagen jahrelang bei rund fünf Euro pro Tonne. Zuletzt sind sie gestiegen. Derzeit kostet eine Tonne rund 80 Euro.

Frage: Was soll sich nun ändern?

Antwort: Die Verhandlungen zwischen den Institutionen befinden sich mittlerweile im Endspurt und könnten im Juni abgeschlossen werden. Umstritten sind dabei vor allem drei Punkte:

1. Gebäude und Verkehr

Der Emissionshandel gilt derzeit für den Stromsektor, Teile der Industrie und die Luftfahrt. Vergangenes Jahr hatte die EU-Kommission im Rahmen ihres Green Deals vorgeschlagen, das System auch auf den Straßenverkehr und auf Gebäude auszudehnen. In Deutschland sind die Bereiche bereits Teil des Emissionshandels. Österreich setzt ab Juli 2022 auf eine eigene CO2-Steuer, die später in den europäischen Mechanismus integriert wird. Gelten könnte das neue System in der EU bereits ab 2026, sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher. Das Europäische Parlament will angesichts der hohen Energiepreise einen Kompromiss: Verbraucher sollen erst ab 2029 dazukommen.

2. Kostenlose Zertifikate

Bis dato werden die CO2-Zertifikate zum Teil gratis vergeben, damit EU-Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten in Übersee keinen Nachteil haben. Denn in den USA oder in China, wo teilweise niedrigere UmweltStandards gelten, können Betriebe oft billiger produzieren. Die Vergabe von kostenlosen Zertifikaten wird nun aber schrittweise zurückgefahren und soll laut dem Europäischen Parlament 2030 vollständig enden. Für Vertreter der Industrie kommt das zu früh. Die Wirtschaftskammer beklagt etwa die "völlig unnötige, vorschnelle Einstellung". Die EU-Kommission schlägt einen Kompromiss vor: Die Zuteilung von kostenlosen Zertifikaten soll erst im Jahr 2035 auslaufen.

3. Klimazoll auf Importe

Als Ersatz für die Vergabe kostenloser Zertifikate will die EU-Kommission ab 2026 einen Klimazoll einführen. Produkte, die in ihren Herkunftsländern keiner CO2-Bepreisung unterliegen, sollen mit einem Zoll belegt werden, der die Kosten für den EU-Zertifikatehandel widerspiegelt. Europas Unternehmen könnten so auch künftig vor den Importen billigerer Konkurrenz geschützt werden. Laut dem Forschungsinstitut Eco Austria ist es aber problematisch, dass keine Exportbefreiungen geplant sind. Für EU-Unternehmen wäre es künftig deshalb schwieriger, außerhalb Europas zu konkurrieren. Geplant ist der Zoll vorerst nur für Grundstoffe wie Zement, Stahl, Düngemittel und Strom. (Jakob Pflügl, 27.5.2022)