Sie hat als Kind klassische Gitarre gelernt, in ihrer Jugend Black Metal und Noise gehört und gemacht und ist nun beim Pop angekommen: die facettenreiche Wahlwienerin Veronika König.

Foto: Apollonia T. Bitzan

Veronika König redet schnell. Die Hälfte auf Deutsch, die andere machen popkulturelle Wendungen auf Englisch aus, wie sich das für junge Millennials – König ist 25 – eben gehört. König liest aber auch Walter Benjamin, konkret beschäftigte sie sich parallel zur Albumfertigstellung mit seinem Kurztext Haschisch in Marseille. Die Art, wie Benjamin seine Drogenerlebnisse schildert – dieses psychedelische Gefühl wollte sie mit ihrer Musik evozieren. Auch über ihre Schwarzwälder Herkunft hat sie etwas Literarisches zu berichten: "Ich komme aus Calw, der Stadt, aus der Hermann Hesse stammt und über die er Unterm Rad geschrieben hat. Eine Stadt, die so extrem schlimm und deprimierend ist, dass er sich umbringen wollte. I related to him."

Schreiende Männer

Mit fünf Jahren bekam König, Tochter eines Klarinettisten und einer Geigerin, ihre erste Ikea-Sperrholz-Gitarre und wurde schnell zum Kind mit Hemdchen und Anzughose, das klassische Gitarre bei Wettbewerben spielte. In ihrer Jugend hielt dann die E-Gitarre Einzug ins Kinderzimmer. Statt Bach interessierte sich König nun für Harsh Noise, Black Metal und jede Musik, die "so schlimm war, wie es irgendwie geht". Sie spielte dann in einigen Bands und hatte mit der Formation Boden, die eine Mischung aus Black Metal und Shoegaze machte, früh Erfolg.

FARCE

Irgendwann ertrug sie den Lärm nicht mehr. "Wenn du dir ab dem Alter elf jeden Tag Musik anhörst, in der dich Männer anschreien, dann macht das etwas mit dir." König packte mit 18 ihre sieben Sachen, zog zum Studium nach Wien und dachte sich: "Scheiß auf alle anderen, it’s me and my laptop from now on." Statt schreiender Männer, statt Noise Pop hörte sie nun verstärkt Beyoncé, statt mit Band versuchte sie es allein.

Trotzdem dauerte es ein bisschen, bis ihre Musik durchlässig für die neuen, fröhlicheren Einflüsse wurde. Nach dem sehr guten, aber schwer dunklen Mini-Album, dessen Titel Ich sehe im vorbeifahrenden Auto den Unfall mitvorbeifahren in Zeitlupe und rückwärts vermuten lässt, wie es klang, folgte 2018 das Album Heavy Listening, das sich bereits stärker in Richtung Tanzbarkeit bewegte, aber etwas lichtscheu, verkopft und eben heavy blieb. "Die Sperrigkeit, aber sicher auch Experimentierfreudigkeit des Albums waren eine akkurate Spiegelung meines depressiven Zustands. Ich war ja auch noch ziemlich jung, kaum 20, als ich das Album schrieb und dementsprechend unsicher." Nun legt König mit Not to Regress ein poppiges Werk vor, das zwar immer noch in der Melancholie verwurzelt ist, Traurigkeit und Fröhlichkeit aber eher als zwei Seiten derselben Medaille präsentiert.

FARCE - Topic

Mama Morgana zum Beispiel, eine Upbeat-Nummer, die aber elegisch ist und ideal in eine Partyszene einer gehypten Netflix-Serie passen würde: Coming-of-Age-Plot, ein Freundeskreis mit schönen, coolen Menschen, die alle größere und kleinere Beziehungsprobleme haben. Sally Rooney lässt grüßen. Oder auch das tolle Come Close to Me (or Let It Go).

Es ist persönliche Musik, die aber stellvertretend für das Lebensgefühl junger Erwachsener mit all ihren Zweifeln steht und sicher auch das Potenzial hat, auf einer Plattform wie Tiktok viral zu gehen. Auch wenn Farce natürlich keinen Mainstream-Pop macht – dafür sind die Instrumentierungen, wiewohl sehr gut produziert, zu indie und die Songstrukturen zu vertrackt.

Ein bisschen famous

Aber wäre sie überhaupt bereit für den großen Fame? "Dass mich jeder kennt oder erkennt, brauch ich jetzt eigentlich nicht. Wenn du 1,90 groß bist, besonders am Dorf, und einen Buzz Cut trägst, bist du eh immer ein bisschen famous, einfach weil du anders bist."

Farce, die der Musikindustrie kritisch gegenübersteht und ihre Musik deshalb lieber selbst veröffentlicht, weiß, dass virale Momente nicht vom Himmel fallen und man sehr viel Zeit in die ganze Marketing- und Promoseite der Musik stecken müsste. Jemanden wie sie, der aus dem musikalischen Untergrund kommt, ekelt das natürlich auch an.

Außerdem waren ihre Prioritäten anders gelagert. Lieber engagierte sich König in der Nachwuchsförderung, gab und gibt zum Beispiel Workshops für junge Frauen, die lernen wollen, wie man Musik produziert. Sie weiß aber, dass sie das mit der "shameless self-promotion" jetzt langsam angehen muss. Nicht nur damit sie endlich "Gratissachen zugeschickt bekommt", wie sie lachend sagt, sondern auch weil ihre Musik mehr Leute hören sollten. Sie fühlt sich gut. Sie ist bereit. (Amira Ben Saoud, 27.5.2022)