Simon Couvreur wohnt in einer inklusiven Wohngemeinschaft im Wiener Nordbahnviertel. Hier freut er sich immer wieder über spannenden Besuch – und träumt hin und wieder vom Meer.

"Vor drei Jahren haben meine Eltern gemeinsam mit den Eltern einiger Freunde diese Wohnung im zweiten Bezirk gefunden und eine WG gestartet, damit Menschen mit Behinderung hier selbstständig leben können. Dafür haben sie auch einen Verein gegründet. Das hat wirklich lange gedauert.

Simon Couvreur in seinem eigenen Zimmer. Es ist sein Lieblingsort in der Wohngemeinschaft.
Foto: Lisi Specht

Neun Menschen wohnen hier insgesamt, fünf Menschen mit und vier ohne Behinderung, und Maria, die hier zwar nicht wohnt, aber unter der Woche am Nachmittag da ist. Sie hilft uns und schaut, dass unser Zusammenleben funktioniert.

Wir sind keine Wohngruppe, sondern eine Wohngemeinschaft, das ist wichtig. Insgesamt ist die Wohnung fast 300 Quadratmeter groß. Mein Zimmer hat 20 Quadratmeter und ein eigenes Bad, andere Zimmer sind ein bisschen kleiner. Ich habe das Zimmer mit meinen Eltern eingerichtet, die Möbel sind von Ikea. Mir gefallen helle Farben und Glas, damit man durchsehen kann. Ich mag meinen Schreibtisch, weil ich viel arbeite. Ich schreibe gerne Gedichte.

Mein Zimmer ist mein Lieblingsplatz. Es ist etwas ganz Besonderes, weil es so groß ist, dass sogar der Wäscheständer Platz hat. Manchmal kommen meine Eltern, sie wohnen ganz in der Nähe. Die Vorhangstange hat mein Papa montiert, sie ist zu hoch, finde ich. Das muss man noch ein bisschen verbessern. Aber sonst ist fast alles fertig.

Helle Möbel und viel Glas – so hat Simon Couvreur sich sein Zimmer eingerichtet. Die Pokale von Tanzwettbewerben haben einen besonderen Platz bekommen. Am Esstisch trifft sich die WG.
Fotos: Lisi Specht

Ich bin aus der Wohnung meiner Eltern aus- und hier eingezogen. Das war am Anfang schwierig. Aber ich besuche sie oft. Und hier wohne ich mit meinen Freunden zusammen. Wir spielen gemeinsam, ich mag Mensch ärgere dich nicht. Oder wir spielen Spider-Man auf meiner Playstation. Manchmal haben wir auch Partys.

Ich kann hier selbstständig leben und zahle meine eigene Miete, weil ich Geld verdiene. Mir ist wichtig zu zeigen, dass Menschen mit Downsyndrom ganz selbstständig wohnen können. Ich kann mich zum Beispiel alleine rasieren, nur die Haare muss mir mein Papa schneiden. Und ich putze selbstständig. Heute habe ich aber noch nicht geputzt, weil Putztag ist immer Donnerstag!

Corona, das war bitter. Es war schlimm. Wir waren alle in Quarantäne und mussten drinnen bleiben. Das war für mich unverständlich.

Ich bin also in meinem Zimmer geblieben, hab Polizeifilme geschaut, weil ich ein großer Fan von Polizeifilmen bin, und von Politikern und Bundespräsidenten, von denen hab ich schon einige getroffen. Sogar der Hanno Settele vom ORF war in dieser Wohnung schon zu Gast, weil er einen Beitrag gemacht hat über uns.

In der WG-Küche wird gern gekocht. Das Wohngespräch wurde im Kalender eingetragen.
Fotos: Lisi Specht

Im Lockdown konnten wir auch nicht tanzen, das war total traurig. Ich hab das fast nicht ausgehalten. Aber dann haben wir alleine in unseren Zimmern getanzt und uns über die Kamera gesehen. Wir machen nicht nur Hip-Hop, wir machen Hip-Hop-Dance.

Ich habe schon einige Tanzwettbewerbe gewonnen, war in Moskau, in Albanien und Deutschland und bei den Special Olympics. Ich tanze viel und habe viele Auftritte, weil ich Künstler und Schauspieler bin. Ich hab auch schon den Opernball eröffnet und Walzer getanzt. Das war ein großes Erlebnis.

Wir haben in unserer WG gemeinsam Regeln erarbeitet, zum Beispiel dass man ein Zimmer nicht einfach so betritt, sondern dass man anklopft. Da gibt es eine Grenze, das ist Privatsphäre. Und dass wir beim Esstisch nicht mit dem Handy spielen. Und dass wir nur am Esstisch essen. Man muss den Menschen Respekt zeigen und lieb sein.

Und wir haben einen Wochenplan, auf dem bestimmte Aufgaben stehen, für die man sich eintragen muss. Den Frühdienst mag ich nicht so gern, weil um 6.30 schlafe ich noch. Aber ich koche gern, meistens vegetarisch, nur ganz selten mit Fleisch. Meine Aufgabe ist auch, den Tisch nach dem Essen abzuwischen.

Ich liebe Mitbewohner. Aber ich will noch selbstständiger werden und irgendwann alleine wohnen. Auch wenn das noch ein bisschen schwierig ist. Wovon ich träume? Wir haben mal in Frankreich gelebt, weil mein Papa Franzose ist. Kennst du den Film Willkommen bei den Sch’tis? Genau da ist mein Papa aufgewachsen. Ich liebe das Meer!" (30.5.2021)