Die Suche nach dem köstlichsten Huhn ist eine Lebensaufgabe, die sich wohl nie abschließen lässt. Weil aber hier noch mehr als sonst der Weg das Ziel ist und man schließlich irgendwo anfangen muss, haben Heinrich S. und ich versucht, eine Frage zu klären, die uns schon länger beschäftigt: Wird das Bresse Gauloise seinem Ruf als "Königin des Geflügels, Geflügel für Könige" gerecht?

Konkret wollten wir zwei Fragen klären. Erstens: Schmeckt das Bresse in einem direkten Vergleich tatsächlich so viel besser als andere, weniger prominente Hühnerrassen? Und zweitens: Ist ein Bresse so gut, weil es eben ein Bresse ist, oder einfach, weil es zu Lebzeiten (und danach!) besonders fürsorglich behandelt wurde? Wir haben uns daher an einen Vergleichstest gemacht.

Bresse, Marans, Bio-Hendl – welches Huhn schmeckt am besten?

Luxusvögel versus Bio-Hendl

Das Bresse stammt aus Ostfrankreich und ist unter Geflügel-Connaisseuren legendär. Wenn Sie in einem Drei-Sterne-Restaurant Huhn bekommen, stehen die Chancen sehr gut, dass es ein Bresse ist. In Österreich waren Bresse lange nur mühsam und ausschließlich als Importware erhältlich, in den vergangenen Jahren haben aber vermehrt Menschen begonnen, es auch hier zu züchten.

Der vielleicht beste heimische Bresse-Kenner, Patrick Birkl (Blogleser kennen ihn schon länger), hat uns freundlicherweise gleich zwei Hühner aus seiner Zucht zur Verfügung gestellt: einmal ein reinsortiges Bresse Gauloise, einmal eine Mischung aus Bresse und Marans, einer ebenfalls französischen, weniger berühmten Hühnerrasse aus dem späten 19. Jahrhundert. Um den Vergleich ein wenig alltagsrelevanter zu machen, haben wir uns außerdem noch ein Referenzhuhn aus dem Supermarkt besorgt – ein Bio-Wiesenhendl von Ja! Natürlich, also kein ganz schlechtes, damit es die Edelpoularden nicht zu leicht haben.

Bresse und Bresse/Marans sind gemeinsam auf dem gleichen Hof aufgewachsen und haben daher ein ziemlich identes, schönes Leben genossen, zumindest was Futter, Auslaufmöglichkeiten und sonstige geschmacksprägende Bedingungen angeht (über etwaige persönliche Schicksale und Vorlieben kann ich leider nichts sagen). Soll heißen: große Streuobstwiese, großer Stall, ganzjährig Auslauf, ein wenig Kraftfutter und stolze sechs Monate vom Schlüpfen bis zur Schlachtung. Zum Vergleich: Ein konventionelles Supermarkthuhn wird etwa sechs bis sieben Wochen alt. Das Bio-Huhn bekommt laut Website immerhin doppelt so viel Zeit.

Keulen und Brüste

Optisch waren die drei leicht zu unterscheiden: Das Referenzhuhn war deutlich gelber als die Edelpoularden, ich nehme an, dass sie auf dem Feld im Spätherbst einfach nicht mehr so viel frisches Gras und vor allem weniger Mais gefressen haben. Bresse und Marans haben sich außerdem anders angefühlt als das Supermarkthendl: Ihr Fleisch war merkbar fester. Das Supermarkthuhn hatte zudem bei ähnlicher Gesamtgröße die kleinsten Beine und die größte Brust – für Keulenfreunde wie mich ein Nachteil.

Heinrich S. hat alle drei zerlegt und entbeint, dann haben wir die Keulen und die Brüste jeweils gemeinsam (also Keulen mit Keulen, Brüste mit Brüste) in einer Pfanne in Butter gebraten und dann im Rohr gar ziehen lassen. Um den Geschmack möglichst wenig zu verfälschen, haben wir sie nur mit Salz gewürzt.

Dreimal entbeintes Huhn.
Mit einem Fleischbeschwerer wird die Haut gleichmäßig knusprig.

Das Referenzhuhn hat in der Pfanne die am schönsten gebräunte und knusprigste Haut entwickelt (kein Wunder, hat Heinrich S. gemeint, es war ja immerhin das mit Abstand jüngste) und hat ausgesprochen, nun ja, huhnig geschmeckt, wie das Klischee eines Huhns. Das Fleisch war kurzfasrig, zart und ein wenig klebrig, was wohl an der vielen Gelatine liegt, die junge Tiere noch haben.

Das Bresse war da ein anderes Kaliber: fester, kernig im Biss, trotzdem sehr saftig und mit tiefem, in die Wild- oder Entenrichtung gehenden Geschmack. Bloß die Haut war ledriger als beim Bio-Huhn. Das Marans lag irgendwo dazwischen: die Konsistenz eher beim Bresse, der Geschmack eher beim Referenzhuhn. Seine Brust war außerdem die trockenste der drei. Alle Geschmacks- und Konsistenzunterschiede zwischen den drei waren deutlicher ausgeprägt bei den Beinen als bei den Brüsten.

Die knusprigste Haut hatte das Bio-Hendl.

Zahlt sich ein Edelhuhn aus?

Um unsere Eingangsfragen zu beantworten: Ein Bresse ist ziemlich sicher köstlicher als andere Hühner, und diese Köstlichkeit ist zumindest teilweise ziemlich sicher genetisch bedingt. Zum sorgfältigen Schmoren, als liebevoll und langsam eingebratener Festtagsbraten (oder sous vide gegarte Beine) zahlt sich die gelegentliche Investition in ein Bresse definitiv aus, wenn einem 30 Euro wurscht sind – im Vergleich zu einem viel weniger guten Restaurantessen für zwei immer noch wenig Geld. Auch als bei niedriger Temperatur butterweich geschmortes Grillhuhn könnte ich mir ein Bresse sehr gut vorstellen. (Ich bin ja generell zu der Überzeugung gelangt, dass Hühnerbeine am allerbesten sind, wenn sie gnadenlos weich gebraten wurden, so kurz vor der Pulled-Chicken-Konsistenz. Zumindest, wenn sie ordentlich fett sind, wie italienische Maishühner. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Das Wiesenhendl hat sich, finde ich, wacker geschlagen. Wer ein schnelles, unkompliziertes Brat- oder Grillhuhn sucht, der ist mit ihm besser bedient als mit den Edelvögeln. Dem Marans stehe ich nach dem Test etwas skeptisch gegenüber. Der Herr Birkl ist nach meinem Feedback zu einer Verteidigung des Marans ausgerückt und hat auch sonst einiges Interessantes geschrieben – wer will, kann das hier im Newsletter nachlesen.

Zahlreiche Hühnerfragen sind bei dem Test unbeantwortet geblieben: Haben wir einfach nur ein schlechtes Marans erwischt? Wie schmeckt ein reguläres Haushuhn, das genauso alt werden durfte wie ein Bresse? Und wie schlägt sich zum Beispiel die österreichische Traditionsrasse der Sulmtaler im Vergleich? Mehr Experimente und Brathühner sind erfreulicherweise nötig. (Tobias Müller, 29.5.2022)