Komplikationen im Stangenwald: Im Skizirkus geht es drunter und drüber.

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Frechheit siegt. Nach der Wiederwahl von Johan Eliasch zum Präsidenten des internationalen Skiverbands (Fis) brachte die Entourage des schwedisch-britischen Milliardärs tatsächlich in Umlauf, das Voting wäre "einstimmig" ausgefallen. Nicht wenige Medien übernahmen den Spin, dass bei der Fis-Generalversammlung beim Kongress in Mailand alle anwesenden Delegierten für Eliasch gestimmt hätten. Alle 70, hieß es vielleicht noch da und dort.

70 von 115 stimmberechtigten Delegierten, so muss es richtig heißen. Denn alle anderen hatten aus Protest gegen Eliasch und gegen das Wahlprozedere vor der Abstimmung den Saal verlassen. Ein denkwürdiger, historischer Aufstand gegen die Verbandsführung. Die Fis steht nicht vor, sondern mitten in einer Zerreißprobe. Nicht wenige der größten und wichtigsten Skinationen haben sich gemeinsam gegen Eliasch erhoben, allen voran Österreich, Deutschland, die Schweiz, Frankreich, Norwegen, Schweden und Finnland. Es ist laut STANDARD-Informationen durchaus wahrscheinlich, dass sie Eliaschs Wahl anfechten werden.

Bedauern

Dabei war Eliasch (60), der Vorstandsvorsitzende des Sportartikelherstellers Head, erst im Juli ins Amt gekommen, auch dank der Unterstützung des früheren ÖSV-Präsidenten Peter Schröcksnadel. In Mailand wurde Schröcksnadel (80), der zuletzt noch als Fis-Vizepräsident wirkte, endgültig in die Pension verabschiedet, man dankte dem Tiroler für seine Verdienste, er bekam viel Applaus. Dem Vernehmen nach bedauert er mittlerweile, dass er seinerzeit vom Schweizer Kandidaten Urs Lehmann ins Lager von Eliasch überlief und diesem als Steigbügelhalter diente.

Schröcksnadels Nachfolger im 18-köpfigen Fis-Vorstand (14 Männer, vier Frauen) ist Patrick Ortlieb, der ÖSV-Vizepräsident erzielte bei der Abstimmung mit 105 Stimmen und 91,30 Prozent Zustimmung das sechstbeste Resultat aller Kandidatinnen und Kandidaten. Sozusagen als 18. zog die Neuseeländerin Fiona Stevens in den Vorstand ein, doch selbst sie erhielt noch 78 Stimmen (67,83 Prozent) – acht Stimmen mehr als Eliasch (60,87 %).

Doch wieso musste just der Mann an der Spitze, noch dazu der einzige Kandidat fürs Präsidentenamt, eine derart schallende Ohrfeige hinnehmen? Nun, Eliasch hat weite Teile der Skiwelt vor den Kopf gestoßen, als er sein sogenanntes "Concorde Agreement" öffentlich machte, demzufolge die Fis so gut wie alle Marketingrechte fast über Nacht an sich ziehen würde. Jene Verträge, die viele Verbände auf Jahre hinaus mit unterschiedlichen Vermarktern abgeschlossen hatten, wären nach Fis-Meinung schlagartig null und nichtig. Dass Eliasch all diese Pläne Anfang April bekanntgab, war garantiert kein Zufall – schließlich war Ende März, also wenige Tage zuvor, die Bewerbungsfrist für Fis-Ämter abgelaufen.

Widerstand

Eine Gegenkandidatur konnte es also nicht mehr spielen, Widerstand aber sehr wohl. Zunächst hatte der US-Amerikaner Dexter Paine, (später abgewählter) Fis-Vizepräsident und Eliasch-Gefolgsmann, den Antrag gestellt, den Präsidenten per acclamationem im Amt zu bestätigen. Da wollten die Eliasch-Gegner nicht mehr mit, und es war just der österreichische Delegierte, ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer, der das Wort ergriff und beantragte, die Abstimmung möge geheim erfolgen. Zudem präsentierte der Österreicher einen Brief, in dem insgesamt 15 Nationen ihre Bedenken gegen den Wahlvorgang präsentierten.

Scherer bestätigt dem STANDARD: "Einer hat ja aufstehen müssen. Wir sind der Meinung, dass eine Wahl nicht so ablaufen kann. Man hat, wenn man anwesend war, ja gar nicht gegen, sondern nur für Eliasch stimmen können." Selbst wenn alle Delegierten bis auf einen einzigen den Saal verlassen hätten, wäre die Wahl als einstimmig verkündet worden, und Eliasch hätte sich zum Präsidenten erklärt. "Das deckt sich nicht mit unserem Rechts- und Demokratieverständnis", sagt Scherer.

Aus seiner Enttäuschung über Eliasch macht der ÖSV-Generalsekretär wenig Hehl. Diesem hätte eigentlich selbst an einem ordentlichen Wahlprozedere gelegen sein müssen. "Und er hätte mit einigen wenigen Sätzen, mit etwas Demut und Selbstreflexion auch einiges bewegen können." Doch Demut und Selbstreflexion hat es nicht gespielt. "Jeder hat halt seine Charaktereigenschaften", sagt Scherer. Und er betont die Bedeutung der Verbände, die sich gegen Eliasch stellten. "Da sind viele große Skiländer dabei. Wir sind wichtig für diesen Sport. Wir organisieren tolle Veranstaltungen, und wir bringen viele Stars an den Start."

Einmischung

Ursprünglich hatte Eliasch als Hoffnungsträger gegolten, er war angetreten, den Skisport besser zu vermarkten. Doch schon seine Einmischung in den alpinen Rennkalender 2022/23 stieß vielen vor den Kopf. Die ersten Speedrennen sollen einen Monat früher als üblich stattfinden, das wird viele Teams dazu zwingen, im Sommer zum Training in die südliche Hemisphäre zu reisen. Zudem sind nicht wie bisher einer, sondern zwei Rennblöcke in den USA vorgesehen. All das wird den CO2-Fußabdruck des Ski-Weltcups deutlich vergrößern. Vor seiner Wahl hatte Eliasch ganz anders getönt, danach dachte er sogar über Rennen in Dubai nach.

Der "Süddeutschen Zeitung" teilte Eliasch kürzlich mit, man arbeite "furchtlos und unermüdlich" mit allen Beteiligten daran, den Skisport "Schritt für Schritt" zu verbessern. Viele der Beteiligten befürchten freilich schlagartige Verschlechterungen für den Skisport. Eliaschs Wiederwahl soll angefochten werden. "Ich gehe davon aus", sagt ÖSV-General Scherer, "dass es rechtliche Schritte geben wird." (Fritz Neumann, 27.5.2022)