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Pro Altbau, Julia Beirer:

Die Maklerin steckt den Schlüssel ins Schloss, und mit der über drei Meter hohen Wohnungstür öffnet sich eine neue Welt: die des Altbaus, des Fischgrätparketts, der Kastenfenster, der hohen Decken und der gedeckelten Mieten. Im ersten Stock des Gründerzeithauses in der Neuhauserstraße im Innsbrucker Stadtteil Wilten, nahe dem Westbahnhof, bin ich mit 18 Jahren in meine erste eigene Wohnung gezogen. 15 Jahre später habe ich den Altbau noch immer nicht verlassen. Also konkret diesen einen in Innsbruck schon, aber nur, um in andere alte Häuser zu ziehen.

Umso älter sie nämlich sind, desto mehr Handwerk verbirgt sich darin. Angefangen bei der eisernen Haustür, die nur mit vollem Körpereinsatz geöffnet werden kann, über die mit Rissen durchzogenen Waschbecken im Gang bis hin zum knarrenden Empfang des Fischgrätparketts in der Wohnung.

Das Wohnen im Gründerzeithaus hat aber auch für nostalgiebefreite Pragmatiker Vorteile.

Der Mietzins als Asset

Beginnen wir beim aussagekräftigsten: dem Preis. Häuser, die vor 1945 eine Baugenehmigung erhalten haben, unterliegen dem Vollanwendungsbereich des österreichischen Mietrechtsgesetzes. Das bedeutet, die Miete ist gedeckelt.

Mittlerweile wohne ich in einem Altbau in Wien. Der Richtwert, der Basiswert für die Hauptmiete im Altbau, wurde heuer nach zweijährigem Aussetzen und längerem Hin und Her an die Inflation angepasst. Die Teuerung ist mit rund sechs Prozent eklatant, und trotzdem – verglichen mit Neubaupreisen – leistbar. Der Quadratmeter kostet nun 6,15 Euro. Dieser angenehme Kostenfaktor ist der alten Baustruktur zu verdanken. Und die hat neben Vorteilen – traumhafte Fassaden, großzügige Raumaufteilung sowie -höhe und dadurch viel Licht – auch Nachteile. Alte Kastenfenster etwa, durch die Winter wie Sommer ein ungewollter Luftzug pfeift.

Auch das erinnert an alte Zeiten und daran, wie unangenehm das Leben ohne Zentralheizung gewesen sein muss. Mehr Möglichkeiten, als die Vorhänge zuzuziehen, gibt es großteils immer noch nicht. Und wenngleich auch Pflanzen dieses Klima mehr als den dicht gebauten Neubau schätzen, wird sich in den nächsten Jahren etwas ändern (müssen). Das liegt ganz einfach daran, dass der Bodenverbrauch bis 2030 von 11,5 auf 2,5 Hektar pro Tag reduziert werden soll bzw. muss. Bestehende Strukturen rücken also in den Fokus, und das bedeutet – hurra! – thermische Sanierungen.

Neue (Kasten-)Fenster sind da erst der Anfang; Aerogel-Putz dämmt rund um Ornamente historischer Fassaden, Außenrollos schützen vor Hitze. Bleibt nur noch, die vielen Gasthermen auszutauschen, um den alten Gemäuern nachhaltig einzuheizen.

Sind diese Arbeiten erledigt, bleiben nur Vorteile: weiterhin gedeckelte Mieten, hohe Räume, dicke Wände und das knarrende Parkett. Eines ist sicher: Altbauten sind vor über hundert Jahren gekommen, um auch die nächsten hundert Jahre zu bleiben. Ob die Gipskartonwände in den Neubauten dann immer noch halten, was sie heute versprechen, bleibt abzuwarten.


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Pro Neubau, Martin Putschögl:

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die Vorteile eines Neubaus gegenüber einem Altbau sind für mich klar überwiegend. Sie heißen Fahrrad- und Kinderwagenraum, ausreichend große Lifte, helle Räume, durchgängige Barrierefreiheit, großer Balkon, außenliegende Beschattung und im Idealfall auch ein Heizsystem mit erneuerbaren Energieträgern. Was Letzteres betrifft, tut man sich auch mit der Fernwärme schwer mit dem Argumentieren, jedenfalls in Wien. Aber an der Dekarbonisierung wird zumindest gearbeitet.

Jedenfalls habe ich in meinem 2016 errichteten Neubau keine Gasleitungen, das ist auch so ein Pluspunkt für sich. Und apropos "mit der Tür ins Haus fallen": Ich kenne Gruselgeschichten, wo plötzlich ein wildfremder Mensch, meistens war es ein Mann, in der Wohnung stand. Ein Langfinger, der dachte, dass niemand zu Hause ist. Diese Geschichten spielen alle in unsanierten Altbauten mit ihren schönen, aber für Einbrecher auch sehr unterhaltsamen hölzernen Eingangstüren, die schon aufgehen, sobald man sich mit einem Brecheisen auch nur nähert. Da lobe ich mir doch meine Widerstandsklasse 4.

Habe ich ein Altbau-Trauma? Eventuell, ja. Denn den wichtigsten Punkt habe ich noch gar nicht angeführt: Ich hasse knirschendes Parkett. Wenn mir der Parkettboden bei jedem meiner Schritte sagt, dass ich ihm wehtue, dann fühle ich mich fehl am Platz. Echt.

Und das war noch in jedem der Gründerzeit-Zinshäuser so, in denen ich bisher gewohnt habe (ein paar waren es ja doch). Ich hasse am Altbau wohl nichts mehr als das.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Auch ich liebe Altbauten grundsätzlich, denn nichts ist anmutiger als eine Häuserzeile mit schönen Gründerzeitbauten, reich an Stuck und Ornamenten, sofern sie halbwegs gut in Schuss sind. Ich schaue sie mir also sehr gerne an, von außen. Drin wohnen? Das sollen die, die das gerne möchten (siehe Kollegin Beirer links).

Parkett, das nicht knirscht

Eine Raumhöhe von mehr als drei Metern ist ja gut und schön, aber ganz ehrlich: Erstens ist das oft nicht mehr zum derheizen. Und zweitens: Meine Wände sind genau 263 Zentimeter hoch, das reicht völlig, um nicht das Gefühl zu haben, dass mir die Decke auf den Kopf fällt.

Parkettboden liebe ich natürlich auch, ich kann mir eigentlich für einen Wohnraum keinen anderen Boden vorstellen. Da trifft es sich gut, dass in meiner Neubauwohnung vor meinem Einzug feines Eichenparkett verlegt wurde, das ich mir sogar selbst aussuchen durfte. Das ist schön gemasert, macht also optisch durchaus etwas her, es fühlt sich wohlig an, wenn man seine nackten Füße draufsetzt – und es knirscht nix, jedenfalls bisher.

Ein soeben erst gebauter Neubau ist natürlich ein Haus ohne Geschichte, das ist klar. Aber das hat auch etwas Positives: Es gibt Gewährleistung, und Überraschungen bleiben zumeist aus, jedenfalls vorläufig. Und man kann Dübel in die Wand bohren, ohne dass einem tellergroße Putzstücke entgegenfallen. Gut, da gibt es dann im Neubau wieder die Herausforderung mit den Gipskartonwänden. Aber das ist eine andere Geschichte. (Julia Beirer, Martin Putschögl, 28.05.2022)