Waffengewalt zerstört laufend Menschenleben. Doch statt direkt dagegen etwas zu unternehmen, setzt die US-Politik lieber auf einen Ausbau von Überwachung – wohl wissend, dass diese vor solchen Angriffen nicht schützt, wie Kritiker mahnen. Die aktuelle Attacke in Uvalde ist dafür geradezu ein Paradebeispiel.

Foto: Dario Lopez-Mills / AP

Von außen betrachtet mag die Diskussion schon mal absurd anmuten. Alle paar Monate gibt es irgendwo in den USA ein größeres mit Waffengewalt verübtes Massaker, auf das dann eine Diskussion folgt, deren Ergebnis alles möglich sein darf – nur keine Verschärfung von Waffengesetzen.

Wenige Tage nach dem Massaker in Uvalde scheint sich dieses Muster nun zu wiederholen. Die öffentliche Debatte verschiebt sich aktuell zunehmend in Richtung einer verstärkten Nutzung von Überwachungstechnologien. Diese sollen dabei helfen, weitere solcher Attacken zu verhindern, werben die Proponenten entsprechender Lösungen.

Bereits vorhanden

Eine gezielte Diskursverschiebung, die im aktuellen Kontext besonders verblüffend ist. Immerhin verfolgte die Robb Elementary School, in der von einem 18-Jährigen am Dienstag 21 Menschen – 19 von ihnen Kinder – ermordet wurden, schon bisher ebendiesen Ansatz.

Über die vergangenen Jahre hinweg hat der "Uvalde Consolidated Independent School District", zu dem die betroffene Schule gehört, sein Sicherheitsbudget mehr als verdoppelt, berichtet "Gizmodo". So wurde etwa ein Überwachungssystem der Firma Raptor Technologies installiert, das alle, die den Schulbereich betreten, überprüft und vor "gefährlichen Individuen" warnen soll.

Social-Media-Überwachung

Doch damit nicht genug, setzen die texanischen Schulen auch eine Software namens "Social Sentinel" ein, die die Social-Media-Konten der Schülerinnen und Schüler überwacht. Das erklärte Ziel: "gewalttätige und suizidale Absichten" zu erkennen, um dann zeitgerecht einschreiten zu können. Dazu kommt dann noch eine App namens "Stop!t" sowie ein eigenes Online-Portal, über die "problematisches Verhalten" und Bullying gemeldet werden können.

Jenseits dieser Softwarelösungen betreibt der Schulbezirk eine eigene Polizeieinheit, die mit den lokalen Behörden eng zusammenarbeitet – und sogar einen Notfallsplan entwickelt hat. Dabei gibt es sogar eigene "Threat Assessment Teams", die sich regelmäßig treffen, um "potenzielle Gefahren für die Schulsicherheit zu identifizieren.

Kein Schutz? Egal!

Keine einzige dieser Maßnahmen hat irgendeine Form von Schutz vor dem Massaker in Ulvade geboten. Das hindert die politisch Verantwortlichen aber wie gesagt nicht daran, bereits über den weiteren Ausbau von Überwachungstechnologien zu diskutieren.

So soll etwa die Kontrolle der sozialen Medien weiter verschärft werden, wohl auch nicht zuletzt, da diese hier tatsächlich eine – kleine – Rolle gespielt haben: Hat doch der Mörder eine halbe Stunde vor der Tat via Facebook-Messenger seine Tat angedroht. Allerdings handelte es sich dabei um private Nachrichten, ein automatisiertes System hätte also ohnehin nicht gegriffen.

Gutes Geschäft mit Gesichtserkennung

Ebenfalls in der aktuellen Debatte sehr beliebt ist der Ruf nach einem Ausbau der Gesichtserkennung. Dass selbst Verfechter dieser Technologie eingestehen, dass diese keinen wirklichen Schutz vor einer Attacke bietet – immerhin ist ein Schütze ja bereits bewaffnet auf dem Schulgelände unterwegs, wenn ein solches System Alarm schlägt, – scheint dabei nicht zu stören. Hersteller wie die auch sonst reichlich umstrittene Firma Clearview AI sehen hier jedenfalls einen großen Wachstumsmarkt.

Ebenfalls immer öfter kommen versteckte Waffen-Scanner zum Einsatz. Dies mag davor schützen, wenn ein Schüler mal eine solche Waffe in den Unterricht mitnimmt – gegen jemanden, der einfach in eine Schule hineinspaziert, um möglichst viele Personen zu töten, wird allerdings auch das nichts ausrichten.

Kontraproduktiv

Doch Kritiker sind nicht nur davon überzeugt, dass dieses Maßnahmen gegen solche Bedrohungen sinnlos sind – sie seien sogar kontraproduktiv, warnt Jason Kelley von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation. Solche Tools könnten ein Gefühl der falschen Sicherheit erzeugen und gleichzeitig eine Totalüberwachung normalisieren. Von den mannigfaltigen Möglichkeiten, solche Systeme zu missbrauchen, einmal ganz abgesehen.

Verrückte Idee, aber ...

Bliebe also noch die Option, doch über die Waffengesetze in den USA zu diskutieren. Immerhin ist aus anderen Ländern bekannt, dass Verschärfungen in diesem Bereich die Wahrscheinlichkeit solcher Attacken massiv reduzieren.

So hatte Australien nach einem Massaker Mitte der Neunzigerjahre seine Gesetze erheblich verschärft. Das Ergebnis: Während es in den 18 Jahren zuvor durch Waffengewalt 13 Massaker mit mehr als fünf Toten gab, folgte danach nur mehr ein einziger solcher Vorfall.

In den USA scheint diese Optionen aber derzeit politisch nicht durchsetzbar zu sein, also gibt es weiter "Gedanken und Gebete" – und natürlich einen massiven Ausbau des Überwachungsstaats. (apo, 27.5.2022)