"Songs of Conquest" (Windows, macOS) ist seit kurzem im Early Access verfügbar.

Foto: Songs of Conquest
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Diese verflixte dritte Mission. War der Auftrag davor noch recht leicht erfüllbar, erwiesen sich der mysteriöse Aufstand des Feenvolks und das Auftauchen ungemütlicher Untoter plötzlich als sehr knifflige Herausforderung. Erst im vierten Anlauf platzte der Knoten, und die siegträchtige Strategie offenbarte sich: in Windeseile die Städte einnehmen und ihre Ressourcen auf die Armeen der beiden Anführer konzentrieren, die man in diesem Szenario steuert. Andernfalls besteht keine Chance, dem nach etwas mehr als 20 Zügen hereinbrechenden Unheil standzuhalten.

Dieser Teil der Kampagne offenbart gleichzeitig eine der Schwächen, aber auch eine große Stärke von "Songs of Conquest" (Windows/macOS via Steam, Epic Store und Gog, 30 Euro), einem Spiel, das sich kaum anders beschreiben lässt als eine Liebeserklärung an die zwei Granden der klassischen Mittelalter-Fantasy-Rundenstrategie: "Heroes of Might & Magic" und "Age of Wonders". DER STANDARD hat das Erstlingswerk des schwedischen Studios Lavapotion getestet.

Songs of Conquest

Eine Welt nach dem Imperium

Das Game ist seit kurzem im Early Access und bringt vier Fraktionen und zwei Kampagnen mit. Ein Umfang, der wohl noch wachsen wird und sich mit einem eigenen Karteneditor auch von den Spielern selbst erweitern lässt. Gegenüber stehen sich vier Fraktionen:

  • Arleon war einst das mächtigste Imperium in der Spielwelt, das aber in eine Vielzahl miteinander rivalisierender Herrschaftstümer zerfallen ist. Es deckt die klassische "Ritter, Bogenschützen, Barden"-Fantasy ab.
  • Das Volk der Bariya hat die Schwäche des Reiches genutzt, um sich abzuspalten und gemeinsam mit einem anderen Volk Staaten zu gründen, die stark auf Handel und Erfindergeist fixiert sind. Hier findet man eher "orientalisch" angehauchte Einheiten und eher kreative Waffen.
  • Eine neue Zeit ist auch für die Rana angebrochen. Das reptiloide Volk war lange menschlicher Unterdrückung ausgesetzt. Ein mysteriöser Wielder ist nun aber dabei, die versprengten Stämme zu vereinen und die Sumpfbewohner zu einer eigenen Macht aufzubauen. Hier sind tierische Einheiten und Naturmagie daheim.
  • Zu guter letzte gibt es noch die Baronie von Loth, einst ebenfalls Teil von Arleon. Dort hat man sich im Kampf gegen den eigenen Verfall der "unsichtbaren Gesellschaft", ihren Kultisten und finsteren Magie zugewandt. Sie führt Zombies, Skelette und allerlei andere bizarre Geschöpfe mit "Dark Souls"-Flair ins Feld.

Weniger Komplexität

Der schon angedeutete Kritikpunkt ist, dass die Vereinfachung des Spielkonzepts in manchen Missionen dazu führt, dass man nicht wirklich "frei" spielt, weil es nur einen Weg zum Sieg gibt. Die Kriegsführung ist stark auf die "Wielders" konzentriert. Sie sind magisch begabte Anführer, die sich aufleveln und mit Gegenständen aufrüsten lassen. Die Zahl der Wielder, über die man verfügt, entspricht damit auch der Zahl der Armeen, die man über die Karte bewegen kann. Truppen ohne einer solchen Leitfigur gibt es nur in Form von Garden, die Städte bewachen. Die Anzahl der kontrollierten Städte wiederum definiert, wie viele Wielder man überhaupt befehligen kann.

Songs of Conquest

Dazu kommen andere Einschränkungen. Es gibt keine globalen Zauber, keine Möglichkeit, Städte zu gründen und auch die Zahl der verfügbaren Gebäude und Forschungsmöglichkeiten ist vergleichsweise eng gehalten. Selbst größere Siedlungen bieten nur einen gewissen Umfang an Bauplätzen, was eine gewisse Spezialisierung erzwingt.

Bei den Kämpfen orientiert sich das Spiel vorwiegend an früheren "Heroes"-Teilen, ermöglicht aber durch die Implementation von Höhenunterschieden taktisch mehr Abwechslung. Zu Beginn einer Schlacht kann man seine Truppen auf "seiner" Seite der Karte auf einer Reihe vorgegebener Felder platzieren. Die "Standard"-Aufstellung ist meistens brauchbar, aber immer wieder empfehlen sich eigene Verschiebungen, um etwa wichtigen Fernkämpfern Nahkampfeinheiten beizustellen.

Der Einsatz verschiedener Einheiten, das Beschädigen und Besiegen gegnerischer Kämpfer erzeugt wiederum magische Essenz verschiedener Art, die man in Zauber investieren kann, um die eigenen Kämpfer zu unterstützen oder jene des Feindes zu hemmen. Das Spiel setzt zudem auf ein "Momentum"-Konzept, bei dem die Zugreihenfolge zu eigenen Gunsten verändert wird, wenn ein gegnerischer Trupp fällt. Dadurch werden die Auseinandersetzungen tiefgründiger, als sie auf den ersten Blick wirken. Will man eine Auseinandersetzung nicht ausspielen, weil der Ausgang einer Schlacht aufgrund erdrückender Übermacht ohnehin klar ist, kann man ihn auch automatisch berechnen lassen.

Insgesamt reduziert das Game die Komplexität im Vergleich zu seinen offensichtlichen Vorbildern, was nicht jedem Freund des Genres zusagen wird. Gleichzeitig macht es "Songs of Conquest" aber zu einer guten Einstiegsdroge und Option für alle Spieler, die weniger Lust auf ein Game mit langer Lernkurve haben und sich freuen, wenn nicht jede Partie sich über zig Stunden zieht.

Foto: Songs of Conquest

Viel Herzblut

Sein Übriges dazu tut auch das "Rundherum" um die eigentliche Spielmechanik. Der Autor dieser Zeilen ist angesichts der schieren Flut an Games im "Pixelart-Look" stets skeptisch, wenn sich ein Spiel dieses Stils bedient. Denn bei zahlreichen Titeln wirkt eine Darstellung dieser Art lieblos hingerotzt als Entschuldigung dafür, keine bessere Idee gehabt zu haben. Nicht so bei "Songs of Conquest", das sich mit seiner liebevollen grafischen Umsetzung nicht vor den ersten beiden "Age of Wonders"-Teilen oder älteren "Heroes"-Titeln verstecken muss.

Auch die atmosphärische Musikuntermalung und das sichtliche Bemühen um die Erzählung der Geschichte in den Kampagnen zählt zur gelungenen Würdigung des Genres. Das Sahnehäubchen auf der Fantasytorte sind dann noch die Sequenzen zwischen den Missionen, die in Form bardischer Lieder vertont wurden.

Abseits der zwei Kampagnen kann man sich auch in freien Schlachten mit der Computerintelligenz anlegen. Im Hotseat an einem Rechner oder online kann man sich auch mit menschlichen Spielern messen. Dazu hat das Game Karten für zwei bis sechs Teilnehmer im Repertoire, die mit Eigenkreationen erweitert werden können. Auch eine Mischung aus Menschen und KI-Gegnern ist möglich. Beim Spielen online ist das Erlebnis aber zeitweise noch etwas "laggy".

Foto: Songs of Conquest

Fazit

Es ist mittlerweile sieben Jahre her, dass "Heroes of Might & Magic" seine letzte Fortsetzung bekommen hat. Und "Age of Wonders" hat in seinem letzten Ableger "Planetfall" (2019) Schwert und Zauberstab gegen fliegende Roboter mit Laserkanonen eingetauscht. Die Auswahl an frischem Nachschub für Mittelalterfantasy in diesem Subgenre ist sehr überschaubar.

Umso mehr dürfen sich Freunde der gepflegten und gemächlichen Auseinandersetzung in magischen Landen an "Songs of Conquest" erfreuen. Das Spiel glänzt mit einem zugänglichen Konzept als "Remix" der beiden Klassiker und begeistert mit seiner akustisch und ästhetischen Umsetzung, in der offenkundig viel Herzblut steckt. Wer Games dieser Art mag, bekommt hier für sein Geld unzählige Stunden an Spielspaß mit positiv-nostalgischem Beigeschmack. (Georg Pichler, 28.5.22)