Oberösterreichs ehemaliger Landeshauptmann ist nun Landesobmann des dortigen Seniorenbunds. Und in Erklärungsnot.

Foto: imago images/Rudolf Gigler

Frage: Worum geht es in der Affäre rund um den Seniorenbund?

Antwort: Das Ganze hat mehrere Ebenen. Im Grunde geht es um Corona-Hilfsgelder, die eigentlich an gemeinnützige Organisationen gehen sollten. Aus diesem Unterstützungsfonds für Non-Profit-Organisationen (NPOs) bekamen aber auch parteinahe Organisationen Geld – obwohl die eigentlich vom Fördertopf ausgeschlossen sind. In Oberösterreich flossen fast zwei Millionen Euro an den dortigen ÖVP-Seniorenbund – eigentlich an allerlei einzelne Ortsgruppen. In Tirol gingen etwa 180.000 Euro an den Seniorenbund. Wobei die jeweiligen Seniorenbünde das nicht so sehen: Die sagen, gefördert worden wären nicht die Teilorganisationen der Parteien, sondern dazugehörige Vereine – damit sei man rechtens unterwegs.

Frage: Kann man denn Verein und Teilorganisation so einfach trennen?

Antwort: Diese Frage poppt nicht zum ersten Mal auf. Schon 2018 hielt der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat in einem Bescheid bezüglich des Seniorenbunds in Wolkersdorf fest: "Es gibt keinen Hinweis darauf, warum es sich bei diesem Verein nicht um die Teilorganisation der ÖVP ‚Österreichischer Seniorenbund‘ handeln sollte". Auch die Websites der Organisationen sind dazu recht aufschlussreich: So haben zwar der Verein des Oberösterreichischen Seniorenbunds und die offizielle ÖVP-Teilorganisation jeweils eigene Websites, beide geben aber denselben Landesobmann an – nämlich Landeshauptmann Josef Pühringer a. D. (ÖVP) –, ebenso denselben Landesgeschäftsführer und dieselbe Postadresse.

Frage: Haben nur die beiden Seniorenbünde Geld bekommen?

Antwort: Nein. Kleinere Summen gingen etwa auch an Oberösterreichs JVP, den Ring Freiheitlicher Jugend, den Bauernbund und den Wirtschaftsbund. Wobei die dortige Junge ÖVP, deren Vorsitzende Staatssekretärin Claudia Plakolm ist, ihre Gelder (10.844,73 Euro) wieder zurückgezahlt haben will. Eine der Ortsgruppen habe "ohne unser Wissen" um Unterstützung angesucht, um Jugendarbeit und Sozialprojekte aufrechterhalten, sagt JVP-OÖ-Landesgeschäftsführer Gregor Eckmayr. Die Kollegen seien von der Servicehotline falsch informiert worden.

Frage: Was hat es nun mit der Gelder-Verwendung auf sich?

Antwort: Brisant ist auch, wofür die Fördergelder dann verwendet wurden. Aus Tirol heißt es, man habe damit den Personalstock halten wollen. Aus Oberösterreich heißt es, mit dem Geld für die Landesleitung (das etwa ein Viertel der Fördergelder ausgemacht habe, der Rest ging eben an die Ortsgruppen) "wurden fast ausschließlich Gehälter bezahlt". Laut Parteifinanzen-Experte Hubert Sickinger sei es aber "ausdrücklich ausgeschlossen", mit dem Fördergeld Personalkosten zu decken, erklärte er im Ö1-"Morgenjournal". Noch verwirrender wurde es am Freitag, als Landesgeschäftsführer Franz Ebner am Freitag seinem Obmann Josef Pühringer widersprach und meinte, es sei – mit einer Ausnahme – kein Fördergeld in Gehälter geflossen. Die Neos haben jedenfalls Anzeigen gegen den Seniorenbund in Tirol und Oberösterreich erstattet. Pühringer beteuert zwar, dass "kein Euro der Fördermittel wurde für Parteiarbeit benützt wurde". Er sagt im Interview mit den OÖN aber auch: "Im Wahlkampf kann sich das schon mal ein bisschen vermischen." Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kündigte eine Prüfung an.

Frage: Wie konnte es passieren, dass die Organisationen Geld aus dem Fonds bekommen haben?

Antwort: Bei den besagten Hilfsgeldern müssen zig Förderungen in kurzer Zeit bearbeitet werden – bisher wurden etwa 50.000 ausbezahlt. Damit die Gelder rasch fließen können, werden die Anträge teilweise halb automatisch überprüft. Dafür werden Vereine vor allem einmal mit dem Vereinsregister abgeglichen. Es wird auch kontrolliert, ob der Antragsteller im Parteienregister aufscheint. Teilorganisationen dürften dort allerdings nicht vorkommen, geschweige denn damit verquickte Vereine. Deshalb konnte der Oberösterreichische Seniorenbund samt seiner Teilvereine um Förderungen ansuchen, ohne der abwickelnden Stelle Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS) aufzufallen – bis jetzt. Bei allen Anträgen gibt es im Nachgang die Option einer vertieften Prüfung. Auch Finanzämter besitzen ein Prüfrecht.

Frage: Was passiert, sollte unrechtmäßig um Corona-Hilfsgelder angesucht worden sein?

Antwort: Dann könnte es zunächst einmal zu einem Förderentfall kommen. Kurz gesagt: Die Gelder müssten zurückbezahlt werden. Bei falschen Angaben drohen aber darüber hinaus auch weitreichendere Konsequenzen wie etwa ein mehrjähriger Ausschluss von sämtlichen Bundesförderungen. Strafrechtlich steht wiederum das Delikt des Betrugs im Raum, sollte mit Vorsatz gehandelt worden sein. Das müsste allerdings erst nachgewiesen werden. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 27.5.2022)