Unerwünschter Miteigentümer: Die Strabag will Oleg Deripaska loswerden, doch der wehrt sich vor Gericht.

REUTERS Fotograf: EVGENIA NOVOZHENINA

Als der russische Oligarch und Putin-Vertraute Oleg Deripaska im Jahr 2007 bei der Strabag SE einstieg, Österreichs größtem Baukonzern, waren der Jubel und die Vorschusslorbeeren noch groß. "Das ist unser Türöffner nach Russland", freute sich damals Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner.

15 Jahre später ist die Beziehung komplett zerrüttet – und neuerdings, infolge der Russland-Sanktionen, geht Deripaska gar gerichtlich gegen den Strabag-Vorstand vor.

Konkret hat die in Zypern ansässige Rasperia Trading Limited, die vom Oligarchen kontrolliert wird, am Mittwoch vor dem Landesgericht Klagenfurt Klage gegen die Strabag eingebracht.

Klage vor dem Landesgericht Klagenfurt

Um den Hintergrund zu verstehen, muss man die Besitzverhältnisse der Strabag kennen: Zu 27,8 Prozent gehört das Unternehmen besagter Rasperia; den Rest teilen sich vor allem die Familie Haselsteiner und die Uniqa-Raiffeisen-Gruppe (genaue Aktionärsstruktur siehe Grafik). Spätestens mit dem Überfalls Russland auf die Ukraine am 24. Februar ist die Miteigentümerschaft Deripaskas zur schweren Last für die Strabag geworden.

Zunächst kündigten Mitte März die anderen Strabag-Eigentümer den Syndikatsvertrag mit der Rasperia auf, beendeten also jegliche Zusammenarbeit mit Deripaska. Am 8. April folgte der nächste Schritt: Die EU setzte Deripaska und all seine Unternehmen – auch die Rasperia – auf ihre Sanktionsliste, unter anderem, weil der Oligarch in Russland in die Waffenproduktion involviert sein soll (auf der Liste der USA steht Deripaska schon länger). Das bedeutet: Alle Vermögenswerte des Oligarchen werden eingefroren und über ihn selbst ein Einreiseverbot verhängt.

Deripaskas Aufsichtsrat wurde geschasst

Die Strabag reagierte am 5. Mai auf den EU-Beschluss. Bei einer außerordentlichen Hauptversammlung setzte man die erforderlichen Schritte: Die Rasperia hat nunmehr keine Stimmrechte mehr bei der Strabag; auch die Dividendenzahlungen wurden eingestellt. Und: Thomas Bull – das ist jenes Mitglied im derzeit siebenköpfigen Strabag-Aufsichtsrat, das von der Rasperia entstand wurde – wurde abberufen.

"Strabag hat von Beginn des Krieges an eine klare Position bezogen und verfolgt entsprechend die vollumfängliche Umsetzung der EU-Sanktionen", sagte dazu Alfred Gusenbauer, ehemaliger SPÖ-Bundeskanzler und Aufsichtsratsvorsitzender der Strabag SE. Das klingt danach, als betrachte die Strabag die belastende Beziehung zu Deripaska als beendet und aufgearbeitet.

Beschlüsse sollen "für nichtig erklärt" werden

Die Sichtweise teilt die Rasperia allerdings ganz und gar nicht, wie sich am vergangenen Mittwoch zeigte. Da brachte die zypriotische Gesellschaft Klage gegen den Strabag-Vorstand ein. Die Rasperia verlangt, dass die Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung von Anfang Mai "für nichtig erklärt" werden. Konkret ist die Enthebung des Aufsichtsratsmitglieds Thomas Bull nach Ansicht der Rasperia als ungesetzlich rückgängig zu machen. Die Anfechtungsklage wurde beim Landesgericht Klagenfurt eingebracht, weil sich der offizielle Strabag-Firmensitz in Villach befindet. All das geht aus einer Veröffentlichung im Amtsblatt der "Wiener Zeitung" hervor, wo aufgrund aktienrechtlicher Bestimmungen derartige Informationen publiziert werden müssen.

Bei der Strabag sieht man sich für das Verfahren gut gerüstet, heißt es auf STANDARD-Anfrage von Sprecherin Marianne Jakl. Unter anderem verweist sie auf Gutachten, die die Position des Strabag-Vorstands untermauern würden. Die Zerrüttung geht also weiter. Und setzt sich demnächst sogar vor Gericht fort. (Joseph Gepp, 27.5.2022)