Jedes Mal, wenn ein Auto mit einem österreichischen Kennzeichen in der Einfahrt der Shell-Tankstelle in Sopron (Ödenburg) auftaucht, startet der Tankwart los. Nicht schnell, aber bestimmt. Und schnell genug, um am Auto zu sein, bevor die Lenkerin oder der Lenker den Zapfhahn betätigen kann. Es dürften nur mehr Fahrzeuge mit ungarischem Kennzeichen betankt werden, sagt er bestimmt, auf Deutsch, aber mit starkem ungarischen Akzent.

"Wos?", brüllt ihn ein Mann an. "Nix tanken? Warum net?" – "Nur Ungarn", sagt der Tankwart und fuchtelt mit den Händen in Richtung Ausfahrt. "Nächste Woche vielleicht wieder."

Gefühl der Ohnmacht

Der Tanktourist wohne gleich auf der anderen Seite der Grenze, erzählt er uns kurz darauf, und tanke in Ungarn, seit die Spritpreise bei uns so explodiert seien. "Ich verstehe das nicht", sagt er. Aus den Medien wisse er zwar, dass er nicht mehr zum selben Preis wie die Ungarn tanken könne, aber dass er gar nichts bekomme, davon war nie die Rede. "Nein, das ist nicht in Ordnung. Aber was soll ich machen?", sagt er resignierend. "Alles wird immer teurer, und jetzt dürfen wir hier nicht einmal mehr tanken."

Der Tankwart einer Tankstelle in Sopron, Ödenburg, schickt am Freitag alle Fahrzeuge, die kein ungarisches Kennzeichen haben, gnadenlos und bestimmt wieder weg.
Foto: Guido Gluschitsch

Sie solle das Radio einschalten, redet der Tankwart kurz darauf auf eine Wienerin ein. Dort habe man eh gehört, dass es keinen Sprit für Österreicher gebe. Die kurze Diskussion, die die beiden dann führen, endet damit, dass auch diese Dame, ohne getankt zu haben, wieder wegfährt.

EU-Recht

"'s a Frechheit", brüllt sie schon fast, ohne sich darum zu bemühen, schön zu sprechen. Dafür scheint nicht die passende Gelegenheit zu sein. Für eine Tirade aber wohl. "Jahrelang haben die Ungarn bei uns getankt, als es bei uns billiger war, und jetzt geben sie uns den Weisel? Das verstößt doch gegen EU-Recht. Das müsste man ja klagen können. Kann man das klagen?"

Aber das würde ohnedies nicht passieren, ist sie sich sicher, weil unsere Politiker ja nur damit beschäftigt seien, sich das Geld in die Tasche zu stopfen. Sie schimpft auf Michael Ludwig und Ursula von der Leyen in einem Satz. Es gehe immer gegen die "kleinen Leut". Am Wochenende komme ihre Schwester aus Griechenland mit dem Auto rauf. "Was tut denn die dann?"

An der letzten Tankstelle vor der Grenze können auch Fahrzeuge aus Österreich betankt werden. Das macht aber kaum jemand.
Foto: Guido Gluschitsch

Vor der Grenze

Entrüstet fährt die Dame weg, und es hat den Anschein, dass sie eine andere Tankstelle ansteuert. Das ist gar keine so schlechte Idee, dann aber wieder doch, zeigt sich an der letzten Tankstelle vor der Grenze zu Österreich. An jeder Zapfsäule hängt ein Zettel in ungarischer und englischer Sprache, der erklärt, dass der Spritpreis von 479,9 Forint (1,22 Euro) pro Liter nur für Fahrzeuge mit ungarischem Kennzeichen gelte.

An der Zapfsäule finden wir Preise von umgerechnet rund 1,8 Euro pro Liter Diesel und Benzin. Auf Nachfrage in der Tankstelle erklärt die Kassierin, man könne hier mit einem österreichischen Kennzeichen tanken, zahle aber zwei Euro pro Liter. Doch heute würden ohnedies keine Österreicherinnen und Österreicher hier tanken, erklärt sie, es sei erstaunlich ruhig. Und tatsächlich taucht in mehreren Minuten nur ein Fahrzeug aus Österreich auf. Der Lenker geht in die Tankstelle und fährt sofort wieder – ohne zu tanken.

Grenzkontrolle

An der Grenze fischt der österreichische Beamte einen alten amerikanischen Geländewagen aus dem Verkehr, nachdem er davor mehrere Fahrzeuge durchgewunken hat. Er wirft einen Blick in den Pass und fragt: "Haben Sie in Ungarn getankt?" – "Nein, warum, wäre das ein Problem?" – "Nein, es hätte mich nur interessiert, was da jetzt los ist."

Einen Unterschied im Verkehr will er noch nicht bemerkt haben, und was er über die geschilderte Situation denkt, behält er auch lieber für sich. (Guido Gluschitsch, 27.5.2022)