Foto: CRAIG HUDSON

Das Beziehungsdrama von 1989 war vielleicht nicht der beste Film mit Michael Douglas und Kathleen Turner, aber er hat tiefe kulturelle Spuren hinterlassen. Die Szene, in der die beiden Eheleute vom Kronleuchter in den Tod fallen, ist legendär, und der Filmtitel – Der Rosenkrieg – ist zum Synonym für Scheidungen geworden, in denen sich beide Partner lieber gegenseitig vernichten, als dem anderen auch nur eine Genugtuung zu gewähren.

Fans wünschen sich "Gerechtigkeit" für Johnny Depp. Doch auch Amber Heard hat eine große Anhängerschaft hinter sich.
Foto: CRAIG HUDSON

Seit fünf Wochen treten Johnny Depp und Amber Heard in einem Sequel auf. Auf dem Set im Gerichtssaal in einem Vorort der Hauptstadt Washington erhalten sie kein Schauspielhonorar, sondern müssen selbst Millionen an ihre Anwälte zahlen und zerstören nicht nur einander, sondern auch ihren eigenen Ruf. Die Brutalität des Drehbuchs übertrifft bei weitem das Original, intimste Details einer kurzen Ehe mit Drogen, Gewalt und wachsendem Hass werden im Gerichtssaal vor laufenden TV-Kameras offengelegt.

Verstört und gebannt verfolgt das weltweite Publikum die Details einer zerstörerischen Beziehung, die Edward Albees Wer hat Angst vor Virginia Woolf als Romantikkomödie erscheinen lassen. Wie bei einem dramatischen Verkehrsunfall will man nicht hinschauen und kann doch nicht anders. Anders als bei Netflix-Miniserien gibt es keine Möglichkeit, zur letzten Episode vorzuspringen, um das Ende zu erfahren. Aber eines steht schon vor dem Urteil der Geschworenen fest, das nach den Schlussplädoyers am Freitag jederzeit verkündet werden kann: Es wird ganz, ganz böse sein.

Fanatische Anhängerschaft

Es ist ein ungleicher Kampf. Heard ist eine Schauspielerin von mäßiger Prominenz, Depp eine Hollywood-Ikone, die seit Edward mit den Scherenhänden (1990) eine fanatische Anhängerschaft genießt, die ihrem Captain Jack Sparrow 14 Jahre lang durch die Karibik folgte. Und wenn man das bösartige Trommelfeuer gegen seine Ex-Frau und Prozessgegnerin in den sozialen Medien verfolgt, dann liegt der Schluss nahe, dass es hier nicht nur um die Frage geht, wer sich in einer kurzen Ehe garstiger entpuppte. Am Werk sind hier die Rächer der männlichen Piratenehre.

Der Prozess Depp gegen Heard, begleitet vom Prozess Heard gegen Depp, ist ein Relikt der #MeToo-Ära, als Frauen erstmals in großer Zahl gegen männliche Gewalt aufbegehrten. Damals, im Herbst 2017, war die Ehe bereits geschieden. Ein Jahr später meldete sich Heard in einem Kommentar in der Washington Post zu Wort, in dem sie, ohne Namen zu nennen, sich als Beispiel häuslicher Gewalt bezeichnete. Im Titel schrieb die Redaktion "sexuelle Gewalt".

Viele wussten, wer damit gemeint war, und die britische Sun hatte es einige Monate zuvor offen ausgesprochen, als sie Depp als "Frauenschläger" bezeichnete. Depp klagte vor einem britischen Gericht, weil diese dafür bekannt sind, bei Verleumdung oft gegen die Medien zu urteilen – und verlor. Heards Vorwürfe gegen ihren Ex seien insgesamt glaubwürdig, urteilte im November 2020 der Richter.

Depps Filmkarriere hatte zu diesem Zeitpunkt ihren Zenit bereits überschritten. Nun verlor er weitere Rollen. Gekränkt und wütend suchte er Revanche und klagte Heard wegen des Washington Post-Kommentars auf 50 Millionen Dollar – die darauf mit einer 100-Millionen-Dollar-Klage antwortete. Der große Reality-Dreh konnte beginnen.

Ein paar Jahre zuvor hätte Depp in der amerikanischen Öffentlichkeit keine Chance gehabt. "Glaube den Frauen", hieß es nach den Enthüllungen über die Machenschaften des Filmproduzenten Harvey Weinstein. Heard hatte Depp in der Öffentlichkeit niemals erwähnt, der Kommentar war zurückhaltend und eher abstrakt. Aber inzwischen hatte sich die Stimmung in Teilen der US-Bevölkerung gedreht. Im Herbst 2018 musste sich der Jurist Brett Kavanaugh der Anhörung im US-Senat für seine Bestellung als Höchstrichter stellen und wurde dabei mit den Vorwürfen der Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford konfrontiert, die ihn eines Vergewaltigungsversuchs in Studententagen beschuldigte. Der sonst so höfliche Kavanaugh wehrte sich mit einer emotionalen Rede, in der er nicht nur sich, sondern sein ganzes Geschlecht zum Opfer hochstilisierte. Donald Trump jubelte ihm per Twitter zu, Kavanaugh wurde als Höchstrichter bestätigt.

Amber Heard erwies sich wohl als problematische Zeugin – und wird in den sozialen Medien von der Anhängerschaft ihres Ex-Manns fertiggemacht.
Foto: Pool

Das Zeitfenster schloss sich

Blasey Ford war eine Zeugin der Anklage, wie sie sich jeder Staatsanwalt wünscht: entschlossen, eloquent und glaubwürdig. Dennoch ging sie im Gerichtssaal der amerikanischen Öffentlichkeit unter – genauso wie einst die Juristin Anita Hill, die den Höchstrichterkandidaten Clarence Thomas der Übergriffe beschuldigt hatte. Das Zeitfenster, in dem Frauen bei intimen Vorwürfen nicht eine übermäßige Beweislast aufgebürdet bekommen haben, hatte sich mit dem Grapscher im Weißen Haus wieder geschlossen.

Hollywoodstar Johnny Depp macht seine Ex-Frau für den Niedergang seiner Filmkarriere verantwortlich – und rächt sich mit einer schmutzigen Klage.
Foto: Shawn Thew, Michael Reynolds

Heard hingegen ist der Albtraum jedes Anwalts: Ihre Aussagen sind voller Widersprüche, ihre psychischen Probleme ein Magazin für die Argumente der Verteidigung – und ja, auch von ihr ist Gewalt ausgegangen. Aber die Rolle von Depp als Opfer einer aggressiven Ehefrau ist so absurd, dass dieser Film aus gutem Grund nie gedreht worden ist. Auch er hätte einen Zeitungskommentar veröffentlichen können, was durch das Recht auf Meinungsfreiheit in der US-Verfassung gedeckt gewesen wäre. Die Behauptung seiner Anwälte, Heards Aussagen seien "kategorisch und nachweislich falsch", also, dass er in dieser Ehehölle nie Gewalt ausgeübt habe, sollten keine Jury überzeugen. Depps Vorgehen hat den Charakter einer Einschüchterungsklage, wie sie Konzerne gerne gegen Kritiker einbringen.

Sie werden sich hüten

Ob die Geschworenen hier mitspielen werden, ist offen. Die Depp-Brigaden in den sozialen Medien, die auch Rückendeckung von einigen Hollywoodstars erhalten, sorgen bereits dafür, dass andere Frauen sich hüten werden, über ihr privates Leid an der Seite eines populären oder mächtigen Mannes zu sprechen. #JusticeForJohnnyDepp, #AmberIsALiar oder #AmberHeardIsApsychopath lauten einige der Hashtags, mit denen besonders unvorteilhafte Fotos der Schauspielerin auch von Frauen auf Twitter verbreitet werden. Es geht auch kürzer: #MenToo.

Das mutmaßliche Opfer, das kein Engel ist, sondern eine problematische Persönlichkeit, ist ein Dauerproblem in der Justiz. Natürlich sät es Zweifel, wenn die wichtigsten Zeugen unzuverlässig oder von fragwürdigem Charakter sind. Es mag sein, dass Heards Aussagen nicht ausreichen würden, um Depp in einem Strafprozess zu verurteilen. Aber darum geht es in diesem Gerichtsdrama nicht, sondern nur um das Recht einer geschiedenen Frau, sich ganz allgemein als Gewaltopfer zu bezeichnen, ohne auf finanziell ruinösen Schadenersatz geklagt zu werden.

Im Rosenkrieg liegen Douglas und Turner am Ende tot auf dem Boden ihres Hauses, erschlagen vom Kronleuchter. Auch für Depp und Heard ist dieser Prozess eine öffentliche Hinrichtung, die beide zu Unberührbaren in der Filmindustrie machen wird. Der 59-jährige Depp kann sich das eher leisten als die um 23 Jahre jüngere Heard, die viel weniger Filmerfolge vorweisen kann. Deshalb wäre auch der logische Urteilsspruch – zahlt euch gegenseitig 50 Millionen und geht nach Hause – ungerecht. Denn Depp bleibt seine Fangemeinde, die ihn dafür bewundert, dass er wie Captain Sparrow sich selbst opfert, um seine Feindin zur Strecke zu bringen. (Eric Frey, 28.5.2022)