Durch eine Sonderbesteuerung der "Kriegsgewinne" speziell der Energiekonzerne Geld für die Staatshaushalte zu lukrieren, um die Folgen für Verbraucher und Verbraucherinnen abfedern zu können, das ist die Idee.
Foto: Imago/Imagobroker

FÜR: Die Idee, Sonderabgaben auf Extragewinne einzuheben, gewinnt mehr und mehr Freunde. Manche machen bereits Nägel mit Köpfen. Tatsächlich liegt der Gedanke nahe, durch eine Sonderbesteuerung der "Kriegsgewinne" speziell der Energiekonzerne Geld für die Staatshaushalte zu lukrieren, um die Folgen für Verbraucher und Verbraucherinnen abfedern zu können. Der teilstaatliche Stromkonzern Verbund ist in Österreich ein Paradebeispiel. Durch die hohen Strompreise sprudeln die Gewinne, produziert doch der Stromkonzern in seinen Wasserkraftwerken dank vieler abgeschriebener Kraftwerke deutlich unter dem Marktpreis, wie Kritiker anmerken: Im Vorjahr hat der Verbund 55 Euro pro Megawattstunde erhalten, derzeit sind es um 145 Euro mehr. Auch die OMV und die niederösterreichische EVN erfreuen sich hoher Profite und finden sich auf der Gewinnerseite: dank der derzeit hohen Öl- und Gaspreise, für die wiederum der Post-Corona-Wirtschaftsaufschwung und vor allem der Ukraine-Krieg verantwortlich sind.

Es geht um die bekannten "Windfall-Profits". Und das sind keine Peanuts. Nicht nur hierzulande. In Ungarn verspricht sich die rechtsnationale Regierung von der Einführung von Sondersteuern auf Gewinne von Banken, Versicherungsgesellschaften, großen Handelsketten oder Energieunternehmen umgerechnet gut zwei Milliarden Euro. Auch sie will mit einem Teil die gestiegenen Energiepreise der Konsumenten abfedern. Keine unvernünftige Überlegung: Die hohen Energiepreise belasten die Haushalte schwer, vor allem jene, die ohnehin am Limit leben. Unternehmen, die Zufallsgewinne dank der Gaskrise einfahren, stärker zu belasten, ist naheliegend – und bei weitem keine Idee von Regierungen, die staatlichen Eingriffen das Wort reden.

Kehrtwende in Großbritannien

Eine bemerkenswerte Kehrtwende vollzieht in der Debatte nun die konservative britische Regierung unter Premier Boris Johnson. Er hat bisher die Einführung einer Sonderabgabe abgelehnt – sie würde Investitionen der Ölkonzerne in klimafreundliche Energieerzeugung erschweren. Nun sollen BP, Shell und Co auf die Zusatzgewinne 25 Prozent Steuern zahlen. In Italien hat der frühere Investmentbanker Mario Draghi eine solche Abgabe von zehn auf ebenfalls 25 Prozent angehoben. Den britischen Energieriesen stellt Finanzminister Riski Sunak immerhin die Möglichkeit in Aussicht, 80 Prozent dieser Ausgaben steuerlich abzusetzen, um Investitionen im Energiesektor zu fördern. Tröstender Zusatz: Die Sondersteuer sei "vorübergehend".

Neu sind solche Konzepte nicht, verweist das linksliberale Momentum-Institut auf die Vergangenheit. In Großbritannien wurden demnach etwa Übergewinne während des Ersten Weltkriegs mit zunächst 50, dann mit 80 Prozent besteuert. In den USA hob man während des Zweiten Weltkrieges gleich bis zu 95 Prozent ein. Steuersätze, an die derzeit wohl allenfalls eine Minderheit denkt. Das gilt auch für die meisten Fürsprecher. Dazu zählt zum Beispiel auch die EU-Kommission. Kommissionsvizin Margrethe Vestager sprach sich jüngst im STANDARD-Interview im Energiesektor dezidiert für Maßnahmen wie Steuern auf Übergewinne aus.

WIDER: Finanzielle Mittel von Profiteuren der Krise zu lukrieren, das klingt bestechend. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) formulierte es so: "In einer Zeit, wo die Energiekosten explodieren, gleichzeitig Energieunternehmen hohe Gewinne einfahren, gibt es keine Denkverbote. Das sind reale Probleme der Menschen, die sich den Strom nicht mehr leisten können." Nehammer hat den Finanzminister beauftragt, Vorschläge auszuarbeiten. Nun heißt es aus dem Kanzleramt, das Thema sei "für uns vorerst vom Tisch".

Mit einer Abschöpfung der Sonderprofite – etwa aus den gestiegenen Energiepreisen – könnten sich die Regierungen ohnehin die Finger verbrennen, warnen so manche Ökonomen. Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher hängt der Idee offenbar nicht sonderlich an und plädierte jüngst dafür, eine pragmatische Lösung zu finden. "Irgendwann profitiert die öffentliche Hand davon, dass das in Form von Dividenden ausgeschüttet wird. Die Frage ist, muss man das zeitlich vorziehen oder nicht", so der Minister in einem Presse-Interview. Er glaube "in diesem Fall, dass es Möglichkeiten gibt, die besser funktionieren als eine Sondersteuer".

Fatale Signale

Das sehen auch andere so: Von "fatalen Signalen" für künftige Investitionen aller Unternehmen in diesem Land sprach Eco-Austria-Chefin Monika Köppl-Turyna auf Twitter. Auch (teil)staatliche Unternehmen müssten "im Sinne der Eigentümer bzw. gewinnorientiert agieren". Auch die deutsche Wirtschaftswissenschafterin Dominika Langenmayr führte dort Argumente ins Treffen. Eines davon: "Fängt man einmal an, in Sondersituationen neue Steuern auf erfolgreiche Marktteilnehmer einzuführen, zerstört man das Vertrauen ins Steuersystem." Wirtschaftstreibenden und ihren Vertretern sind neue oder höhere Steuern, die ihre Geschäftstätigkeit betreffen, immer ein Dorn im Auge. Die Sorge, dass solche – einmal in besonderen Situationen eingeführt – nicht wieder abgeschafft werden, ist wohl nicht ganz unberechtigt.

Dazu kommen Definitionsfragen. Was genau ist ein Übergewinn? "Für Zwecke der Besteuerung ist schlicht nicht feststellbar, ob einzelne Unternehmen ‚übergebührlich‘ von einer Krisensituation profitieren", meldete Ifo-Präsident Clemens Fuest Zweifel in der FAZ an. Manche Unternehmen hielten Kapazitäten vor, um in Krisensituationen Güter anbieten zu können – die Preise seien dann hoch, aber das sei eben nur ein Ausgleich für das Vorhalten von Kapazitäten für Krisenfälle, argumentiert der Finanzwissenschafter. Auch Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hält den Gedanken der Besteuerung von Übergewinnen für "nicht durchdacht". Heinemann denkt an das komplexe Zusammenspiel von Gewinnen und Preisen: "Wenn plötzliche Knappheiten entstehen, zum Beispiel jetzt bei Mikrochips, Rüstungsgütern oder bei Lebensmitteln, haben höhere Preise und Gewinne eine wichtige Lenkungsfunktion, sie sollen auf der Angebotsseite Anreize für eine rasch höhere Produktion setzen", sagte der Ökonom der FAZ. Diese Anreize wegzubesteuern gehe in die falsche Richtung.

Hierzulande wird noch getüftelt – vorerst ist die Idee zumindest aus Sicht des Kanzlers vom Tisch.
Foto: STANDARD

Warten auf die österreichische Lösung – sofern sie überhaupt kommt

Es war eine eher vage Aussage in einem Zeitungsinterview, mit dem Bundeskanzler Karl Nehammer zu Monatsbeginn ein kleines Beben bei den börsennotierten Energieversorgern Verbund und EVN auslöste. Eine Ankündigung, die hohen Gewinne abschöpfen zu wollen, das kam an der Börse nicht gut an: Am Ende des Handelstages hatten beide zusammen mehr als fünf Milliarden an Unternehmenswert eingebüßt. Dabei stand noch gar nicht fest, wie und in welchem Umfang dies erfolgen soll – bis heute hängt diesbezüglich vieles in der Luft.

Unklar ist derzeit, ob die Gewinnabschöpfung überhaupt kommen wird. Laut einem Nehammer-Sprecher soll sie "vorerst vom Tisch" sein – was dies konkret bedeutet, blieb zunächst offen. Dem Finanzministerium zufolge werden nämlich derzeit Modelle für eine Gewinnabschöpfung geprüft und Vorschlage erarbeitet. Von einer endgültigen Lösung sei man noch entfernt. Finanzminister Magnus Brunner hat bei einer Podiumsdiskussion zur Monatsmitte angekündigt, dass es bei einer einmaligen Aktion bleiben soll. Zuvor hatte sein Schweizer Amtskollege Ulrich Maurer eine Gewinnabschöpfung als "kein gutes Signal" an die Industrie hinsichtlich künftiger Investitionen bezeichnet.

Sonderdividende für 2022

Mit Entscheidungen ist unterdessen der Verbund vorgeprescht. Neben einer Gutschriftaktion für Kunden will der Vorstand für das Geschäftsjahr 2022 eine Sonderdividende von 400 Millionen Euro an die Eigentümer ausschütten. Dem müssen zwar noch die Aktionäre in einer Hauptversammlung zustimmen – de facto wird darüber die Republik Österreich entscheiden. Sie ist nämlich mit 51 Prozent Mehrheitseigentümerin des Stromkonzerns und würde dementsprechend mehr als 200 Millionen Euro von der Gewinnausschüttung einstreifen.

Dieses Geld könne man für die Finanzierung von Entlastungsmaßnahmen im Kampf gegen die Teuerung einsetzen, gab Nehammer daraufhin bekannt. Finanzminister Brunner habe von ihm den Auftrag bekommen, diese Mittel entsprechend für die Entlastung der Menschen einzuplanen. Denn wo die Republik Eigentümerin von Unternehmen sei, wolle sie nicht von diesen Windfall-Profits, wie Zusatzgewinne auch bezeichnet werden, profitieren, sondern sie an die Bevölkerung zur Abfederung der Teuerung weiterleiten.

Wer profitiert

Auch von dem Rest der Verbund-Dividende geht der Großteil an Unternehmen der öffentlichen Hand. Denn die Wiener Stadtwerke und die EVN halten gemeinsam eine Sperrminorität am Verbund, mit einer Beteiligung von etwas mehr als 25 Prozent würden sie zusammen gut 100 Millionen Euro von der Sonderdividende erhalten. Wobei die EVN nicht gänzlich im Besitz der öffentlichen Hand steht, denn etwa 20 Prozent werden an der Börse gehandelt, befinden sich also in Streubesitz. Darüber hinaus ist auch der Tiroler Landesenergieversorger Tiwag mit mehr als fünf Prozent am Verbund beteiligt, der Rest der Anteile befindet sich ebenfalls in Streubesitz. (Regina Bruckner, Alexander Hahn, 28.5.2022)