Schade, wenn es regionale Klischees nicht über die Grenze schaffen. Im Fall von München als "nördlichster Stadt Italiens" wollen wir gerne nachhelfen. Die Bayern sagen ihrer Hauptstadt recht viel Dolce Vita nach. Das liegt aber nicht nur an der Affinität zum Draußensitzen bei den ersten Plusgraden im Frühling sowie dem omnipräsenten Cappuccino-Geschlürfe.

Ein Forschungsprojekt der Ludwig-Maximilians-Universität untersucht bereits seit langem den nachweisbaren Einfluss der Italiener auf die Stadt der Biergärten. Und auch Regisseur Helmut Dietl hat filmisch intensiv zu diesem Thema geforscht. Sein "Monaco Franze – Der ewige Stenz" ist eine meisterliche Einführung mit Helmut Fischer ins Münchner Granteln, wenn Männer dort einmal mit ihren Frauen in eine italienische Oper gehen müssen. Mit Dietl kann man sich in München jedenfalls unglaublich lässig-italienisch fühlen.

Das Münchner Opernhaus – rechts im Bild
Foto: imago images/Plusphoto

Die Bellezza bavarese hat ihren handfesten Ausgangspunkt im 17. Jahrhundert und beginnt mit der italophilen Umgestaltungswut von Henriette Adelaide von Savoyen, Beraterin und Gattin von Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern. 1654 ließ sie in München eben das erste freistehende Opernhaus Deutschlands – mit der italienischen Zambonini-Oper "La ninfa ritrosa" – eröffnen.

Die Savoyerin aus Turin brachte dazu eine Heerschar an italienischen Architekten, Handwerkern und Künstlern an den bayerischen Hof. Gemahl Ferdinand schenkte ihr dann zur Geburt des Thronfolgers Max Emanuel nicht nur die Theatinerkirche, eine Kopie von Sant’Andrea della Valle in Rom, sondern auch das Lustschloss Nymphenburg im Stil des italienischen Hofbarocks. Genau hier kann man bis heute eine Italien-Rundreise durch München beginnen.

Mit dem Gondoliere in Nymphenburg

Echte venezianische Gondeln gibt es in München seit mehr als 300 Jahren.
Foto: Gondel Nymphenburg / Maximilian Denuel

Unter Max Emanuel haben bis zu 80 Gondeln den Schlosskanal von Nymphenburg befahren. Dafür wurden im 17. Jahrhundert eigens Gondolieri aus Venedig nach München geholt. Es mag daher vielleicht skurril anmuten, dass man hier bis heute mit einer echten venezianischen Gondel unterwegs sein kann, weit hergeholt ist es nicht.

Die Fahrten dauern 30 Minuten und sind im Preisvergleich zu Venedig förmlich nachg’schmiss’n: Bei Vollbelegung der großen Prachtboote nehmen einen Vater und Sohn Maximilian Koch, zwei Schüler des Altgondoliere Ingo Stahl, der bis 2018 der älteste Gondoliere Europas war, schon um 15 Euro mit. www.gondel-nymphenburg.de

Zum Italiener ins Univiertel

Gut 600 italienische Ristoranti zählt München – mehr als die meisten Kleinstädte in Italien. Eines der geschichtlich interessantesten ist die Osteria Italiana im Univiertel Maxvorstadt. Das Lokal in einem denkmalgeschützten Haus, gegründet 1890 als Osteria Bavaria, war eine der ersten Gaststätten in München, die sich auf italienische Küche spezialisierten.

Zu den Gästen zählte der Schriftsteller Oskar Maria Graf, der sich dort mit Redakteuren des "Simplicissimus" traf; in seinen Erinnerungen "Gelächter von außen" schildert er den befremdlichen Eindruck, den Adolf Hitler und seine Gefolgsleute auf ihn machten, die das Lokal ebenfalls frequentierten. Aktuell setzt dort ein seit Jahren eingespieltes Team aus 20 Mitarbeitern auf bewährte Gerichte und gehobene Küche aus ganz Italien. www.osteria.de

Dolce far niente im Lenbachhaus

Foto: REUTERS/Andreas Gebert

Die Städtische Galerie im Lenbachhaus ist ein Kunstmuseum im Lenbachpalais, der wunderbar italienisch anmutenden, denkmalgeschützten Villa des "Malerfürsten" Franz von Lenbach. Seit der Wiedereröffnung vor neun Jahren sind hier einige der interessantesten wechselnden Ausstellungen in der Stadt zu sehen.

Und nach dem Kunstschauen? Der fesche Garten ist an die italienische Renaissance angelehnt und mindestens so bezaubernd wie die Prachtvilla. Wer faul ist und gar nicht erst in die Ausstellungen will, kann einfach durchs Atrium des Museums gehen, rein in den Garten, ein Buch aufschlagen und dösen – il dolce far niente mitten in Minga! www.lenbachhaus.de

Gelato essen in feinen Italo-Eisdielen

Eine Gemeinsamkeit zwischen Wien und München? Es gibt dort mindestens so viele gute, authentisch italienische Eisdielen wie auf dem Stiefel selbst. Richtig feines Gelato bekommt man in München von jeher in den Traditionseisdielen der Stadt, beispielsweise in der Gelateria Adria in der Maxvorstadt, der Eisdiele Riviera in Giesing und bei Sarcletti am Rotkreuzplatz. Aber auch in neueren Adressen wie dem True and 12 am Gasteig, dem Del Fiore am Gärtnerplatz oder dem Ballabeni in der Türkenstraße schmeckt das Gelato bellissimo.

"Architektour" mit der Vespa

Wer von der U-Bahn-Haltestelle "Universität" in Richtung Odeonsplatz fährt, bekommt auch in München das geballte Italien-Gefühl eines breiten Corsos. Man steuert auf die Feldherrnhalle zu, die nach dem Vorbild einer Florentiner Loggia in Florenz erbaut wurde, und auf die danebenstehende Theatinerkirche – die erste Kirche nördlich der Alpen im Stil des italienischen Spätbarocks.

Am meisten Spaß macht die Tour mit einer Vespa, die über den Dienst Erento von privat zu privat geliehen werden kann. Realistisch sind Tagespreise um die 50 Euro. Feine Strecken abseits der "italienischen Architektour": der Bezirk Altstadt-Lehel, an der Isar entlang oder zur nächsten Eisdiele. Wer dann noch ohne fahrbaren Untersatz zum Max-Josephs-Platz flaniert, sich auf den Stufen der Oper niederlässt und einfach Leute schaut, fühlt sich wirklich fast wie im Italien-Urlaub. (Sascha Aumüller, RONDO exklusiv, 14.6.2022)