An der Robb Elementary School, wo am Dienstag 19 Schulkinder und zwei Lehrerinnen erschossen wurden, säumen Blumen den schnell eingerichteten Gedenkort.

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Lang hat es nicht gedauert, bis sich die USA nach der Tragödie von Uvalde wieder im gewohnten parteipolitischen Hickhack wiederfanden. Bereits über das Wochenende blockierten republikanische Abgeordnete mit ihren Mehrheiten in den Regionalparlamenten von Pennsylvania und Michigan Versuche der Demokraten, in den beiden Bundesstaaten die Waffengesetze zu verschärfen, schon zuvor hatten ihre Parteikollegen in Texas jede Verantwortung laxer Bestimmungen für das jüngste Schulmassaker zurückgewiesen.

Kurz vor dem geplanten Besuch von Präsident Joe Biden an der Robb Elementary School, wo ein Amokläufer am Dienstag 19 Schulkinder und zwei Lehrerinnen erschoss, sagte der Gouverneur des Bundesstaats, Greg Abbott, die Lockerungen seiner Regierung im Bezug auf das verdeckte Tragen von Waffen hätte "keinerlei Relevanz" für die Aufarbeitung der Tragödie.

Die Republikaner setzten stattdessen darauf, den Angriff als Problem der Sicherheit an Schulen und der geistigen Gesundheit in den USA darzustellen. Dass der 18-jährige spätere Täter offenbar mehrfach verstörende Nachrichten in sozialen Medien hinterlassen hatte, sehen sie nicht als verpassten Hinweis, der bei entsprechenden Hintergrundchecks den Kauf des Sturmgewehrs kurz vor der Tat hätte verhindern müssen, sondern als Beleg dafür, dass es sich beim Angreifer schlicht um einen Verrückten gehandelt habe. "Jeder, der einen anderen erschießt, hat ein Problem mit seiner geistigen Gesundheit – Punkt", sagte etwa Abbott in einer Pressekonferenz.

Täter "muss verrückt sein"

Verweise darauf, dass republikanische Abgeordnete auch Gesetzespakete verhindert haben, die mehr Geld für die Behandlung psychischer Probleme bereitgestellt hätten, bleiben dabei unbeachtet.

Vielmehr gehen die Abgeordneten der Partei offenbar davon aus, dass der Staat in diesen Fällen machtlos sei – und wollen daher weiter daran arbeiten, die Sicherheit an Schulen auf andere Weise zu erhöhen. Ex-Präsident Donald Trump nahm für eine Rede beim Kongress der Waffenlobby NRA im texanischen Houston am Freitagabend einen Vorschlag des ebenfalls republikanischen Senators von Texas, Ted Cruz, auf, Schulen weiter zu verbarrikadieren.

Diese sollten künftig verpflichtend "nur noch einen Zugangspunkt" haben dürfen, forderte Trump. Dort sollten – wie schon bisher vielfach – Kontrollen mit Metalldetektoren stattfinden. Hätte es diese in Uvalde gegeben, "würden die Kinder noch leben", sagte er. Außerdem schlägt er vor, die bisherigen "waffenfreien Zonen" an Schulen zu beenden, denn diese seien die größte Gefahr für die Sicherheit: "Es gibt kein einladenderes Zeichen für einen Massenmörder!" Den oft vorgebrachten Vorschlag vieler Republikaner, künftig Lehrpersonal mit versteckt getragenen Waffen auszurüsten, teilt mittlerweile auch eine Mehrheit der Menschen in den USA. Eine Um frage des Portals Politico ergab, dass 54 Prozent die Idee "sehr" oder "eher" befürworten, während sie nur 35 Prozent "sehr oder eher" ablehnen.

Diese Zustimmung ist allerdings geringer als die für die seit Jahren vergeblich gebliebenen Vorschläge vieler Demokraten, dem Problem der Waffengewalt Herr zu werden. Die Idee für eine verpflichtende Wartezeit zwischen Kaufentscheidung und Aushändigung der Waffen, jene für verpflichtende Überprüfungen des geistigen Zustands möglicher Käufer oder die, das Mindestalter für den Kauf bestimmter Waffengattungen nach oben zu schrauben: Sie alle erfreuen sich derzeit Zustimmungsraten oberhalb der Zweidrittelmehrheit.

Frage der Aufmerksamkeit

Frühere Tragödien haben allerdings gezeigt, dass sich die Unterstützung für solche Vorschläge – und auch die Bedeutung, die Wählerinnen und Wähler ihnen beimessen – oft kurz nach schweren Angriffen erhöht hat, um später wieder zu schwinden, wenn das Thema in der öffentlichen Aufmerksamkeit von anderen überlagert wird.

Genau das wollen die Demokraten diesmal aber so schwer wie möglich machen. Bereits vor dem für Sonntagabend geplanten Besuch Bidens in Uvalde traf am Wochenende Vizepräsidentin Kamala Harris in Buffalo ein, wo Mitte Mai ein rassistisch motivierter Angreifer 13 Menschen in einem Supermarkt erschossen hatte, der hauptsächlich von Afroamerikanern frequentiert wird. Sie nahm an einem Gedenkgottesdienst für die 86-jährige Ruth Whitfield teil, die das älteste Opfer des Amoklaufs war. Dabei sprach sie von einem Moment, in dem alle "guten Menschen" zusammenfinden müssten, um der Serie an Tragödien ein Ende zu bereiten und die aktuellen Zustände nicht noch länger zu dulden: "Genug ist genug", wiederholte sie das Schlagwort dieser Tage.

Zugleich läuft in Uvalde auch eine Untersuchung gegen die Polizei. Erste Auswertungen ihrer Arbeit hatten am Freitag ergeben, dass Beamte lange vor einem Klassenzimmer gewartet hatten, in dem sich der Schütze mit seinen Opfern verschanzt hatte, und – im Glauben, der Täter sei allein – nicht eingriffen. Das bringt wiederum auch Abbott unter Druck. Er wehrte sich zuletzt gegen den Vorwurf, die Fehler der Polizei vertuscht zu haben. Er sei selbst in die Irre geführt worden, behauptete er am Wochenende. (Manuel Escher, 29.5.2022)