Ralf Rangnick legt sein Hauptaugenmerk auf die Arbeit beim ÖFB.

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Viel los in Tatz, so lautet der Slogan des Tourismusverbandes von Bad Tatzmannsdorf. Darüber lässt sich vielleicht nicht streiten, aber doch diskutieren, denn in einem burgenländischen Kurort, in dem zum Beispiel Herzkranke therapiert werden, steppt der Bär eher selten und höchstens in der Konditorei.

Am Sonntagnachmittag war aber doch einiges los im Kultursaal. Ralf Rangnick, Österreichs neuer Fußballteamchef, ist zum ersten Mal in dieser Funktion öffentlich aufgetreten. Exakt einen Monat nach seiner doch überraschenden Bestellung, die Nation hatte eher mit Peter Stöger als Nachfolger von Franco Foda gerechnet. Die Rechnung wurde ohne Sportdirektor Peter Schöttel gemacht, er entschied sich für den Paukenschlag. ÖFB-Präsident Gerhard Milletich segnete die Personalie natürlich ab. In der Hoffnung, dass das Nationalteam unter dem 63-jährigen Deutschen in neue Sphären vordringt, einen Boom auslöst, nie wieder in einer Qualifikation den vierten Platz belegt.

Keine schiefe Optik

Pünktlich um 15 Uhr ist Rangnick erschienen. In dunkelblauem Langarmshirt und dunkelblauer Hose. Vorweg: Es war ein sehr souveräner Auftritt, der 37 Minuten lang gedauert hat. Okay, über Manchester United und seine Misserfolge dort als Interimstrainer wollte er nicht sprechen. Allerdings wurde der Beratervertrag im Einvernehmen gelöst, von dieser schiefen Optik ist der Fußball-Bund befreit. "Ich bin ausschließlich österreichischer Teamchef. Wir haben uns die letzten Tage noch mal sehr intensiv mit der Vorbereitung des Lehrgangs beschäftigt, viele Videos geschaut. Ich freue mich sehr, die Spieler kennenzulernen, viele kenne ich nur vom Fernsehen. Jetzt können wir ein paar Tage normal trainieren."

ÖFB

Warum er den Job angenommen hat? "Ich habe eine enge Verbindung zu Österreich. Die erste Kontaktaufnahme war Anfang April. Ich gebe zu, da war ich selber auch überrascht. Zwei Tage danach wurde ein weiteres Telefongespräch vereinbart. Mir wurde dann klar, dass ich das auch machen werde und möchte. Es ist eine neue Herausforderung, eine neue Facette in meinem Leben. Ich glaube, dass viel Potenzial in diesem Kader steckt."

Das Wir steht im Vordergrund

Österreich liegt auf Platz 34 der Rangliste, was Rangnick überhaupt nicht einsieht. "Da sind Länder vor uns, nicht unbedingt ganz große Fußballländer. Zum Beispiel Costa Rica oder Iran. Das muss nicht sein, soll nicht so bleiben." Worauf es ankommt? "Im Fußball geht es nur über das Team, über das Wir. Über Siegermentalität, über eine Mission, die du erfüllen willst." Rangnick erinnerte an Italiens EM-Titel.

In Bad Tatzmannsdorf wird er viele Einzelgespräche führen. "Ich möchte auch persönliche Dinge erfahren." Auf dem Platz werde er versuchen, seine Ideen vom proaktiven Fußball zu vermitteln, "Wir wollen in den wichtigen Spielphasen, in den beiden Umschaltsituationen und auch bei Standards, die Mannschaft bestmöglich vorbereiten. Klarer Plan ist, nicht nur zu bestehen, sondern auch gegen jeden Gegner zu gewinnen. Es geht um eine klare Aufgabenverteilung."

Favorit sind die anderen

Das Programm ist dicht gedrängt, vier Partien innerhalb von elf Tagen. Es ist Nations League, Abteilung A. Am 3. Juni wird in Osijek gegen Vizeweltmeister Kroatien gekickt, es folgen die Matches in Wien gegen Dänemark (6. Juni) und Weltmeister Frankreich (10. Juni). Bilanz kann dann am 13. Juni nach dem Treffen mit den Dänen in Kopenhagen gezogen werden. "Kein Wettbüro würde behaupten, das Österreich Favorit ist."

Champions-League-Sieger David Alaba wird erst in ein paar Tagen eintreffen. "Madrid ist im Ausnahmezustand." Möglicherweise lässt Alaba, den Rangnick in erster Linie als Innenverteidiger sieht, Kroatien aus. Philipp Lienhart hat die Grippe erwischt, auch er reist später an.

Österreich sei, sagt der Teamchef, mit vielen guten Spielern gesegnet. Zum Beispiel mit Marko Arnautovic, der zwar kein Pressing-Monster ist (was nicht ist, kann noch werden), "aber es zählt die aktuelle Form. Er ist fit, hat in Bologna eine starke Saison absolviert."

Keine Langeweile

Fußball sei mehr als die Summe guter Einzelspieler. "Er ist ein Zuschauersport, Fußball hat immer etwas mit Unterhaltung zu tun. Er soll nie langweilig sein, soll begeistern." Es sei schon eine Weile her, "dass der ÖFB durch Heldentaten auf sich aufmerksam gemacht hat". Rangnick fiel doch glatt Cordoba ein. "Die Spieler müssen geil drauf sein, Erfolg zu haben." Er, Rangnick, könne auch mit Gegenwind umgehen. Ein Denkmal will er sich nicht setzen lassen. "Denkmäler werden von Tauben verunreinigt."

Am Montagvormittag steigt das erste Training. Rangnicks Stab gehören Lars Kornetka, Peter Perchtold und Onur Cinel an. Geblieben sind Robert Almer, Stefan Oesen und Gerhard Zallinger sowie die medizinische Abteilung. Es ist also viel los in Tatz. Schöttel erwartet "spannende Zeiten". Hauptziel ist die Teilnahme an der EM 2024 in Deutschland. Rangnick will nicht nur dabei sein, sondern eine Rolle spielen. "Ich freue mich." (Christian Hackl, 29.5.2022)