Sophie Karmasin hat von Aufträgen der Sektion Sport profitiert.

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Stellen Sie sich bitte kurz einmal vor, Sie wollen einen neuen Sportwagen kaufen. Er soll weniger als 100.000 Euro kosten, aber gut 60.000 Euro sind schon drin. Sie gehen, warum auch immer, zu einem Händler, der schon jede Menge Autos, aber noch nie einen Sportwagen verkauft hat. Dennoch macht er Ihnen ein Angebot.

Daheim hat’s geheißen, Sie sollen unbedingt zwei weitere Angebote einholen und vergleichen. Soll sein, also fragen Sie, warum auch immer, den ersten Händler, ob er zwei andere kennt. Na klar, sagt er und stellt die Verbindung zu zwei weiteren Autohändlern her, die zwar auch noch nie einen Sportwagen verkauft haben, Ihnen aber ebenfalls Angebote unterbreiten. Diese können mit dem ersten Angebot nicht mithalten, also schließen Sie mit dem ersten Händler ab.

Auf diese Art und Weise, behaupten Sie, würden Sie sich Ihren neuen Sportwagen – oder was auch immer – garantiert nicht zulegen? So würden Sie gut 60.000 Euro sicher nicht investieren? Sie sind aber auch nicht das Sportministerium! Dieses hat, unter Vizekanzler und Sportminister Heinz-Christian Strache (FPÖ), der Meinungsforscherin und Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin, die bis dahin mit Sport nichts am Hut hatte, den Auftrag für eine "Motivanalyse Bewegung und Sport" erteilt.

Zehntausende Euro

Karmasin lieferte 67 Seiten ab und erhielt dafür 63.300 Euro. Später, schon unter Sportminister Werner Kogler (Grüne), kam Karmasin in nämlicher Manier zu einem weiteren Auftrag. Die 44-seitige Studie "Frauen im Vereinssport" und ein 26-seitiger Folder waren dem Ministerium 76.668 Euro wert. Erst einem dritten Auftrag ("Kinder im Vereinssport") der Sektion Sport an Karmasin wurde im Ministerium durch die kontrollierende Präsidialsektion noch Einhalt geboten.

Die zwei Mitbewerberinnen, deren Angebote mit ihren eigenen jeweils nicht mithalten konnten, hatte Karmasin dem Ministerium selbst genannt – und mit ihnen gepackelt, so lautet der Vorwurf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Am Ende ließ Karmasin ihre "Konkurrentinnen" sogar mitarbeiten – und also von Aufträgen profitieren. Karmasin, für die die Unschuldsvermutung gilt, ist gut drei Wochen lang in U-Haft gesessen.

Interne Revision

Aus dem Bericht nach einer internen Revision ging kürzlich hervor, dass die Sektion Sport "gegen interne Vorgaben" verstieß, jedoch "keine groben Dienstpflichtverletzungen" festgestellt werden konnten. "Mögliche Preisabsprachen waren weder dem Kabinett noch – nach derzeitigem Wissensstand – der Fachsektion bekannt." Unbeantwortet bleiben just die zentralen Fragen, wieso Karmasin ihre zwei "Mitbewerberinnen" selbst vorbringen durfte und "aus welchen Gründen von der Eignung gerade dieser drei Unternehmen ausgegangen wurde".

Die Eignung musste spätestens nach der "Motivanalyse" bezweifelt werden, meinen Fachleute, die sich die 67 Seiten etwas genauer angesehen haben. Die meisten äußern ihre Meinung lieber anonym.

Analyse: "Allgemeinplätze"

Das hat gute Gründe. Ein Experte eines Fachverbands sagt: "Wenn ich das Sportministerium öffentlich kritisiere, laufe ich Gefahr, dass mein Verband dafür bestraft wird, wenn nächstes Mal die Fördermittel aufgeteilt werden." Der Inhalt von Karmasins Analyse sei jedenfalls "das Papier nicht wert. Sie strotzt vor Binsenweisheiten und Allgemeinplätzen. Sie liefert kaum neue Erkenntnisse. Wenn ich einige Studenten damit beauftrage, schaut mehr heraus – und es kostet einen Bruchteil oder gar nichts."

Peter Kleinmann, ÖOC-Vorstandsmitglied und Ex-Präsident des Volleyballverbands, hat keine Scheu. Kaum jemand hierzulande hat sich mit der Bewegung insbesondere von Kindern so intensiv befasst wie er. "Ich verstehe nicht", sagt Kleinmann, "wie man bei einer solchen Analyse das Thema Kindergarten fast völlig ausklammern kann. Das ist, wenn wir über Bewegung von Menschen reden, das wichtigste Alter. Wenn du Zwei- bis Sechsjährige jeden Tag bewegst, wird das im Gehirn impliziert, und diese Menschen bewegen sich ein Leben lang. Das wurde hier völlig übersehen." Kleinmann will "nicht sagen, dass die Analyse völlig wertlos ist. Aber man hätte viel mehr herausholen können." Auch ihm wäre das sportwissenschaftliche Institut der Uni Wien eingefallen.

Sportförderung: "Alarm"

Etliche der schon erwähnten unzufriedenen Fachverbände wollen übrigens bei einem gemeinsamen Termin am Dienstag weniger die vom Sportministerium vergebenen Aufträge als die Sportfördergelder thematisieren. In diesem Bereich geht es um ein Vielfaches der Karmasin-Summen. Titel der Veranstaltung: "Alarm im Sport – Überlebenskämpfe im Wirbel der österreichischen Sportbürokratie". (Fritz Neumann, 30.5.2022)