Schlechtes Timing beim Boxenstopp warf Leclerc zurück.

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Red Bull (Verstappen, Sieger Perez und Teamchef Horner, v. li.) hat hingegen alles richtig gemacht.

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Monte Carlo – Auf seine guten Manieren pfiff Charles Leclerc geflissentlich. "Wir hatten alles, um zu gewinnen – und wir haben alles in den Müll geworfen", schimpfte der Ferrari-Pilot nach seinem frustrierenden Heimrennen. Der Monegasse sagte "wir", was ihn ehrt, doch an diesem verregneten Sonntag im Fürstentum lag die Schuld eindeutig bei den Ferrari-Strategen.

"Wenn Charles das Rennen anführt und wir Vierter werden, dann waren einige Entscheidungen nicht richtig", räumte auch Teamchef Mattia Binotto nach dem chaotischen Großen Preis von Monaco ein. Wenig später grub er dann das Kriegsbeil aus.

Protest abgeschmettert

Ferrari legte nämlich Protest gegen Sieger Sergio Perez und den drittplatzierten Weltmeister Max Verstappen ein. Beide Red-Bull-Piloten hätten jeweils mit einem Reifen vollständig die durchgezogene Linie der Boxenausfahrt überfahren, so der Vorwurf. Die Folge hätte eine Zeitstrafe sein können, die Ferrari-Fahrer Carlos Sainz (Zweiter) und Leclerc wären auf die Ränge eins und zwei vorgerückt. Die Kommissare schmetterten den Protest am späten Sonntagabend aber ab, alles sei im Rahmen des Reglements gewesen.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner bezeichnete den Schritt der Scuderia als "enttäuschend", Binotto wiegelte ab: "Wir haben den Protest eingelegt, weil wir für Klarheit sorgen wollten." Die Aktion richte sich "nicht gegen Red Bull im Besonderen", vielmehr wolle man "Klärung in einer Angelegenheit, die für uns offensichtlich und eindeutig ist". Nicht wenige fragten sich, ob Ferrari auch aktiv geworden wäre, wenn man einen solchen Verdacht bei einem Williams oder AlphaTauri gehabt hätte.

So aber ist bereits nach dem siebten Rennen ohne Not eine gewisse Schärfe in den WM-Kampf gekommen – in dem Red Bull sportlich die Nase vorn hat. Vier Siege in Folge feierten die Bullen, durch seinen dritten Karriereerfolg mischt auf einmal auch der Mexikaner Perez in der Fahrerwertung ganz oben mit. 110 Punkte hat "Checo" auf dem Konto, Leclerc (116) und Verstappen (125) sind in Reichweite.

Dabei schien im Vorfeld kein Weg an Leclerc vorbeizuführen. Der gebürtige Monegasse, der zuvor in fünf Anläufen in der Formel 1 beziehungsweise Formel 2 auf dem Stadtkurs nie das Ziel erreicht hatte, dominierte die Trainings und auch das Qualifying.

Regen als entscheidender Faktor

Bei trockenen Bedingungen wäre er kaum zu schlagen gewesen, das räumte auch die Konkurrenz ein. Weil sich aber kurz vor Rennbeginn die Schleusen öffneten, wurde die Sache kompliziert. Auf abtrocknender Strecke setzte Red Bull die Roten durch einen frühen Wechsel von Perez auf Intermediates unter Zugzwang – und trieb die Scuderia in einen Fehler. "Wir hätten Charles eine Runde früher reinholen können oder auf Slicks warten müssen", meinte Binotto.

Fehler, die an chaotische Zeiten erinnerten. Nicht ohne Grund wartet der stolzeste und traditionsreichste aller Formel-1-Rennställe seit 2007 auf einen Fahrer-Weltmeister. Am Montag musste sich das Team dann auch von der Presse in Italien belehren lassen. "Chaos und Unsicherheit" hätten das Sagen bei Ferrari, schrieb etwa der Corriere della Sera: "Ein wettbewerbsfähiges Auto genügt nicht, man muss es nutzen können."

Leclerc immerhin gab sich versöhnlich. "Ich liebe mein Team und bin sicher, dass wir zurückkommen", sagte er, "aber es tut weh." (sid, red, 30.5.2022)

Pressestimmen:

Großbritannien:

"The Sun": "Sergio Perez gewinnt einen weiteren langweiligen Großen Preis von Monaco. Trotz des Schumacher-Crashs gab es im gesamten Rennen kaum Überholmanöver."

"Daily Mail": "Nach Mick Schumachers schockierendem Crash gewinnt Sergio Perez den verspätet gestarteten Großen Preis von Monaco. Der am Boden zerstörte Charles Leclerc wird nach einem Boxenstopp-Drama Vierter."

"The Guardian": "In einer hart umkämpften Meisterschaft war dies ein potenziell entscheidender Moment, und Ferrari erwies sich als so unzulänglich, dass sein Titelanwärter Charles Leclerc vor Frust schreiend zurückblieb."

Frankreich:

"L"Equipe": "Perez, der Fürst des Fürstentums. Leclerc, noch immer verflucht. (...) Pole-Mann Charles Leclerc, in Monaco so oft glücklos, hat endlich die Ziellinie seines heimischen Grand Prix gesehen, aber auf einem für ihn furchtbar frustrierenden vierten Platz."

"Le Figaro": "Der perfekte Coup von Perez und Red Bull. In Monaco in der zweiten Reihe zu starten, ist ein echtes Handicap, vor allem, wenn in der ersten Reihe zwei Ferraris stehen. Aber die Strategie von Red Bull hat perfekt funktioniert."

Spanien:

"Marca": "Pérez holt in Monaco einen unmöglichen Sieg. Es ist nicht an der Tagesordnung, im Fürstentum vom dritten Platz aus an die Spitze zu kommen, doch Pérez hat es völlig verdient geschafft."

"El País": "Das Pech, das den Monegassen (Leclerc) verfolgt, scheint das Werk schwarzer Magie zu sein (...) Das in Monte Carlo wegen des schlechten Wetters herrschende Chaos hat Ferrari verwirrt, seinen Strategen die Sicht vernebelt und dafür gesorgt, dass Leclerc noch wütender war als vergangene Woche im Circuit von Barcelona."

Deutschland:

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Der erste, der schnell an diesem Sonntag in Monte Carlo in den Blick rückte, war der Vierte des Großen Preises von Monaco: Charles Leclerc, der Unglückliche, ein moderner Ritter der traurigen Gestalt, stumm vor Enttäuschung."

"Süddeutsche Zeitung": "Runde um Runde bemühte Perez sich, möglichst keine Fehler zu machen und dabei den immer wieder dicht auffahrenden Sainz in Schach zu halten. Zehn Minuten noch. Perez, Sainz, Verstappen und Leclerc lagen dicht aneinander, doch das Finale dieses ereignisreichen Tages wurde zu einer Prozession."

Italien:

"La Repubblica": "Von der Pole auf einen enttäuschenden vierten Platz. Der Heimfluch hält bei Charles Leclerc an."

Schweiz:

"Blick": "Monaco erlebt ein Regen- und Reifen Chaos. Pérez-Sieg – Bullen zogen Ferrari Gummi aus! (...) Monte Carlo hatte schon bessere Shows gesehen, auch wenn im Ziel Pérez, Sainz, Verstappen und Pole-Mann Leclerc innert 2,9 Sekunden lagen."